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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Der Austmischprofessor

Aut-Kollegen abzukürzen. Und dies ging ganz gut, denn der Droschkenkutscher
war früher bei den Se. Pauli-Landungsbrücken stationiert gewesen und hatte
eine Unmasse von englischen und anderen Jamnaaten nach ihren Schlafbaasen
gefahren. Somit sprach er selbstverständlich -- denn das gehört zum Geschäft --
vorzüglich Englisch.

"Hau mötsch Hüer get pou?" fragte er den Schwarzen.

"vo n't unterstand pou, Zir."

"Wovel money du verdeenen deise, Swattsnut," wiederholte der Kutscher
seine Frage, machte mit dem Daumen die Bewegung des Geldzählens und
deutete mit dem Zeigefinger erst nach rückwärts und dann auf Ilm.
'

"Nrty Dollars," sagte Ilm und streckte zum besseren Verständnis alle zehn
Finger dreimal hintereinander aus.

"Doddig Dollars," fing der Kutscher an zu rechnen, "dat sünd -- täuw
Mol -- dat sünd hunnertfiefuntwintig Mark. -- And frie Stäschen?"

Er wachte die Bewegung des Essens und Trinkens.

"Ves. Sir."

"Dat 's not mötsch -- dat is nich veel -- lor a year."

,,^Jo, Lir. I^Jot lor a ysar. t^or a molten."

"For'n Moouat? Dat sünd int Johr -- täuw mol -- dat sünd
soßteihnhunnert Mark. Un free Stat'schoon. Minsch, denn verdeenst du ja
meehr as min Baas. -- Hau mauri miles in an hour führst du denn daför
"ut din Töff-Töff?"

"pikty. Zir."

"Föftig Milen in 'n Sturm?" rief der Kutscher entsetzt. Er verstand
geographische Meilen, während Ilm englische meinte. "Minsch, du lüggst ja.
Na, wenn du so 'n fixen Kutscher bist, denn kannst naher in de ,Post° eenen
ntgeben."

2.

Endlich war man in Kruslak im Gasthof zur Post angelangt. Fräulein
Alice Granton hatte sich von Doktor Jerum, der als Mitglied des Vereins für die
.Vierdörfer Kunst- und Heimatpflege' durchaus ortskundig war, sagen lassen,
wo man am besten alte Vierdörfer Kostüme, gestickte Namen- und Handtücher,
Kissenbezüge und dergleichen kaufen könne. Der betreffende Händler hieß indessen
nicht Puttfarken, sondern Nikodemus Meiler. Doktor Jerum hatte mitgehen wollen,
aber Miß Granton hatte erklärt, wenn amerikanische Damen snoopinZ gingen,
so dauere das für die Herren zu lange. Sie hatte nur ihre" Ilm mitgenommen
und Doktor Jerum empfohlen, sich in der >Post' ein wenig auszuruhen, aber
ohne "Gröck".

Das tat Doktor Jerum. Denn er war von der Unterhaltung mit Miß
Granton tatsächlich angegriffen. Er setzte sich ins Honoratiorenzimmer, ließ sich
ein Seidel Bier und ein Wurstbutterbrot geben, verzehrte das, nahm dann


Der Austmischprofessor

Aut-Kollegen abzukürzen. Und dies ging ganz gut, denn der Droschkenkutscher
war früher bei den Se. Pauli-Landungsbrücken stationiert gewesen und hatte
eine Unmasse von englischen und anderen Jamnaaten nach ihren Schlafbaasen
gefahren. Somit sprach er selbstverständlich — denn das gehört zum Geschäft —
vorzüglich Englisch.

„Hau mötsch Hüer get pou?" fragte er den Schwarzen.

„vo n't unterstand pou, Zir."

„Wovel money du verdeenen deise, Swattsnut," wiederholte der Kutscher
seine Frage, machte mit dem Daumen die Bewegung des Geldzählens und
deutete mit dem Zeigefinger erst nach rückwärts und dann auf Ilm.
'

„Nrty Dollars," sagte Ilm und streckte zum besseren Verständnis alle zehn
Finger dreimal hintereinander aus.

„Doddig Dollars," fing der Kutscher an zu rechnen, „dat sünd — täuw
Mol — dat sünd hunnertfiefuntwintig Mark. — And frie Stäschen?"

Er wachte die Bewegung des Essens und Trinkens.

„Ves. Sir."

„Dat 's not mötsch — dat is nich veel — lor a year."

,,^Jo, Lir. I^Jot lor a ysar. t^or a molten."

„For'n Moouat? Dat sünd int Johr — täuw mol — dat sünd
soßteihnhunnert Mark. Un free Stat'schoon. Minsch, denn verdeenst du ja
meehr as min Baas. — Hau mauri miles in an hour führst du denn daför
"ut din Töff-Töff?"

