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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Der Austauschprofessor

und dieseni Land und diesen Menschen. Alles sieht hier aus wie in Holland.
Sind sie nicht aus Holland gestammt? -- Oder nein, erzählen Sie mir ein
wenig von Ihnen selbst. -- Es ist so feierlich und still hier, ich fühle mir
besser, ich fühle ein anderer Mensch. -- Wissen Sie etwas? Wir wollen zuerst
gehen nach der Kirche. Mir ist in mein Herz, wie soll ich sagen, so
fromm. Ich freue mich so, daß ich Sie getroffen habe, ich höre so gern zu,
wenn Sie sprechen. Sie sind so lustig und so postieal und zugleich von ein
so gutes Gemüt. -- Ich tadelte, daß Sie nicht sagten die Wahrheit, weil Sie
sagten, alle Bauern hießten Pöttfärken, aber ich habe in mein Leben auch schon
gelügt -- sogar heute. . . Erzählen Sie von Ihr Leben. Sie müssen nicht
machen so ein krause Stirn. Sie müssen nicht denken an böse Stunden und
böse Briefe heute, wo Sie gehen spazieren mit mir. -- Sie wollen nicht. Sie
sind böse zu mir. -- Ich denke, Sie lieben amerikanische Damen nicht so gern
wie die deutschen . . . ?"

Sie war allerliebst in diesen: Augenblick, ihre Augen lächelten, ihre Wangen
waren in ein zartes Rot getaucht, und Doktor Jerum dachte: Sie ist zum Küssen.

Und zum Anpumpen, kam ein zweiter Gedanke hinterher.

Aber Doktor Jerum schlug ihn tot wie eine häßliche Schmeißfliege. Es
reizte ihn plötzlich, auch seiner hübschen Partnerin ein wenig ins Gewissen zu
reden, wie sie es vorhin bei ihm getan hatte, und er sagte:

"In der Tat, die deutschen Mädchen und Frauen sind mir angenehmer
als die amerikanischen. Nicht in allen Dingen. Aber in manchen. Die
Amerikanerinnen sind ja so selbständig. Welche Dame würde z. B. allein, wie
Sie es getan haben, durch ein fremdes Land reisen."

"O, ich bin nicht allein gereisen, Mr. Jerum," sagte Miß Granton erzürnt.

"Nein, mit einem Nigger. Die Amerikanerin ist wie ein halber Mann.
Aber die deutschen Frauen sind weicher, hingebender, anschmiegsamer, sind nicht
so emanzipiert, kauen kein cnewin^-Zum..."

In Miß Alices Augen waren Tränen des Zorns getreten.

"Wie sprechen Sie gegen mir. Ich kaue kein LtiswInA-Anm. Keine Lady
in Amerika kaut cnewinZ-Anm. Aber deutsche Damen rauchen in Cafes
Zigaretten. Und deutsche Herren rauchen in Restaurationen Zigarren, ohne
Rücksicht wegen Damen."

"Und amerikanische Herren kauen Tabak und spucken Damen, hinter denen
sie sitzen, über die Köpfe weg, und legen die Füße auf den Tisch und spielen
Poker in Hemdsärmeln."

"O, Mr. Jerum, wie sprechen Sie schlecht von meine countrymsn."

"Seien Sie mir nicht böse. Daß Sie kein cKöxvin^-Zum kauen, weiß
ich. Aber an Ihnen hat mir etwas anderes nicht gefallen. Warum kauften
Sie heute morgen Pferd und Wagen. Welche Verschwendung. Wie viel arme
Leute (Doktor Jerum wurde sentimental) hätten Sie mit dem Gelde glücklich machen
können, wenn Sie bis morgen gewartet hätten."


Der Austauschprofessor

und dieseni Land und diesen Menschen. Alles sieht hier aus wie in Holland.
Sind sie nicht aus Holland gestammt? — Oder nein, erzählen Sie mir ein
wenig von Ihnen selbst. — Es ist so feierlich und still hier, ich fühle mir
besser, ich fühle ein anderer Mensch. — Wissen Sie etwas? Wir wollen zuerst
gehen nach der Kirche. Mir ist in mein Herz, wie soll ich sagen, so
fromm. Ich freue mich so, daß ich Sie getroffen habe, ich höre so gern zu,
wenn Sie sprechen. Sie sind so lustig und so postieal und zugleich von ein
so gutes Gemüt. — Ich tadelte, daß Sie nicht sagten die Wahrheit, weil Sie
sagten, alle Bauern hießten Pöttfärken, aber ich habe in mein Leben auch schon
gelügt — sogar heute. . . Erzählen Sie von Ihr Leben. Sie müssen nicht
machen so ein krause Stirn. Sie müssen nicht denken an böse Stunden und
böse Briefe heute, wo Sie gehen spazieren mit mir. — Sie wollen nicht. Sie
sind böse zu mir. — Ich denke, Sie lieben amerikanische Damen nicht so gern
wie die deutschen . . . ?"

Sie war allerliebst in diesen: Augenblick, ihre Augen lächelten, ihre Wangen
waren in ein zartes Rot getaucht, und Doktor Jerum dachte: Sie ist zum Küssen.

Und zum Anpumpen, kam ein zweiter Gedanke hinterher.

