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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Der Austcmschprofesso",'

was, was im Deutschen Reich keinen Unterstützungswohnsitz oder so was ähnliches
hatte. Das konnte, durfte und mußte verhaftet werden, wegen Verdachts --
wie hieß das Wort man noch, wenn ein ausländischer Verbrecher über die
Grenze entflieht -- jedenfalls war es ganz was Gemeingefährliches. Hier mußte
gehandelt werden. Ein amtliches Belobigungsschreiben, vermischt mit einem
Ordensblink, blitzte in Buntes Geist auf.

Und er handelte!

Doktor Jerum hatte sich bei dem Haltruf des Polizeisergeanten umgedreht.
Er hatte gerade bei sich andauernd gegrübelt: Warum hast du dich nicht in
Persien totschießen lassen? Warum mußte gerade deinen guten alten Herrn das
Pech treffen, daß er fallierte? O Jerum, Jerum! Und ähnliches. Aber als
er die vom Sergeanten und dem Automobil gebildete Gruppe auf dem Damm
bemerkte, siegte die Neugier über die Gedanken des Jammers. "Wie furchtbar
können deutsche Polizeisergeanten schimpfen!" dachte er, als er sich den: gesetzlichen
Schauplatz näherte. "Ja," dachte er weiter, "deutsche Polizisten mögen sein wie
sie wollen. Aber sie bekneipen sich nicht wie du! Sie finden sich mit ihrem
Schicksal ab! Sie tuu in früher Morgenstunde treu und pflichterfüllt ihren
Dienst, werfen sich mit Löwenmut einem lebendigen Automobil in den Weg,
während du elender Dallesonkel dich zwecklos als Affendirektor auf dem Kruslaker
Damm herumtreibst. Und dn hast einmal Privatdozent und Universitätsprofessor
werden wollen? Scham dich, Jerum, Scham dich!"

Hier mußte Doktor Jerum mit den Selbstvorwürfen innehalten. Denn die
hundert Schritte waren zu Ende. Das Schicksal fügte es, daß er als handelnder
Teil in das Automobildrama eingreifen sollte.

Sergeant Bunte schleuderte, soweit seine etwas verschwommenen Augen es
zuließen, Serien der bekannten Polizeiblicke auf den Chauffeur und in das Innere
des Ant. Darin saß eine Dame in braunem fohlenledernen Automobilmantel,
Autmütze, -brille und einem wunderschönen, lang ausflatternden violetten Schleier.
Von ihren: Gesicht war so viel zu erkennen, wie bei firmen Autsportlerinnen
üblich ist, nämlich fast nichts. Doktor Jerum hörte den Polizisten sagen:

"Nun zum drittenmal, Sie sind keine Deutsche und können sich nicht
legitimieren, ich muß Sie Mieren und Sie müssen mit zur Wache."

Die Dame hielt eine Visitenkarte in der Hand und erwiderte kühl:

"Sie sollen mich nicht so anschreien, ich höre ver^ well. Mein do^ kann
nicht lesen deutsch, und ich habe overgeon die Tafel mit das Polizeiverbot. Ich
werde bezahlen die sine, aber ich werde nicht gehn mit Ihnen zum Polizeioffice."

"Das werden wir sehen", sagte Bunte grimmig und stieg zum Chauffeur
auf den Vordersitz. "Drehen Sie um", schnäuzte er den Nigger an, "und
fahren Sie nach Bergstadt zurück."

,,^im, como ckown!" befahl die Dame.

Der Neger sprang auf die Straße. Die Dame stieg gleichfalls ans.


Der Austcmschprofesso»,'

was, was im Deutschen Reich keinen Unterstützungswohnsitz oder so was ähnliches
hatte. Das konnte, durfte und mußte verhaftet werden, wegen Verdachts —
wie hieß das Wort man noch, wenn ein ausländischer Verbrecher über die
Grenze entflieht — jedenfalls war es ganz was Gemeingefährliches. Hier mußte
gehandelt werden. Ein amtliches Belobigungsschreiben, vermischt mit einem
Ordensblink, blitzte in Buntes Geist auf.

Und er handelte!

Doktor Jerum hatte sich bei dem Haltruf des Polizeisergeanten umgedreht.
Er hatte gerade bei sich andauernd gegrübelt: Warum hast du dich nicht in
Persien totschießen lassen? Warum mußte gerade deinen guten alten Herrn das
Pech treffen, daß er fallierte? O Jerum, Jerum! Und ähnliches. Aber als
er die vom Sergeanten und dem Automobil gebildete Gruppe auf dem Damm
bemerkte, siegte die Neugier über die Gedanken des Jammers. „Wie furchtbar
können deutsche Polizeisergeanten schimpfen!" dachte er, als er sich den: gesetzlichen
Schauplatz näherte. „Ja," dachte er weiter, „deutsche Polizisten mögen sein wie
sie wollen. Aber sie bekneipen sich nicht wie du! Sie finden sich mit ihrem
Schicksal ab! Sie tuu in früher Morgenstunde treu und pflichterfüllt ihren
Dienst, werfen sich mit Löwenmut einem lebendigen Automobil in den Weg,
während du elender Dallesonkel dich zwecklos als Affendirektor auf dem Kruslaker
Damm herumtreibst. Und dn hast einmal Privatdozent und Universitätsprofessor
werden wollen? Scham dich, Jerum, Scham dich!"

