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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Der Anstanschxrofcssor

"Ah--o!" sagte Miß Granton, "er sprach nicht ans Pflichtgetreulichkeit so
böse und so rauh, er war -- ich riechte es -- er hatte --"

"Er hatte sich einen gepfiffen, was?" meinte Jerum.

"O!" sagte Miß Granton ernst, "über diese Sachen sollte man nicht
lachen."

"Nein, weinen", sagte Jerum.

"Die Deutschen trinken so schrecklich viel," fuhr Miß Granton fort, "sie
lieben Wein und Bier und spirits so sehr. Warum trinken sie nicht wie die
Amerikaner -- Eiswasser?"

"Pfui Deibel!" sagte Doktor Jerum.

"O, Mr. Jerum," rief Miß Granton, "Sie müssen nicht fluchen."

"Ja, ich weiß," sagte Doktor Jerum. ",Tommsch danich in Himmel!' wie
Klein-Teddy in .Helmes Kinderchen' sagt."

"O, kennen Sie das Buch?" rief Miß Granton erfreut. "Es ist ein gutes,
ein sehr gutes Buch, der Alttor ist ein Landsmann von meine."

"Ich weiß," sagte Doktor Jerum -- er fing an, sich über den ausgeprägten
amerikanischen Snobismus seiner Autgenossin zu ärgern --, "aber wenn Sie Long-
fellow und Mark Twain und noch so'n paar Onkels ausnehmen, dann ist es
mit der amerikanischen Literatur auch rein alle. Was die jungen Damen drüben
lesen, wird meistens ans Deutschland gestohlen. nachgedruckt, verstehen Sie?"

"Warum machen denn die Deutschen und die Amerikaner kein Gesetz
zusammen, um das Nachgedrückte zu verbieten?"

Ja, mein Schatz, dachte Doktor Jerum, da mußt du Specky fragen. -- Dies
verfluchte Haarweh I

"Sie sehen blaß aus, Mr. Jerum," fuhr Miß Granton etwas unvermittelt
fort, "gar nicht so rote Backen wie damals an Bord von .President Lincoln'.
Können Sie nicht vertragen das Antomobilfahren? Sind Sie krank? Was
fehlt Ihnen?"

"Brummschädel."

"Was ist das?"

"Hin," sagte Jerum, "kieaiZacKe, wissen Sie, von Wein und Grog."

"Pfui, Mr. Jerum, Sie trinken Gröck und Wein so viel, daß Sie Bnmm-
schädel bekommen?"

"Brummschndel", verbesserte Doktor Jerum.

"Sie müssen," fuhr Miß Granton fort, Doktor Jerum ins Gewissen zu reden,
"Sie müssen -- wie sagt man es gleich -- ein Temperenz werden. Ich bin
auch in ein Temperenzklöb."

"Falle mir gar nicht ein," sagte Doktor Jerum. "Ich will trinken, was ich
mag -- kein Eiswasser -- solange bis ich tot bin."

"Aber warum trinken Sie so, so, so viel? Wer sich in Amerika so betränkte
wie ein Deutscher, der würde verachtet und nicht gewählt für ein öffentliches Amt."


Grenzboten II 1S10
Der Anstanschxrofcssor

„Ah—o!" sagte Miß Granton, „er sprach nicht ans Pflichtgetreulichkeit so
böse und so rauh, er war — ich riechte es — er hatte —"

„Er hatte sich einen gepfiffen, was?" meinte Jerum.

„O!" sagte Miß Granton ernst, „über diese Sachen sollte man nicht
lachen."

„Nein, weinen", sagte Jerum.

„Die Deutschen trinken so schrecklich viel," fuhr Miß Granton fort, „sie
lieben Wein und Bier und spirits so sehr. Warum trinken sie nicht wie die
Amerikaner — Eiswasser?"

„Pfui Deibel!" sagte Doktor Jerum.

„O, Mr. Jerum," rief Miß Granton, „Sie müssen nicht fluchen."

„Ja, ich weiß," sagte Doktor Jerum. „,Tommsch danich in Himmel!' wie
Klein-Teddy in .Helmes Kinderchen' sagt."

„O, kennen Sie das Buch?" rief Miß Granton erfreut. „Es ist ein gutes,
ein sehr gutes Buch, der Alttor ist ein Landsmann von meine."

„Ich weiß," sagte Doktor Jerum — er fing an, sich über den ausgeprägten
amerikanischen Snobismus seiner Autgenossin zu ärgern —, „aber wenn Sie Long-
fellow und Mark Twain und noch so'n paar Onkels ausnehmen, dann ist es
mit der amerikanischen Literatur auch rein alle. Was die jungen Damen drüben
lesen, wird meistens ans Deutschland gestohlen. nachgedruckt, verstehen Sie?"

