Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.Bismarck und England bringen wollen; tatsächlich aber machte Bismarck damit dem Reichstag ein durch Ebenso steht es mit seinem Verhältnis zur Flottenpolitik, die eine Heute liegen die Dinge anders, und eine gleiche Flottenpolitik würde, auch Bismarck und England bringen wollen; tatsächlich aber machte Bismarck damit dem Reichstag ein durch Ebenso steht es mit seinem Verhältnis zur Flottenpolitik, die eine Heute liegen die Dinge anders, und eine gleiche Flottenpolitik würde, auch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0504" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/316143"/> <fw type="header" place="top"> Bismarck und England</fw><lb/> <p xml:id="ID_2605" prev="#ID_2604"> bringen wollen; tatsächlich aber machte Bismarck damit dem Reichstag ein durch<lb/> die Forschung sich bestätigendes Geständnis zu einer Zeit, als ihn: die Kolonial¬<lb/> politik über den Kopf gewachsen und die oppositionellen Abgeordneten ihn für<lb/> alle Mißerfolge verantwortlich machen wollten. Wie dem aber auch sei, das<lb/> Verdienst Bismarcks um die Schaffung neuer Absatzgebiete für überschüssige<lb/> Menschen- und Güterkraft ist nicht geringer, weil er nicht ursprünglich die Idee<lb/> dazu hatte und nicht die Folgen ahnte, die aus der Tat entspringen konnten.<lb/> Wie es einmal Bamberger dem toten Gegner schön nachgesagt hat, so ist es<lb/> auch hier: die Konsequenzen großen persönlichen Wollens, das sich einmal in<lb/> der Kraftübung entdeckt, führten ihn schließlich vorwärts und vertrauten am<lb/> Ende ruhig der Weiterentwicklung.</p><lb/> <p xml:id="ID_2606"> Ebenso steht es mit seinem Verhältnis zur Flottenpolitik, die eine<lb/> „Weltpolitik" erst ermöglicht. Nach seinem Sturze erkannte er wohl die Not¬<lb/> wendigkeit der Flottenvorlage von 1897 ausdrücklich an, weil sie die kompetenten<lb/> Fachmänner für nötig hielten; daß erste für zu bescheiden gehalten habe, glaube<lb/> ich freilich nicht. Während seiner Reichskauzlerschaft jedenfalls beschäftigte ihn<lb/> die Flottenpolitik ernsthaft nur im Zusammenhang mit der Kolonialpolitik, weil<lb/> er diese bei anderen Mächten durch „viel bereitere und nähere Kräfte" erleichtert<lb/> sah; doch strebte er nie, wie er selbst erklärte, nach einer erstklassiger Flotte,<lb/> wie sie England und Frankreich benötige. Daß „unsere Zukunft auf dem Wasser"<lb/> liege, hat er sicher nie geglaubt, noch weniger, daß „nur auf die Stimmen von<lb/> Mächten mit starken Flotten mit Achtung gehört werden wird, wenn die Frage<lb/> nach der Zukunft des Stillen Ozeans zu lösen sein wird", wie unser Kaiser<lb/> treffend formulierte. Weltpolitik war ihn: eben nur Schutz deutscher Interessen<lb/> in der Welt. Mittel dieses Schutzes waren ihm die Autorität der deutschen<lb/> Flagge, hinter der eine Großmacht in Waffen, freilich fast ausschließlich kontinentaler<lb/> Art, und seine eigene große Autorität stand, die manchen Gegensatz auszugleichen<lb/> vermochte und durch den Grundsatz: Ernst zeigen (Mov of power) und die<lb/> Ehre wahren! zeit seines Lebens schwere Gefahren beseitigen konnte und den<lb/> Deutschen im Ausland allezeit eine moralische Stütze war.</p><lb/> <p xml:id="ID_2607" next="#ID_2608"> Heute liegen die Dinge anders, und eine gleiche Flottenpolitik würde, auch<lb/> bei einer gleichen Autorität im Hintergrunde, der Weltpolitik anderer Mächte<lb/> gegenüber den kürzeren ziehen. Darum muß Reventlow, wennschon ungern,<lb/> zugeben: In der Frage nach den Mitteln maritimen Schutzes kann heute nicht<lb/> mehr Bismarck, kann nur der Unterschied der Zeiten den Ausschlag geben.<lb/> Denn Bismarck sah in der Flotte noch weiter nichts als ein Werkzeug der Politik<lb/> im Außendienste zum Schutze unserer überseeischen Handelsinteressen und unseres<lb/> kolonialen Streubesitzes und ein Druckmittel zur Unterstützung seiner politischen<lb/> Pläne, das sich in friedlich drohenden Demonstrationen kundgab. Seekriege<lb/> erwog er wohl überhaupt nicht, Konflikte mit den Seemächten dachte er sich —<lb/> im Einverständnis mit Moltke — zu Lande ausgefochten. Darum beschäftigte<lb/> ihn auch während seiner Amtstätigkeit die Frage der Schlachtschiffe, um deren</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0504]
Bismarck und England
bringen wollen; tatsächlich aber machte Bismarck damit dem Reichstag ein durch
die Forschung sich bestätigendes Geständnis zu einer Zeit, als ihn: die Kolonial¬
politik über den Kopf gewachsen und die oppositionellen Abgeordneten ihn für
alle Mißerfolge verantwortlich machen wollten. Wie dem aber auch sei, das
Verdienst Bismarcks um die Schaffung neuer Absatzgebiete für überschüssige
Menschen- und Güterkraft ist nicht geringer, weil er nicht ursprünglich die Idee
dazu hatte und nicht die Folgen ahnte, die aus der Tat entspringen konnten.