Hier mußte Doktor Jerum mit den Selbstvorwürfen innehalten. Denn die
hundert Schritte waren zu Ende. Das Schicksal fügte es, daß er als handelnder
Teil in das Automobildrama eingreifen sollte.

Sergeant Bunte schleuderte, soweit seine etwas verschwommenen Augen es
zuließen, Serien der bekannten Polizeiblicke auf den Chauffeur und in das Innere
des Ant. Darin saß eine Dame in braunem fohlenledernen Automobilmantel,
Autmütze, -brille und einem wunderschönen, lang ausflatternden violetten Schleier.
Von ihren: Gesicht war so viel zu erkennen, wie bei firmen Autsportlerinnen
üblich ist, nämlich fast nichts. Doktor Jerum hörte den Polizisten sagen:

„Nun zum drittenmal, Sie sind keine Deutsche und können sich nicht
legitimieren, ich muß Sie Mieren und Sie müssen mit zur Wache."

Die Dame hielt eine Visitenkarte in der Hand und erwiderte kühl:

„Sie sollen mich nicht so anschreien, ich höre ver^ well. Mein do^ kann
nicht lesen deutsch, und ich habe overgeon die Tafel mit das Polizeiverbot. Ich
werde bezahlen die sine, aber ich werde nicht gehn mit Ihnen zum Polizeioffice."

„Das werden wir sehen", sagte Bunte grimmig und stieg zum Chauffeur
auf den Vordersitz. „Drehen Sie um", schnäuzte er den Nigger an, „und
fahren Sie nach Bergstadt zurück."

,,^im, como ckown!" befahl die Dame.

Der Neger sprang auf die Straße. Die Dame stieg gleichfalls ans.


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[0482] Der Austcmschprofesso»,' was, was im Deutschen Reich keinen Unterstützungswohnsitz oder so was ähnliches hatte. Das konnte, durfte und mußte verhaftet werden, wegen Verdachts — wie hieß das Wort man noch, wenn ein ausländischer Verbrecher über die Grenze entflieht — jedenfalls war es ganz was Gemeingefährliches. Hier mußte gehandelt werden. Ein amtliches Belobigungsschreiben, vermischt mit einem Ordensblink, blitzte in Buntes Geist auf. Und er handelte! Doktor Jerum hatte sich bei dem Haltruf des Polizeisergeanten umgedreht. Er hatte gerade bei sich andauernd gegrübelt: Warum hast du dich nicht in Persien totschießen lassen? Warum mußte gerade deinen guten alten Herrn das Pech treffen, daß er fallierte? O Jerum, Jerum! Und ähnliches. Aber als er die vom Sergeanten und dem Automobil gebildete Gruppe auf dem Damm bemerkte, siegte die Neugier über die Gedanken des Jammers. „Wie furchtbar können deutsche Polizeisergeanten schimpfen!" dachte er, als er sich den: gesetzlichen Schauplatz näherte. „Ja," dachte er weiter, „deutsche Polizisten mögen sein wie sie wollen. Aber sie bekneipen sich nicht wie du! Sie finden sich mit ihrem Schicksal ab! Sie tuu in früher Morgenstunde treu und pflichterfüllt ihren Dienst, werfen sich mit Löwenmut einem lebendigen Automobil in den Weg, während du elender Dallesonkel dich zwecklos als Affendirektor auf dem Kruslaker Damm herumtreibst. Und dn hast einmal Privatdozent und Universitätsprofessor werden wollen? Scham dich, Jerum, Scham dich!" Hier mußte Doktor Jerum mit den Selbstvorwürfen innehalten. Denn die hundert Schritte waren zu Ende. Das Schicksal fügte es, daß er als handelnder Teil in das Automobildrama eingreifen sollte. Sergeant Bunte schleuderte, soweit seine etwas verschwommenen Augen es zuließen, Serien der bekannten Polizeiblicke auf den Chauffeur und in das Innere des Ant. Darin saß eine Dame in braunem fohlenledernen Automobilmantel, Autmütze, -brille und einem wunderschönen, lang ausflatternden violetten Schleier. Von ihren: Gesicht war so viel zu erkennen, wie bei firmen Autsportlerinnen üblich ist, nämlich fast nichts. Doktor Jerum hörte den Polizisten sagen: „Nun zum drittenmal, Sie sind keine Deutsche und können sich nicht legitimieren, ich muß Sie Mieren und Sie müssen mit zur Wache." Die Dame hielt eine Visitenkarte in der Hand und erwiderte kühl: „Sie sollen mich nicht so anschreien, ich höre ver^ well. Mein do^ kann nicht lesen deutsch, und ich habe overgeon die Tafel mit das Polizeiverbot. Ich werde bezahlen die sine, aber ich werde nicht gehn mit Ihnen zum Polizeioffice." „Das werden wir sehen", sagte Bunte grimmig und stieg zum Chauffeur auf den Vordersitz. „Drehen Sie um", schnäuzte er den Nigger an, „und fahren Sie nach Bergstadt zurück." ,,^im, como ckown!" befahl die Dame. Der Neger sprang auf die Straße. Die Dame stieg gleichfalls ans.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/482>, abgerufen am 29.06.2024.