Aber Doktor Jerum schlug ihn tot wie eine häßliche Schmeißfliege. Es
reizte ihn plötzlich, auch seiner hübschen Partnerin ein wenig ins Gewissen zu
reden, wie sie es vorhin bei ihm getan hatte, und er sagte:

„In der Tat, die deutschen Mädchen und Frauen sind mir angenehmer
als die amerikanischen. Nicht in allen Dingen. Aber in manchen. Die
Amerikanerinnen sind ja so selbständig. Welche Dame würde z. B. allein, wie
Sie es getan haben, durch ein fremdes Land reisen."

„O, ich bin nicht allein gereisen, Mr. Jerum," sagte Miß Granton erzürnt.

„Nein, mit einem Nigger. Die Amerikanerin ist wie ein halber Mann.
Aber die deutschen Frauen sind weicher, hingebender, anschmiegsamer, sind nicht
so emanzipiert, kauen kein cnewin^-Zum..."

In Miß Alices Augen waren Tränen des Zorns getreten.

„Wie sprechen Sie gegen mir. Ich kaue kein LtiswInA-Anm. Keine Lady
in Amerika kaut cnewinZ-Anm. Aber deutsche Damen rauchen in Cafes
Zigaretten. Und deutsche Herren rauchen in Restaurationen Zigarren, ohne
Rücksicht wegen Damen."

„Und amerikanische Herren kauen Tabak und spucken Damen, hinter denen
sie sitzen, über die Köpfe weg, und legen die Füße auf den Tisch und spielen
Poker in Hemdsärmeln."

„O, Mr. Jerum, wie sprechen Sie schlecht von meine countrymsn."

„Seien Sie mir nicht böse. Daß Sie kein cKöxvin^-Zum kauen, weiß
ich. Aber an Ihnen hat mir etwas anderes nicht gefallen. Warum kauften
Sie heute morgen Pferd und Wagen. Welche Verschwendung. Wie viel arme
Leute (Doktor Jerum wurde sentimental) hätten Sie mit dem Gelde glücklich machen
können, wenn Sie bis morgen gewartet hätten."


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[0576] Der Austauschprofessor und dieseni Land und diesen Menschen. Alles sieht hier aus wie in Holland. Sind sie nicht aus Holland gestammt? — Oder nein, erzählen Sie mir ein wenig von Ihnen selbst. — Es ist so feierlich und still hier, ich fühle mir besser, ich fühle ein anderer Mensch. — Wissen Sie etwas? Wir wollen zuerst gehen nach der Kirche. Mir ist in mein Herz, wie soll ich sagen, so fromm. Ich freue mich so, daß ich Sie getroffen habe, ich höre so gern zu, wenn Sie sprechen. Sie sind so lustig und so postieal und zugleich von ein so gutes Gemüt. — Ich tadelte, daß Sie nicht sagten die Wahrheit, weil Sie sagten, alle Bauern hießten Pöttfärken, aber ich habe in mein Leben auch schon gelügt — sogar heute. . . Erzählen Sie von Ihr Leben. Sie müssen nicht machen so ein krause Stirn. Sie müssen nicht denken an böse Stunden und böse Briefe heute, wo Sie gehen spazieren mit mir. — Sie wollen nicht. Sie sind böse zu mir. — Ich denke, Sie lieben amerikanische Damen nicht so gern wie die deutschen . . . ?" Sie war allerliebst in diesen: Augenblick, ihre Augen lächelten, ihre Wangen waren in ein zartes Rot getaucht, und Doktor Jerum dachte: Sie ist zum Küssen. Und zum Anpumpen, kam ein zweiter Gedanke hinterher. Aber Doktor Jerum schlug ihn tot wie eine häßliche Schmeißfliege. Es reizte ihn plötzlich, auch seiner hübschen Partnerin ein wenig ins Gewissen zu reden, wie sie es vorhin bei ihm getan hatte, und er sagte: „In der Tat, die deutschen Mädchen und Frauen sind mir angenehmer als die amerikanischen. Nicht in allen Dingen. Aber in manchen. Die Amerikanerinnen sind ja so selbständig. Welche Dame würde z. B. allein, wie Sie es getan haben, durch ein fremdes Land reisen." „O, ich bin nicht allein gereisen, Mr. Jerum," sagte Miß Granton erzürnt. „Nein, mit einem Nigger. Die Amerikanerin ist wie ein halber Mann. Aber die deutschen Frauen sind weicher, hingebender, anschmiegsamer, sind nicht so emanzipiert, kauen kein cnewin^-Zum..." In Miß Alices Augen waren Tränen des Zorns getreten. „Wie sprechen Sie gegen mir. Ich kaue kein LtiswInA-Anm. Keine Lady in Amerika kaut cnewinZ-Anm. Aber deutsche Damen rauchen in Cafes Zigaretten. Und deutsche Herren rauchen in Restaurationen Zigarren, ohne Rücksicht wegen Damen." „Und amerikanische Herren kauen Tabak und spucken Damen, hinter denen sie sitzen, über die Köpfe weg, und legen die Füße auf den Tisch und spielen Poker in Hemdsärmeln." „O, Mr. Jerum, wie sprechen Sie schlecht von meine countrymsn." „Seien Sie mir nicht böse. Daß Sie kein cKöxvin^-Zum kauen, weiß ich. Aber an Ihnen hat mir etwas anderes nicht gefallen. Warum kauften Sie heute morgen Pferd und Wagen. Welche Verschwendung. Wie viel arme Leute (Doktor Jerum wurde sentimental) hätten Sie mit dem Gelde glücklich machen können, wenn Sie bis morgen gewartet hätten."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/576>, abgerufen am 01.07.2024.