„Warum machen denn die Deutschen und die Amerikaner kein Gesetz
zusammen, um das Nachgedrückte zu verbieten?"

Ja, mein Schatz, dachte Doktor Jerum, da mußt du Specky fragen. — Dies
verfluchte Haarweh I

„Sie sehen blaß aus, Mr. Jerum," fuhr Miß Granton etwas unvermittelt
fort, „gar nicht so rote Backen wie damals an Bord von .President Lincoln'.
Können Sie nicht vertragen das Antomobilfahren? Sind Sie krank? Was
fehlt Ihnen?"

„Brummschädel."

„Was ist das?"

„Hin," sagte Jerum, „kieaiZacKe, wissen Sie, von Wein und Grog."

„Pfui, Mr. Jerum, Sie trinken Gröck und Wein so viel, daß Sie Bnmm-
schädel bekommen?"

„Brummschndel", verbesserte Doktor Jerum.

„Sie müssen," fuhr Miß Granton fort, Doktor Jerum ins Gewissen zu reden,
„Sie müssen — wie sagt man es gleich — ein Temperenz werden. Ich bin
auch in ein Temperenzklöb."

„Falle mir gar nicht ein," sagte Doktor Jerum. „Ich will trinken, was ich
mag — kein Eiswasser — solange bis ich tot bin."

„Aber warum trinken Sie so, so, so viel? Wer sich in Amerika so betränkte
wie ein Deutscher, der würde verachtet und nicht gewählt für ein öffentliches Amt."


Grenzboten II 1S10
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[0485] Der Anstanschxrofcssor „Ah—o!" sagte Miß Granton, „er sprach nicht ans Pflichtgetreulichkeit so böse und so rauh, er war — ich riechte es — er hatte —" „Er hatte sich einen gepfiffen, was?" meinte Jerum. „O!" sagte Miß Granton ernst, „über diese Sachen sollte man nicht lachen." „Nein, weinen", sagte Jerum. „Die Deutschen trinken so schrecklich viel," fuhr Miß Granton fort, „sie lieben Wein und Bier und spirits so sehr. Warum trinken sie nicht wie die Amerikaner — Eiswasser?" „Pfui Deibel!" sagte Doktor Jerum. „O, Mr. Jerum," rief Miß Granton, „Sie müssen nicht fluchen." „Ja, ich weiß," sagte Doktor Jerum. „,Tommsch danich in Himmel!' wie Klein-Teddy in .Helmes Kinderchen' sagt." „O, kennen Sie das Buch?" rief Miß Granton erfreut. „Es ist ein gutes, ein sehr gutes Buch, der Alttor ist ein Landsmann von meine." „Ich weiß," sagte Doktor Jerum — er fing an, sich über den ausgeprägten amerikanischen Snobismus seiner Autgenossin zu ärgern —, „aber wenn Sie Long- fellow und Mark Twain und noch so'n paar Onkels ausnehmen, dann ist es mit der amerikanischen Literatur auch rein alle. Was die jungen Damen drüben lesen, wird meistens ans Deutschland gestohlen. nachgedruckt, verstehen Sie?" „Warum machen denn die Deutschen und die Amerikaner kein Gesetz zusammen, um das Nachgedrückte zu verbieten?" Ja, mein Schatz, dachte Doktor Jerum, da mußt du Specky fragen. — Dies verfluchte Haarweh I „Sie sehen blaß aus, Mr. Jerum," fuhr Miß Granton etwas unvermittelt fort, „gar nicht so rote Backen wie damals an Bord von .President Lincoln'. Können Sie nicht vertragen das Antomobilfahren? Sind Sie krank? Was fehlt Ihnen?" „Brummschädel." „Was ist das?" „Hin," sagte Jerum, „kieaiZacKe, wissen Sie, von Wein und Grog." „Pfui, Mr. Jerum, Sie trinken Gröck und Wein so viel, daß Sie Bnmm- schädel bekommen?" „Brummschndel", verbesserte Doktor Jerum. „Sie müssen," fuhr Miß Granton fort, Doktor Jerum ins Gewissen zu reden, „Sie müssen — wie sagt man es gleich — ein Temperenz werden. Ich bin auch in ein Temperenzklöb." „Falle mir gar nicht ein," sagte Doktor Jerum. „Ich will trinken, was ich mag — kein Eiswasser — solange bis ich tot bin." „Aber warum trinken Sie so, so, so viel? Wer sich in Amerika so betränkte wie ein Deutscher, der würde verachtet und nicht gewählt für ein öffentliches Amt." Grenzboten II 1S10

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/485>, abgerufen am 29.06.2024.