Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.Aoiistantiiiopel Unser Kalk schießt hinaus wie der Pfeil von einem Bogen. Er fliegt über Es ist Platz für eine bis höchstens drei Personen in dem langen, schmalen In hellen Seidenkleidern mit Seidenflor um Stirn und Wangen, mit Pailleten- Aber willst du mehrere von ihnen beisammen sehen, deinen Kalk leicht den Beide bestehen aus einem schmalen, sich schlängelnden Flusse, zwischen Hainen Auf Seidenkissen und lichten Seidenmatten, in Wolken von Tüll und Flor Es ist eine heiße Atmosphäre -- eine Unruhe, einander zu treffen oder nicht Ein kleiner spröder Elfenbeinfächer schlüge gegen einen Weißen Handschuh. Aoiistantiiiopel Unser Kalk schießt hinaus wie der Pfeil von einem Bogen. Er fliegt über Es ist Platz für eine bis höchstens drei Personen in dem langen, schmalen In hellen Seidenkleidern mit Seidenflor um Stirn und Wangen, mit Pailleten- Aber willst du mehrere von ihnen beisammen sehen, deinen Kalk leicht den Beide bestehen aus einem schmalen, sich schlängelnden Flusse, zwischen Hainen Auf Seidenkissen und lichten Seidenmatten, in Wolken von Tüll und Flor Es ist eine heiße Atmosphäre — eine Unruhe, einander zu treffen oder nicht Ein kleiner spröder Elfenbeinfächer schlüge gegen einen Weißen Handschuh. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0386" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/316025"/> <fw type="header" place="top"> Aoiistantiiiopel</fw><lb/> <p xml:id="ID_2103"> Unser Kalk schießt hinaus wie der Pfeil von einem Bogen. Er fliegt über<lb/> die glitzernden Sonnensternchen der Wellen und spiegelt sich in allen Farben des<lb/> Wassers bor seinem tanzenden Bug. Ohne Beginn und ohne Ende, auf beiden<lb/> Seiten spitzig, fliegt er ebenso rasch und leicht vorwärts wie zurück. Es ist,<lb/> als berührte er blos; die Oberfläche, ohne in das Wasser einzusinken. Er scheint<lb/> obenauf zu schweben wie ein Delphin, und abends bei Mondschein wird er zu<lb/> einem lautlosen Geisterwesen, das den ans den Uferbuchten aufsteigenden dunstigen<lb/> Nebeln angehört.</p><lb/> <p xml:id="ID_2104"> Es ist Platz für eine bis höchstens drei Personen in dem langen, schmalen<lb/> Boote, die Ruderer abgerechnet, die stets weiß gekleidet sind und die leichten Ruder<lb/> mit langen Armbewegungen handhaben. Hier auf dem Wasser würdest du, mein<lb/> fremder Freund, die schwarzen stummen Phantome nicht wiedererkennen, denen<lb/> du im Schatten von Stambuls Gassen begegnet bist.</p><lb/> <p xml:id="ID_2105"> In hellen Seidenkleidern mit Seidenflor um Stirn und Wangen, mit Pailleten-<lb/> geglitzer bis hinab zu den Augenbrauen und goldgestickten Blumen über dein<lb/> Haar lächeln sie dir unter den Florvolants ihrer weißen Sonnenschirme mit<lb/> unbedecktem Antlitz entgegen. Erreichen kannst du sie nie. Das tiefe Wasser ist<lb/> zwischen ihnen und dir. Sie gleiten vorüber, sie begegnen dir, sie lächeln und<lb/> sie verschwinden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2106"> Aber willst du mehrere von ihnen beisammen sehen, deinen Kalk leicht den<lb/> ihrigen berühren lassen und die schweren Essenzen einatmen, mit denen sie sich<lb/> parfümieren, dann laß dich Donnerstags zum „Süßwasser" Europas und Sonntags<lb/> zum „Süßwasser" Asiens rudern. An der Jnnenbucht des Goldenen Hornes findest du<lb/> das erstere, das letztere aber nahe an der asiatischen Kleinstadt Anadoli-Hissar.</p><lb/> <p xml:id="ID_2107"> Beide bestehen aus einem schmalen, sich schlängelnden Flusse, zwischen Hainen<lb/> von Walnußbäumen, Weiden und weißen Akazien dahinplätschernd, die Lauben<lb/> und Grotten und Kaskaden hängender, ins Wasser tauchender Zweige bilden.