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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Der Austauschprofessor

"Weil ich nicht warten kann wegen steamer, Mr. Jerum," erwiderte Miß
Granton gereizt. "Nein, ich will nun nichts mehr wissen wegen Ihre Erlebnisse,
wenn Sie so denken über mich. Und ich bin nicht allein gereisen durch Deutsch¬
land, ich bin gereisen mit mein Bekannter Mr. Johnstone und seine Mutter
die ganze Tour, wir wollten zusammen zurückfahren mit Lloydsteamer von
Bremen. Da habe ich sie gelassen und bin nach Hamburg und uach hier
gefahren, weil mir der deutsche Pastor erzählt hat von den Vierdörferu und
weil..."

Miß Granton schien noch etwas hinzusetzen zu wollen, brach aber plötzlich
ab und wischte sich mit dem Taschentuch die Tränen ans den Augen.

"Seien Sie mir nicht böse," bat Doktor Jerum nochmals und griff nach
Alices Hand. Sie zog sie weg. "Ich wollte Sie nicht kränken. Sie haben
mir heute morgen auch allerlei Unangenehmes gesagt. Wenn ich gewußt hätte,
daß Sie in freundschaftlicher Begleitung Deutschland bereist hätten..."

"Nicht so fteundschaftlich," sagte Miß Granton sanfter. "Wir haben uns
gezankt. Manchmal."

"Also bitte ich Sie um Entschuldigung."

Er griff wieder nach ihrer Hand. Diesmal ließ sie sie ihm.

Nach einer Pause:

"Doktor, Sie haben recht. Ich hätte nicht sollen gekaufei: das nah und
das Pferd. Und die deutschen Mädchen sind -- es klingt so hübsch --
sie sind ,änschmiegsamer< -- hieß es nicht so? -- als die amerikanischen. --
Sie hatten Brmnmschädel, und doch habe ich so hart zu Ihnen gesprochen."

"Also begraben wir den Tomahawk. -- Und dort, Miß Granton, ist die
Kirche. Wir müssen uns zwecks Besichtigung an den ?a8de>r loci wenden."

"V/eil," sagte Miß Grauton vergnügt. "Und hier müssen Sie meinen
Arm loslassen."

Doktor Jerum tat es und dachte:

"Also sie haben sich .gezankt'. Dann ist dieser Mr. Johnstone sicher der
präsumptive -- oder noch wahrscheinlicher der wirkliche -- Verlobte dieser
jungen Dame.

Ein Geistlicher in Amtstracht kam aus der Kirchhofspforte.

Miß Grauton trat auf ihn zu.

"Ich bin Miß Granton ans New Uork. Sie sind Herr Pastor Lozi,
nicht wahr?"

Der Geistliche griff an seine Mütze und sagte, sich vorstellend:

"Pastor Lehmann."

Miß Granton warf Doktor Jerum einen strafenden Blick zu, der sagte: "Nun
hast du schon wieder geschwindelt", und fuhr fort:

"Ich komme, um die alte Kirche zu sehen. Ist das erlaubt?"

"Gewiß," sagte der Pastor. "Allerdings habe ich in einer Viertelstunde
eine Trauung..."


Der Austauschprofessor

„Weil ich nicht warten kann wegen steamer, Mr. Jerum," erwiderte Miß
Granton gereizt. „Nein, ich will nun nichts mehr wissen wegen Ihre Erlebnisse,
wenn Sie so denken über mich. Und ich bin nicht allein gereisen durch Deutsch¬
land, ich bin gereisen mit mein Bekannter Mr. Johnstone und seine Mutter
die ganze Tour, wir wollten zusammen zurückfahren mit Lloydsteamer von
Bremen. Da habe ich sie gelassen und bin nach Hamburg und uach hier
gefahren, weil mir der deutsche Pastor erzählt hat von den Vierdörferu und
weil..."

Miß Granton schien noch etwas hinzusetzen zu wollen, brach aber plötzlich
ab und wischte sich mit dem Taschentuch die Tränen ans den Augen.

„Seien Sie mir nicht böse," bat Doktor Jerum nochmals und griff nach
Alices Hand. Sie zog sie weg. „Ich wollte Sie nicht kränken. Sie haben
mir heute morgen auch allerlei Unangenehmes gesagt. Wenn ich gewußt hätte,
daß Sie in freundschaftlicher Begleitung Deutschland bereist hätten..."

„Nicht so fteundschaftlich," sagte Miß Granton sanfter. „Wir haben uns
gezankt. Manchmal."

„Also bitte ich Sie um Entschuldigung."

Er griff wieder nach ihrer Hand. Diesmal ließ sie sie ihm.

