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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Der Austauschprofessor

"Er versteht kein Deutsch," sagte sie. "Und er läßt sich befehlen von
niemand außer ich. Fahren Sie mit mein Auto, wo Sie wollen. Aber in
Berlin ist der amerikanische Botschafter, er ist ein guter Freund von meine, ich
will -- aaaah!" rief sie mit einen: Freudenschrei: "da ist Rettung in der Not.
Dies ist ein deutscher Herr, er wird Ihnen geben Legitimation für meine Person."

Sie schritt auf Doktor Jerum zu. schüttelte ihm herzhaft beide Hände und rief:

..(ZoocZ bye, IVir. ^erum. Very, very Zlaä to 8so ^vu. -- Kennen
Sie mich nicht?" fuhr sie deutsch fort. "O, ich habe vergestern mein Paß in
Hotel, und der Policemaun will uicht haben mein Karte als Legitimation. --
Aber erkennen Sie mich immer noch nicht. Wir haben doch an Bord von
.President Lincoln' immer shuffle-board gespielt."

"Ich habe mit sehr vielen Damen shuffle-board gespielt," sagte Doktor Jerum
lachend, indem er höflich den Hut abnahm, "wenn Sie so freundlich sein wollten,
einen Augenblick Ihr Automobil-Inkognito zu lüften..."

"Ach so," gab die Dame gleichfalls lachend zurück, "daß ich ein Paar
Spektakeln -- wie heißt es doch gleich auf deutsch? -- auf meine Nase habe
mit Gläsern so groß wie Kutschenfenstern, das hatte ich forgessen."

"Eine Brille", erwiderte Doktor Jerum, indem er der Dame half, sich von
Schleier und Staubglüseru zu befreien. -- "Miß Granton! Das ist aber famos!
Willkommen in Deutschland! Willkommen auf den: Kruslaker Damm."

"Ich kenne den Herrn nicht," brummte der in seinem amtlichen Gefühle
gekränkte Polizeisergeant, "da kann jeder kommen und andere Leute legitimierest
wollen. Wer sind Sie denn?"

Fräulein Grantons Schutzgeist griff in die Tasche, holte eine Visitenkarte
heraus, auf der gedruckt stand:

Dr. MI. Osknr Jerum,
Leutnant der Reserve im Garde-Feldartillerie-Regiment.

Der .Reserveleutnant' zog, und nun wußte der Sergeant auf einmal
auch von den Meldepapieren her, wen er vor sich hatte. Das also war der
vielbesprochene junge Lehrer, der sogar in Persien gewesen war, bei einer
Gesandtschaft, wie einige wissen wollten. Und die amerikanische Dame drohte
auch mit 'ner Gesandtschaft. Zwei Gesandtschaften gegen einen Polizeisergeanten:
'n bißchen viel!

"Wenn sich Herr Leutnant für die Dame verbürgen wollen," sagte er,
"dann ist das 'ne andere Sache. Und wenn ich vorhin ein bißchen laut gesprochen
habe, so kommt das davon, weil ich heute morgen ein bißchen rauh im Halse
bin. Und wenn der Chauffeur kein Deutsch lesen kann, so ist die Sache ja
überhaupt nicht so schlimm. Aber umkehren müssen die Herrschaften."

"Da sind Sie in Ihren: Recht, Sergeant," sagte Doktor Jerum mit dein
jovialen Ton des militärischen Vorgesetzten, "und es sei ferne von uns, die
Bergftädter Polizeivorschriften mit Füßen zu treten oder richtiger mit Automobil-
rädern tot zu fahren. Sie haben mit riesigem Biereifer (woher der das wohl


Der Austauschprofessor

„Er versteht kein Deutsch," sagte sie. „Und er läßt sich befehlen von
niemand außer ich. Fahren Sie mit mein Auto, wo Sie wollen. Aber in
Berlin ist der amerikanische Botschafter, er ist ein guter Freund von meine, ich
will — aaaah!" rief sie mit einen: Freudenschrei: „da ist Rettung in der Not.
Dies ist ein deutscher Herr, er wird Ihnen geben Legitimation für meine Person."

Sie schritt auf Doktor Jerum zu. schüttelte ihm herzhaft beide Hände und rief:

..(ZoocZ bye, IVir. ^erum. Very, very Zlaä to 8so ^vu. — Kennen
Sie mich nicht?" fuhr sie deutsch fort. „O, ich habe vergestern mein Paß in
Hotel, und der Policemaun will uicht haben mein Karte als Legitimation. —
Aber erkennen Sie mich immer noch nicht. Wir haben doch an Bord von
.President Lincoln' immer shuffle-board gespielt."

„Ich habe mit sehr vielen Damen shuffle-board gespielt," sagte Doktor Jerum
lachend, indem er höflich den Hut abnahm, „wenn Sie so freundlich sein wollten,
einen Augenblick Ihr Automobil-Inkognito zu lüften..."

„Ach so," gab die Dame gleichfalls lachend zurück, „daß ich ein Paar
Spektakeln — wie heißt es doch gleich auf deutsch? — auf meine Nase habe
mit Gläsern so groß wie Kutschenfenstern, das hatte ich forgessen."

„Eine Brille", erwiderte Doktor Jerum, indem er der Dame half, sich von
Schleier und Staubglüseru zu befreien. — „Miß Granton! Das ist aber famos!
Willkommen in Deutschland! Willkommen auf den: Kruslaker Damm."