Wie es einmal Bamberger dem toten Gegner schön nachgesagt hat, so ist es
auch hier: die Konsequenzen großen persönlichen Wollens, das sich einmal in
der Kraftübung entdeckt, führten ihn schließlich vorwärts und vertrauten am
Ende ruhig der Weiterentwicklung.
Ebenso steht es mit seinem Verhältnis zur Flottenpolitik, die eine
„Weltpolitik" erst ermöglicht. Nach seinem Sturze erkannte er wohl die Not¬
wendigkeit der Flottenvorlage von 1897 ausdrücklich an, weil sie die kompetenten
Fachmänner für nötig hielten; daß erste für zu bescheiden gehalten habe, glaube
ich freilich nicht. Während seiner Reichskauzlerschaft jedenfalls beschäftigte ihn
die Flottenpolitik ernsthaft nur im Zusammenhang mit der Kolonialpolitik, weil
er diese bei anderen Mächten durch „viel bereitere und nähere Kräfte" erleichtert
sah; doch strebte er nie, wie er selbst erklärte, nach einer erstklassiger Flotte,
wie sie England und Frankreich benötige. Daß „unsere Zukunft auf dem Wasser"
liege, hat er sicher nie geglaubt, noch weniger, daß „nur auf die Stimmen von
Mächten mit starken Flotten mit Achtung gehört werden wird, wenn die Frage
nach der Zukunft des Stillen Ozeans zu lösen sein wird", wie unser Kaiser
treffend formulierte. Weltpolitik war ihn: eben nur Schutz deutscher Interessen
in der Welt. Mittel dieses Schutzes waren ihm die Autorität der deutschen
Flagge, hinter der eine Großmacht in Waffen, freilich fast ausschließlich kontinentaler
Art, und seine eigene große Autorität stand, die manchen Gegensatz auszugleichen
vermochte und durch den Grundsatz: Ernst zeigen (Mov of power) und die
Ehre wahren! zeit seines Lebens schwere Gefahren beseitigen konnte und den
Deutschen im Ausland allezeit eine moralische Stütze war.
Heute liegen die Dinge anders, und eine gleiche Flottenpolitik würde, auch
bei einer gleichen Autorität im Hintergrunde, der Weltpolitik anderer Mächte
gegenüber den kürzeren ziehen. Darum muß Reventlow, wennschon ungern,
zugeben: In der Frage nach den Mitteln maritimen Schutzes kann heute nicht
mehr Bismarck, kann nur der Unterschied der Zeiten den Ausschlag geben.
Denn Bismarck sah in der Flotte noch weiter nichts als ein Werkzeug der Politik
im Außendienste zum Schutze unserer überseeischen Handelsinteressen und unseres
kolonialen Streubesitzes und ein Druckmittel zur Unterstützung seiner politischen
Pläne, das sich in friedlich drohenden Demonstrationen kundgab. Seekriege
erwog er wohl überhaupt nicht, Konflikte mit den Seemächten dachte er sich —
im Einverständnis mit Moltke — zu Lande ausgefochten. Darum beschäftigte
ihn auch während seiner Amtstätigkeit die Frage der Schlachtschiffe, um deren
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |