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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Sciiatorcnrevision in Turkestan

in Turkestan anzuordnen. Zu ihrem Leiter wurde wiederum Graf Pcchleu
ernannt, der sich aber weigerte, nach Zentralasten zu gehen, wenn er nicht vom
Kaiser den direkten Befehl erhielte, auch in den Bureaus des Generalgouverneurs
zu revidieren. Der Kaiser gab diesem Wunsch nach, nicht weil die Regierung
auch bei dem Generalgouvemeur Unregelmäßigkeiten vermutete -- vor diesem
Verdacht schützte den General sein rechtschaffener Charakter --, aber sie mußte
es des Prinzips wegen tun, um auch dem höchsten Beamten des Landes gegen¬
über die Autorität des Staates zur Geltung zu bringen. So reiste denn Graf
Pahlen im März 1909 wieder nach Taschkend. Mischtschenko, der einen Rückzug
vor dem Zivilisten mit seiner militärischen Ehre nicht für vereinbar hielt, verschloß
wiederum dem Senator die Türen seiner Bureaus. Graf Pahlen wandte sich
umgehend nach Se. Petersburg und der Kaiser enthob Mischtschenko telegraphisch
seines Amtes.

Zur Zeit, als Graf Pahlen seine zweite Revision begann und Mischtschenko
von seinem Posten entsetzt wurde, befand ich mich gerade in Turkestan. So
wurde ich Zeuge einer Szene, die auch nur in Rußland möglich ist. Ich hatte
kurz vorher in Taschkend den Generalgouvemeur keimen gelernt, als ich mich
wegen Besorgung eines Passes an ihn wandte. Um Russisch-Zentralasien zu
bereisen, bedarf es nämlich einer besonderen Erlaubnis von feiten der Negierung
in Se. Petersburg. Der deutsche Botschafter Graf Pourtalös hatte mir zwar
den tnrkestanischen Paß verschafft und an den Generalgouvemeur uach Taschkend
geschickt; er war auch angekommen, aber verlegt worden und nicht mehr zu
finden. Da ich ohne ihn nicht abreisen durfte, bat ich Mischtschenko in einer
Audienz, mir einen neuen Paß zu besorgen. Der Generalgouvemeur sandte
auch in liebenswürdigster Weise ein Diensttelegramm an den Kriegsminister nach
Se. Petersburg und nach vierundzwanzig Stunden hatte ich bereits die Erlaubnis
zum Bereisen Turkestans in Händen.

Eine Zeitlang war ich mit meiner Frau im Lande umhergereist und wir
gedachten nun von Samarkand mit der Mittelasiatischen Bahn nach Merw zu
fahre". Auf dein Bahnhof der herrlichen Stadt Tamerlans, wo die Wunder¬
werke aus Samarkands Glanzzeit Märchenbilder aus "Tausendundeiner Nacht"
hervorzaubern, herrschte großes Leben. Man erwartete den tags zuvor abgesetzten
General Mischtschenko. Die gesamten Truppen der Garnison hatten ans
dem Bahnsteig in Paradeuniform Aufstellung genommen; um den Militär¬
gouverneur der Provinz Samarkand Scharte sich ein glänzendes Gefolge; im
hellen Sonnenlichte funkelten und leuchteten die bunten Uniformen und glitzernden
Ordenssterne. Jetzt lief der Zug langsam ein, so langsam, daß man die Fort¬
bewegung der Lokomotive kaum wahrnehmen konnte. Die Soldaten präsentierten
die Gewehre, die Militärkapellen spielten, die Offiziere salutierten, die Offiziers¬
damen mixten und .Hurrah' aus Tausenden von militärischen Kehlen schallten
unaufhörlich durch die Luft. Der Zug stand und Mischtschenko entstieg seinem
Salonwagen. Er versammelte die Offiziere bis zum Hauptmann herab um sich.


Sciiatorcnrevision in Turkestan

in Turkestan anzuordnen. Zu ihrem Leiter wurde wiederum Graf Pcchleu
ernannt, der sich aber weigerte, nach Zentralasten zu gehen, wenn er nicht vom
Kaiser den direkten Befehl erhielte, auch in den Bureaus des Generalgouverneurs
zu revidieren. Der Kaiser gab diesem Wunsch nach, nicht weil die Regierung
auch bei dem Generalgouvemeur Unregelmäßigkeiten vermutete — vor diesem
Verdacht schützte den General sein rechtschaffener Charakter —, aber sie mußte
es des Prinzips wegen tun, um auch dem höchsten Beamten des Landes gegen¬
über die Autorität des Staates zur Geltung zu bringen. So reiste denn Graf
Pahlen im März 1909 wieder nach Taschkend. Mischtschenko, der einen Rückzug
vor dem Zivilisten mit seiner militärischen Ehre nicht für vereinbar hielt, verschloß
wiederum dem Senator die Türen seiner Bureaus. Graf Pahlen wandte sich
umgehend nach Se. Petersburg und der Kaiser enthob Mischtschenko telegraphisch
seines Amtes.

Zur Zeit, als Graf Pahlen seine zweite Revision begann und Mischtschenko
von seinem Posten entsetzt wurde, befand ich mich gerade in Turkestan. So
wurde ich Zeuge einer Szene, die auch nur in Rußland möglich ist. Ich hatte
kurz vorher in Taschkend den Generalgouvemeur keimen gelernt, als ich mich
wegen Besorgung eines Passes an ihn wandte. Um Russisch-Zentralasien zu
bereisen, bedarf es nämlich einer besonderen Erlaubnis von feiten der Negierung
in Se. Petersburg. Der deutsche Botschafter Graf Pourtalös hatte mir zwar
den tnrkestanischen Paß verschafft und an den Generalgouvemeur uach Taschkend
geschickt; er war auch angekommen, aber verlegt worden und nicht mehr zu
finden. Da ich ohne ihn nicht abreisen durfte, bat ich Mischtschenko in einer
Audienz, mir einen neuen Paß zu besorgen. Der Generalgouvemeur sandte
auch in liebenswürdigster Weise ein Diensttelegramm an den Kriegsminister nach
Se. Petersburg und nach vierundzwanzig Stunden hatte ich bereits die Erlaubnis
zum Bereisen Turkestans in Händen.

Eine Zeitlang war ich mit meiner Frau im Lande umhergereist und wir
gedachten nun von Samarkand mit der Mittelasiatischen Bahn nach Merw zu
fahre». Auf dein Bahnhof der herrlichen Stadt Tamerlans, wo die Wunder¬
werke aus Samarkands Glanzzeit Märchenbilder aus „Tausendundeiner Nacht"
hervorzaubern, herrschte großes Leben. Man erwartete den tags zuvor abgesetzten
General Mischtschenko. Die gesamten Truppen der Garnison hatten ans
dem Bahnsteig in Paradeuniform Aufstellung genommen; um den Militär¬
gouverneur der Provinz Samarkand Scharte sich ein glänzendes Gefolge; im
hellen Sonnenlichte funkelten und leuchteten die bunten Uniformen und glitzernden
Ordenssterne. Jetzt lief der Zug langsam ein, so langsam, daß man die Fort¬
bewegung der Lokomotive kaum wahrnehmen konnte. Die Soldaten präsentierten
die Gewehre, die Militärkapellen spielten, die Offiziere salutierten, die Offiziers¬
damen mixten und .Hurrah' aus Tausenden von militärischen Kehlen schallten
unaufhörlich durch die Luft. Der Zug stand und Mischtschenko entstieg seinem
Salonwagen. Er versammelte die Offiziere bis zum Hauptmann herab um sich.


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[0568] Sciiatorcnrevision in Turkestan in Turkestan anzuordnen. Zu ihrem Leiter wurde wiederum Graf Pcchleu ernannt, der sich aber weigerte, nach Zentralasten zu gehen, wenn er nicht vom Kaiser den direkten Befehl erhielte, auch in den Bureaus des Generalgouverneurs zu revidieren. Der Kaiser gab diesem Wunsch nach, nicht weil die Regierung auch bei dem Generalgouvemeur Unregelmäßigkeiten vermutete — vor diesem Verdacht schützte den General sein rechtschaffener Charakter —, aber sie mußte es des Prinzips wegen tun, um auch dem höchsten Beamten des Landes gegen¬ über die Autorität des Staates zur Geltung zu bringen. So reiste denn Graf Pahlen im März 1909 wieder nach Taschkend. Mischtschenko, der einen Rückzug vor dem Zivilisten mit seiner militärischen Ehre nicht für vereinbar hielt, verschloß wiederum dem Senator die Türen seiner Bureaus. Graf Pahlen wandte sich umgehend nach Se. Petersburg und der Kaiser enthob Mischtschenko telegraphisch seines Amtes. Zur Zeit, als Graf Pahlen seine zweite Revision begann und Mischtschenko von seinem Posten entsetzt wurde, befand ich mich gerade in Turkestan. So wurde ich Zeuge einer Szene, die auch nur in Rußland möglich ist. Ich hatte kurz vorher in Taschkend den Generalgouvemeur keimen gelernt, als ich mich wegen Besorgung eines Passes an ihn wandte. Um Russisch-Zentralasien zu bereisen, bedarf es nämlich einer besonderen Erlaubnis von feiten der Negierung in Se. Petersburg. Der deutsche Botschafter Graf Pourtalös hatte mir zwar den tnrkestanischen Paß verschafft und an den Generalgouvemeur uach Taschkend geschickt; er war auch angekommen, aber verlegt worden und nicht mehr zu finden. Da ich ohne ihn nicht abreisen durfte, bat ich Mischtschenko in einer Audienz, mir einen neuen Paß zu besorgen. Der Generalgouvemeur sandte auch in liebenswürdigster Weise ein Diensttelegramm an den Kriegsminister nach Se. Petersburg und nach vierundzwanzig Stunden hatte ich bereits die Erlaubnis zum Bereisen Turkestans in Händen. Eine Zeitlang war ich mit meiner Frau im Lande umhergereist und wir gedachten nun von Samarkand mit der Mittelasiatischen Bahn nach Merw zu fahre». Auf dein Bahnhof der herrlichen Stadt Tamerlans, wo die Wunder¬ werke aus Samarkands Glanzzeit Märchenbilder aus „Tausendundeiner Nacht" hervorzaubern, herrschte großes Leben. Man erwartete den tags zuvor abgesetzten General Mischtschenko. Die gesamten Truppen der Garnison hatten ans dem Bahnsteig in Paradeuniform Aufstellung genommen; um den Militär¬ gouverneur der Provinz Samarkand Scharte sich ein glänzendes Gefolge; im hellen Sonnenlichte funkelten und leuchteten die bunten Uniformen und glitzernden Ordenssterne. Jetzt lief der Zug langsam ein, so langsam, daß man die Fort¬ bewegung der Lokomotive kaum wahrnehmen konnte. Die Soldaten präsentierten die Gewehre, die Militärkapellen spielten, die Offiziere salutierten, die Offiziers¬ damen mixten und .Hurrah' aus Tausenden von militärischen Kehlen schallten unaufhörlich durch die Luft. Der Zug stand und Mischtschenko entstieg seinem Salonwagen. Er versammelte die Offiziere bis zum Hauptmann herab um sich.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/568>, abgerufen am 01.07.2024.