„Ich kenne den Herrn nicht," brummte der in seinem amtlichen Gefühle
gekränkte Polizeisergeant, „da kann jeder kommen und andere Leute legitimierest
wollen. Wer sind Sie denn?"

Fräulein Grantons Schutzgeist griff in die Tasche, holte eine Visitenkarte
heraus, auf der gedruckt stand:

Dr. MI. Osknr Jerum,
Leutnant der Reserve im Garde-Feldartillerie-Regiment.

Der .Reserveleutnant' zog, und nun wußte der Sergeant auf einmal
auch von den Meldepapieren her, wen er vor sich hatte. Das also war der
vielbesprochene junge Lehrer, der sogar in Persien gewesen war, bei einer
Gesandtschaft, wie einige wissen wollten. Und die amerikanische Dame drohte
auch mit 'ner Gesandtschaft. Zwei Gesandtschaften gegen einen Polizeisergeanten:
'n bißchen viel!

„Wenn sich Herr Leutnant für die Dame verbürgen wollen," sagte er,
»dann ist das 'ne andere Sache. Und wenn ich vorhin ein bißchen laut gesprochen
habe, so kommt das davon, weil ich heute morgen ein bißchen rauh im Halse
bin. Und wenn der Chauffeur kein Deutsch lesen kann, so ist die Sache ja
überhaupt nicht so schlimm. Aber umkehren müssen die Herrschaften."

„Da sind Sie in Ihren: Recht, Sergeant," sagte Doktor Jerum mit dein
jovialen Ton des militärischen Vorgesetzten, „und es sei ferne von uns, die
Bergftädter Polizeivorschriften mit Füßen zu treten oder richtiger mit Automobil-
rädern tot zu fahren. Sie haben mit riesigem Biereifer (woher der das wohl


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[0483] Der Austauschprofessor „Er versteht kein Deutsch," sagte sie. „Und er läßt sich befehlen von niemand außer ich. Fahren Sie mit mein Auto, wo Sie wollen. Aber in Berlin ist der amerikanische Botschafter, er ist ein guter Freund von meine, ich will — aaaah!" rief sie mit einen: Freudenschrei: „da ist Rettung in der Not. Dies ist ein deutscher Herr, er wird Ihnen geben Legitimation für meine Person." Sie schritt auf Doktor Jerum zu. schüttelte ihm herzhaft beide Hände und rief: ..(ZoocZ bye, IVir. ^erum. Very, very Zlaä to 8so ^vu. — Kennen Sie mich nicht?" fuhr sie deutsch fort. „O, ich habe vergestern mein Paß in Hotel, und der Policemaun will uicht haben mein Karte als Legitimation. — Aber erkennen Sie mich immer noch nicht. Wir haben doch an Bord von .President Lincoln' immer shuffle-board gespielt." „Ich habe mit sehr vielen Damen shuffle-board gespielt," sagte Doktor Jerum lachend, indem er höflich den Hut abnahm, „wenn Sie so freundlich sein wollten, einen Augenblick Ihr Automobil-Inkognito zu lüften..." „Ach so," gab die Dame gleichfalls lachend zurück, „daß ich ein Paar Spektakeln — wie heißt es doch gleich auf deutsch? — auf meine Nase habe mit Gläsern so groß wie Kutschenfenstern, das hatte ich forgessen." „Eine Brille", erwiderte Doktor Jerum, indem er der Dame half, sich von Schleier und Staubglüseru zu befreien. — „Miß Granton! Das ist aber famos! Willkommen in Deutschland! Willkommen auf den: Kruslaker Damm." „Ich kenne den Herrn nicht," brummte der in seinem amtlichen Gefühle gekränkte Polizeisergeant, „da kann jeder kommen und andere Leute legitimierest wollen. Wer sind Sie denn?" Fräulein Grantons Schutzgeist griff in die Tasche, holte eine Visitenkarte heraus, auf der gedruckt stand: Dr. MI. Osknr Jerum, Leutnant der Reserve im Garde-Feldartillerie-Regiment. Der .Reserveleutnant' zog, und nun wußte der Sergeant auf einmal auch von den Meldepapieren her, wen er vor sich hatte. Das also war der vielbesprochene junge Lehrer, der sogar in Persien gewesen war, bei einer Gesandtschaft, wie einige wissen wollten. Und die amerikanische Dame drohte auch mit 'ner Gesandtschaft. Zwei Gesandtschaften gegen einen Polizeisergeanten: 'n bißchen viel! „Wenn sich Herr Leutnant für die Dame verbürgen wollen," sagte er, »dann ist das 'ne andere Sache. Und wenn ich vorhin ein bißchen laut gesprochen habe, so kommt das davon, weil ich heute morgen ein bißchen rauh im Halse bin. Und wenn der Chauffeur kein Deutsch lesen kann, so ist die Sache ja überhaupt nicht so schlimm. Aber umkehren müssen die Herrschaften." „Da sind Sie in Ihren: Recht, Sergeant," sagte Doktor Jerum mit dein jovialen Ton des militärischen Vorgesetzten, „und es sei ferne von uns, die Bergftädter Polizeivorschriften mit Füßen zu treten oder richtiger mit Automobil- rädern tot zu fahren. Sie haben mit riesigem Biereifer (woher der das wohl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/483>, abgerufen am 29.06.2024.