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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Der Austauschprofcssor

weiß? dachte der Sergeant) Ihre Pflicht getan, nun erfüllen Sie Ihre Pflicht
auch gegen sich und trinken Sie -- hier! -- ein paar Seidel auf unsere
Gesundheit."

"Befehl, Herr Leutnant", sagte Sergeant Bunte, machte stramm kehrt,
ohne die Legitimationsgeschichte weiter breit zu treten und dachte in seinem
vernebelten Gehirn fröhlich: Junge, Bunte, da biste noch gut von abgekommen.
Zwei Gesandtschaften und 'n Gardeleutnant gegen 'nen Polizeisergeanten,
weiheiweih, das hätte 'n netter Fliegendreck werden können!

Nun saß Doktor Jerum, ohne daß er so recht wußte, wie er dazu gekommen
war, auf einmal neben Miß Alice Grantons molliger Seite im Automobil und
sauste mit mäßiger Geschwindigkeit auf Bergstadt zu. So hatte es Miß Granton
dem Nigger-Chauffeur befohlen, denn sie war sehr neugierig, von ihrem Shuffle-
board-Bekannten zu erfahren, was er seit den fünf verflossenen Jahren ihrer
ersten Bekanntschaft erlebt hatte.

"Wie kommen Sie nach Bergstadt, Mr. Jerum?" fragte sie.

"Hin," sagte der, "wie kommen Sie nach dem Kruslaker Damm?"

"O," sagte Miß Granton lebhaft, und nun erzählte sie mit echt weib¬
licher Zungengeläufigkeit ein nicht ganz kleines Stück ihrer Naturgeschichte: daß
ihre Mama gestorben sei; daß Pa ein guter Pa, aber ein schrecklicher Geschäfts¬
mann sei; daß sie mündig sei; daß sie Doktor of Philosoph!) sei, allerdings nicht
von einer deutschen Universität, bloß von einer amerikanischen; daß sie Deutsch¬
land bereise; daß sie Deutschland entzückend finde; daß sie auf der Rückfahrt
nach Bremen ein sogenanntes Heimatfest besucht und dort einen deutschen Pastor
getroffen habe, der ihr von den schönen alten Kostümen und den schönen alten
Tänzen der "Vierdörfer" erzählt hätte; daß sie die Adresse eines Tanzmeisters
aus den "Vierdörfern" bekommen habe und nnn unterwegs sei, um diesen
Tanzmeister aufzusuchen und ihn zu veranlassen, die Standard-Tänzer der
"Bierdörfer" für diese Tänze zusammenzutrommeln -- was es koste, wolle sie
gern bezahlen --; daß sie Vierdörfer Kostüme kaufen und die Vierdörfer
Intarsien in der Altpoggensicler Kirche besehen und sich vielleicht eine ganze
Intarsien-Zimmereinrichtung kaufen wolle; daß sie -- ja, sie hatte noch eine
ganze Menge anderes gewollt, und durch alles das habe der böse Polizeimann
mit der rauhen Stimme und dem großen Säbel ihr einen Strich gemacht.

"Apropos Säbel," schloß Miß Granton, "sagen Sie, Mr. Jerum, warum
tragen alle Beamten in Deutschland Säbel?"

"Ja," sagte Jerum, "hin -- wissen Sie, die Deutschen kommen mit dem
Säbel auf die Welt. Schlechte Grenzen, wissen Sie, und nun noch diese
Engländer..."

"Und alle deutscheu Beamten sprechen so laut und sind so wenig höflich
wie dieser Polizeimann."

"Hin," räusperte sich Doktor Jerum, "alle nicht. Dafür sind sie aber sehr
pflichtgetreu, nicht bestechlich wie Ihre Tammany-Bande in New Aork."


Der Austauschprofcssor

weiß? dachte der Sergeant) Ihre Pflicht getan, nun erfüllen Sie Ihre Pflicht
auch gegen sich und trinken Sie — hier! — ein paar Seidel auf unsere
Gesundheit."

„Befehl, Herr Leutnant", sagte Sergeant Bunte, machte stramm kehrt,
ohne die Legitimationsgeschichte weiter breit zu treten und dachte in seinem
vernebelten Gehirn fröhlich: Junge, Bunte, da biste noch gut von abgekommen.
Zwei Gesandtschaften und 'n Gardeleutnant gegen 'nen Polizeisergeanten,
weiheiweih, das hätte 'n netter Fliegendreck werden können!

Nun saß Doktor Jerum, ohne daß er so recht wußte, wie er dazu gekommen
war, auf einmal neben Miß Alice Grantons molliger Seite im Automobil und
sauste mit mäßiger Geschwindigkeit auf Bergstadt zu. So hatte es Miß Granton
dem Nigger-Chauffeur befohlen, denn sie war sehr neugierig, von ihrem Shuffle-
board-Bekannten zu erfahren, was er seit den fünf verflossenen Jahren ihrer
ersten Bekanntschaft erlebt hatte.

„Wie kommen Sie nach Bergstadt, Mr. Jerum?" fragte sie.

„Hin," sagte der, „wie kommen Sie nach dem Kruslaker Damm?"