»pikty. Zir.«

„Föftig Milen in 'n Sturm?" rief der Kutscher entsetzt. Er verstand
geographische Meilen, während Ilm englische meinte. „Minsch, du lüggst ja.
Na, wenn du so 'n fixen Kutscher bist, denn kannst naher in de ,Post° eenen
ntgeben."

2.

Endlich war man in Kruslak im Gasthof zur Post angelangt. Fräulein
Alice Granton hatte sich von Doktor Jerum, der als Mitglied des Vereins für die
.Vierdörfer Kunst- und Heimatpflege' durchaus ortskundig war, sagen lassen,
wo man am besten alte Vierdörfer Kostüme, gestickte Namen- und Handtücher,
Kissenbezüge und dergleichen kaufen könne. Der betreffende Händler hieß indessen
nicht Puttfarken, sondern Nikodemus Meiler. Doktor Jerum hatte mitgehen wollen,
aber Miß Granton hatte erklärt, wenn amerikanische Damen snoopinZ gingen,
so dauere das für die Herren zu lange. Sie hatte nur ihre» Ilm mitgenommen
und Doktor Jerum empfohlen, sich in der >Post' ein wenig auszuruhen, aber
ohne „Gröck".

Das tat Doktor Jerum. Denn er war von der Unterhaltung mit Miß
Granton tatsächlich angegriffen. Er setzte sich ins Honoratiorenzimmer, ließ sich
ein Seidel Bier und ein Wurstbutterbrot geben, verzehrte das, nahm dann


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[0531] Der Austmischprofessor Aut-Kollegen abzukürzen. Und dies ging ganz gut, denn der Droschkenkutscher war früher bei den Se. Pauli-Landungsbrücken stationiert gewesen und hatte eine Unmasse von englischen und anderen Jamnaaten nach ihren Schlafbaasen gefahren. Somit sprach er selbstverständlich — denn das gehört zum Geschäft — vorzüglich Englisch. „Hau mötsch Hüer get pou?" fragte er den Schwarzen. „vo n't unterstand pou, Zir." „Wovel money du verdeenen deise, Swattsnut," wiederholte der Kutscher seine Frage, machte mit dem Daumen die Bewegung des Geldzählens und deutete mit dem Zeigefinger erst nach rückwärts und dann auf Ilm. ' „Nrty Dollars," sagte Ilm und streckte zum besseren Verständnis alle zehn Finger dreimal hintereinander aus. „Doddig Dollars," fing der Kutscher an zu rechnen, „dat sünd — täuw Mol — dat sünd hunnertfiefuntwintig Mark. — And frie Stäschen?" Er wachte die Bewegung des Essens und Trinkens. „Ves. Sir." „Dat 's not mötsch — dat is nich veel — lor a year." ,,^Jo, Lir. I^Jot lor a ysar. t^or a molten." „For'n Moouat? Dat sünd int Johr — täuw mol — dat sünd soßteihnhunnert Mark. Un free Stat'schoon. Minsch, denn verdeenst du ja meehr as min Baas. — Hau mauri miles in an hour führst du denn daför "ut din Töff-Töff?" »pikty. Zir.« „Föftig Milen in 'n Sturm?" rief der Kutscher entsetzt. Er verstand geographische Meilen, während Ilm englische meinte. „Minsch, du lüggst ja. Na, wenn du so 'n fixen Kutscher bist, denn kannst naher in de ,Post° eenen ntgeben." 2. Endlich war man in Kruslak im Gasthof zur Post angelangt. Fräulein Alice Granton hatte sich von Doktor Jerum, der als Mitglied des Vereins für die .Vierdörfer Kunst- und Heimatpflege' durchaus ortskundig war, sagen lassen, wo man am besten alte Vierdörfer Kostüme, gestickte Namen- und Handtücher, Kissenbezüge und dergleichen kaufen könne. Der betreffende Händler hieß indessen nicht Puttfarken, sondern Nikodemus Meiler. Doktor Jerum hatte mitgehen wollen, aber Miß Granton hatte erklärt, wenn amerikanische Damen snoopinZ gingen, so dauere das für die Herren zu lange. Sie hatte nur ihre» Ilm mitgenommen und Doktor Jerum empfohlen, sich in der >Post' ein wenig auszuruhen, aber ohne „Gröck". Das tat Doktor Jerum. Denn er war von der Unterhaltung mit Miß Granton tatsächlich angegriffen. Er setzte sich ins Honoratiorenzimmer, ließ sich ein Seidel Bier und ein Wurstbutterbrot geben, verzehrte das, nahm dann

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/531>, abgerufen am 01.07.2024.