Nach einer Pause:

„Doktor, Sie haben recht. Ich hätte nicht sollen gekaufei: das nah und
das Pferd. Und die deutschen Mädchen sind — es klingt so hübsch —
sie sind ,änschmiegsamer< — hieß es nicht so? — als die amerikanischen. —
Sie hatten Brmnmschädel, und doch habe ich so hart zu Ihnen gesprochen."

„Also begraben wir den Tomahawk. — Und dort, Miß Granton, ist die
Kirche. Wir müssen uns zwecks Besichtigung an den ?a8de>r loci wenden."

„V/eil," sagte Miß Grauton vergnügt. „Und hier müssen Sie meinen
Arm loslassen."

Doktor Jerum tat es und dachte:

„Also sie haben sich .gezankt'. Dann ist dieser Mr. Johnstone sicher der
präsumptive — oder noch wahrscheinlicher der wirkliche — Verlobte dieser
jungen Dame.

Ein Geistlicher in Amtstracht kam aus der Kirchhofspforte.

Miß Grauton trat auf ihn zu.

„Ich bin Miß Granton ans New Uork. Sie sind Herr Pastor Lozi,
nicht wahr?"

Der Geistliche griff an seine Mütze und sagte, sich vorstellend:

„Pastor Lehmann."

Miß Granton warf Doktor Jerum einen strafenden Blick zu, der sagte: „Nun
hast du schon wieder geschwindelt", und fuhr fort:

„Ich komme, um die alte Kirche zu sehen. Ist das erlaubt?"

„Gewiß," sagte der Pastor. „Allerdings habe ich in einer Viertelstunde
eine Trauung..."


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[0577] Der Austauschprofessor „Weil ich nicht warten kann wegen steamer, Mr. Jerum," erwiderte Miß Granton gereizt. „Nein, ich will nun nichts mehr wissen wegen Ihre Erlebnisse, wenn Sie so denken über mich. Und ich bin nicht allein gereisen durch Deutsch¬ land, ich bin gereisen mit mein Bekannter Mr. Johnstone und seine Mutter die ganze Tour, wir wollten zusammen zurückfahren mit Lloydsteamer von Bremen. Da habe ich sie gelassen und bin nach Hamburg und uach hier gefahren, weil mir der deutsche Pastor erzählt hat von den Vierdörferu und weil..." Miß Granton schien noch etwas hinzusetzen zu wollen, brach aber plötzlich ab und wischte sich mit dem Taschentuch die Tränen ans den Augen. „Seien Sie mir nicht böse," bat Doktor Jerum nochmals und griff nach Alices Hand. Sie zog sie weg. „Ich wollte Sie nicht kränken. Sie haben mir heute morgen auch allerlei Unangenehmes gesagt. Wenn ich gewußt hätte, daß Sie in freundschaftlicher Begleitung Deutschland bereist hätten..." „Nicht so fteundschaftlich," sagte Miß Granton sanfter. „Wir haben uns gezankt. Manchmal." „Also bitte ich Sie um Entschuldigung." Er griff wieder nach ihrer Hand. Diesmal ließ sie sie ihm. Nach einer Pause: „Doktor, Sie haben recht. Ich hätte nicht sollen gekaufei: das nah und das Pferd. Und die deutschen Mädchen sind — es klingt so hübsch — sie sind ,änschmiegsamer< — hieß es nicht so? — als die amerikanischen. — Sie hatten Brmnmschädel, und doch habe ich so hart zu Ihnen gesprochen." „Also begraben wir den Tomahawk. — Und dort, Miß Granton, ist die Kirche. Wir müssen uns zwecks Besichtigung an den ?a8de>r loci wenden." „V/eil," sagte Miß Grauton vergnügt. „Und hier müssen Sie meinen Arm loslassen." Doktor Jerum tat es und dachte: „Also sie haben sich .gezankt'. Dann ist dieser Mr. Johnstone sicher der präsumptive — oder noch wahrscheinlicher der wirkliche — Verlobte dieser jungen Dame. Ein Geistlicher in Amtstracht kam aus der Kirchhofspforte. Miß Grauton trat auf ihn zu. „Ich bin Miß Granton ans New Uork. Sie sind Herr Pastor Lozi, nicht wahr?" Der Geistliche griff an seine Mütze und sagte, sich vorstellend: „Pastor Lehmann." Miß Granton warf Doktor Jerum einen strafenden Blick zu, der sagte: „Nun hast du schon wieder geschwindelt", und fuhr fort: „Ich komme, um die alte Kirche zu sehen. Ist das erlaubt?" „Gewiß," sagte der Pastor. „Allerdings habe ich in einer Viertelstunde eine Trauung..."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/577>, abgerufen am 01.07.2024.