„O," sagte Miß Granton lebhaft, und nun erzählte sie mit echt weib¬
licher Zungengeläufigkeit ein nicht ganz kleines Stück ihrer Naturgeschichte: daß
ihre Mama gestorben sei; daß Pa ein guter Pa, aber ein schrecklicher Geschäfts¬
mann sei; daß sie mündig sei; daß sie Doktor of Philosoph!) sei, allerdings nicht
von einer deutschen Universität, bloß von einer amerikanischen; daß sie Deutsch¬
land bereise; daß sie Deutschland entzückend finde; daß sie auf der Rückfahrt
nach Bremen ein sogenanntes Heimatfest besucht und dort einen deutschen Pastor
getroffen habe, der ihr von den schönen alten Kostümen und den schönen alten
Tänzen der „Vierdörfer" erzählt hätte; daß sie die Adresse eines Tanzmeisters
aus den „Vierdörfern" bekommen habe und nnn unterwegs sei, um diesen
Tanzmeister aufzusuchen und ihn zu veranlassen, die Standard-Tänzer der
„Bierdörfer" für diese Tänze zusammenzutrommeln — was es koste, wolle sie
gern bezahlen —; daß sie Vierdörfer Kostüme kaufen und die Vierdörfer
Intarsien in der Altpoggensicler Kirche besehen und sich vielleicht eine ganze
Intarsien-Zimmereinrichtung kaufen wolle; daß sie — ja, sie hatte noch eine
ganze Menge anderes gewollt, und durch alles das habe der böse Polizeimann
mit der rauhen Stimme und dem großen Säbel ihr einen Strich gemacht.

„Apropos Säbel," schloß Miß Granton, „sagen Sie, Mr. Jerum, warum
tragen alle Beamten in Deutschland Säbel?"

„Ja," sagte Jerum, „hin — wissen Sie, die Deutschen kommen mit dem
Säbel auf die Welt. Schlechte Grenzen, wissen Sie, und nun noch diese
Engländer..."

„Und alle deutscheu Beamten sprechen so laut und sind so wenig höflich
wie dieser Polizeimann."

„Hin," räusperte sich Doktor Jerum, „alle nicht. Dafür sind sie aber sehr
pflichtgetreu, nicht bestechlich wie Ihre Tammany-Bande in New Aork."


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[0484] Der Austauschprofcssor weiß? dachte der Sergeant) Ihre Pflicht getan, nun erfüllen Sie Ihre Pflicht auch gegen sich und trinken Sie — hier! — ein paar Seidel auf unsere Gesundheit." „Befehl, Herr Leutnant", sagte Sergeant Bunte, machte stramm kehrt, ohne die Legitimationsgeschichte weiter breit zu treten und dachte in seinem vernebelten Gehirn fröhlich: Junge, Bunte, da biste noch gut von abgekommen. Zwei Gesandtschaften und 'n Gardeleutnant gegen 'nen Polizeisergeanten, weiheiweih, das hätte 'n netter Fliegendreck werden können! Nun saß Doktor Jerum, ohne daß er so recht wußte, wie er dazu gekommen war, auf einmal neben Miß Alice Grantons molliger Seite im Automobil und sauste mit mäßiger Geschwindigkeit auf Bergstadt zu. So hatte es Miß Granton dem Nigger-Chauffeur befohlen, denn sie war sehr neugierig, von ihrem Shuffle- board-Bekannten zu erfahren, was er seit den fünf verflossenen Jahren ihrer ersten Bekanntschaft erlebt hatte. „Wie kommen Sie nach Bergstadt, Mr. Jerum?" fragte sie. „Hin," sagte der, „wie kommen Sie nach dem Kruslaker Damm?" „O," sagte Miß Granton lebhaft, und nun erzählte sie mit echt weib¬ licher Zungengeläufigkeit ein nicht ganz kleines Stück ihrer Naturgeschichte: daß ihre Mama gestorben sei; daß Pa ein guter Pa, aber ein schrecklicher Geschäfts¬ mann sei; daß sie mündig sei; daß sie Doktor of Philosoph!) sei, allerdings nicht von einer deutschen Universität, bloß von einer amerikanischen; daß sie Deutsch¬ land bereise; daß sie Deutschland entzückend finde; daß sie auf der Rückfahrt nach Bremen ein sogenanntes Heimatfest besucht und dort einen deutschen Pastor getroffen habe, der ihr von den schönen alten Kostümen und den schönen alten Tänzen der „Vierdörfer" erzählt hätte; daß sie die Adresse eines Tanzmeisters aus den „Vierdörfern" bekommen habe und nnn unterwegs sei, um diesen Tanzmeister aufzusuchen und ihn zu veranlassen, die Standard-Tänzer der „Bierdörfer" für diese Tänze zusammenzutrommeln — was es koste, wolle sie gern bezahlen —; daß sie Vierdörfer Kostüme kaufen und die Vierdörfer Intarsien in der Altpoggensicler Kirche besehen und sich vielleicht eine ganze Intarsien-Zimmereinrichtung kaufen wolle; daß sie — ja, sie hatte noch eine ganze Menge anderes gewollt, und durch alles das habe der böse Polizeimann mit der rauhen Stimme und dem großen Säbel ihr einen Strich gemacht. „Apropos Säbel," schloß Miß Granton, „sagen Sie, Mr. Jerum, warum tragen alle Beamten in Deutschland Säbel?" „Ja," sagte Jerum, „hin — wissen Sie, die Deutschen kommen mit dem Säbel auf die Welt. Schlechte Grenzen, wissen Sie, und nun noch diese Engländer..." „Und alle deutscheu Beamten sprechen so laut und sind so wenig höflich wie dieser Polizeimann." „Hin," räusperte sich Doktor Jerum, „alle nicht. Dafür sind sie aber sehr pflichtgetreu, nicht bestechlich wie Ihre Tammany-Bande in New Aork."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/484>, abgerufen am 29.06.2024.