<lb/> Hier triffst du sie alle. Weiße Kalks und gelbe und hellgraue und ganz vergoldete<lb/> und grüne, so wie die Welle, und blaue, so wie der Himmel. Ein ganzes<lb/> Gewimmel wunderbarer schwimmender Fische — eine bunte Schar prächtiger<lb/> flinker Vögel, die gleitend auf dem Wasser ruhen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2108"> Auf Seidenkissen und lichten Seidenmatten, in Wolken von Tüll und Flor<lb/> gehüllt siehst du sie nun ganz nahe, die du hinter der schwarzen Vermummung<lb/> des Tjartjaff in Stambul angetroffen hast. Wie viele blitzende schwarzbraune Augen,<lb/> noch vergrößert durch den Rußstrich unter den Wimpern, wie viele lächelnde Lippen,<lb/> noch lockender durch die rote Farbe der Rosalinpomo.de! Die Süßwasserlustfahrt<lb/> bietet auch der jungen Türkin aus guter Familie die einzige Gelegenheit, sich zu<lb/> zeigen — ihren Zukünftigen zu sehen und von ihm gesehen zu werden. Und<lb/> manche „große Dame" im weißen Aaschma, dem Florschleier, findet hier ein<lb/> kleines galantes Abenteuer, dessen Fortsetzung vielleicht nicht, wie der Anfang, aus<lb/> bloßem Augenspiel besteht.</p><lb/> <p xml:id="ID_2109"> Es ist eine heiße Atmosphäre — eine Unruhe, einander zu treffen oder nicht<lb/> zu treffen — Blicke, die suchen und die finden — Augen, die sich sehnen und an<lb/> sich locken. Keine Worte, kein lautes Lachen. Stilles Begegnen und Vorbeigleiten.<lb/> Die stumme Sprache der Fächer. Heimliche Gelöbnisse, durch eine Blume geleistet.</p><lb/> <p xml:id="ID_2110"> Ein kleiner spröder Elfenbeinfächer schlüge gegen einen Weißen Handschuh.<lb/> Das bedeutet: viele Hindernisse verzögern unsre Vereinigung. Eine große rote<lb/> Rose wiegt sich zwischen den Falten eines Tüllschleiers. Das bedeutet: ich liebe<lb/> dich bis zum Wahnsinn. Weiße Nelken auf dem goldnen Rande eines Kalks:<lb/> ich bin unschuldig, und ich sehne mich nach dir bis zum Tode.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0386]
Aoiistantiiiopel
Unser Kalk schießt hinaus wie der Pfeil von einem Bogen. Er fliegt über
die glitzernden Sonnensternchen der Wellen und spiegelt sich in allen Farben des
Wassers bor seinem tanzenden Bug. Ohne Beginn und ohne Ende, auf beiden
Seiten spitzig, fliegt er ebenso rasch und leicht vorwärts wie zurück. Es ist,
als berührte er blos; die Oberfläche, ohne in das Wasser einzusinken. Er scheint
obenauf zu schweben wie ein Delphin, und abends bei Mondschein wird er zu
einem lautlosen Geisterwesen, das den ans den Uferbuchten aufsteigenden dunstigen
Nebeln angehört.
Es ist Platz für eine bis höchstens drei Personen in dem langen, schmalen
Boote, die Ruderer abgerechnet, die stets weiß gekleidet sind und die leichten Ruder
mit langen Armbewegungen handhaben. Hier auf dem Wasser würdest du, mein
fremder Freund, die schwarzen stummen Phantome nicht wiedererkennen, denen
du im Schatten von Stambuls Gassen begegnet bist.
In hellen Seidenkleidern mit Seidenflor um Stirn und Wangen, mit Pailleten-
geglitzer bis hinab zu den Augenbrauen und goldgestickten Blumen über dein
Haar lächeln sie dir unter den Florvolants ihrer weißen Sonnenschirme mit
unbedecktem Antlitz entgegen. Erreichen kannst du sie nie. Das tiefe Wasser ist
zwischen ihnen und dir. Sie gleiten vorüber, sie begegnen dir, sie lächeln und
sie verschwinden.
Aber willst du mehrere von ihnen beisammen sehen, deinen Kalk leicht den
ihrigen berühren lassen und die schweren Essenzen einatmen, mit denen sie sich
parfümieren, dann laß dich Donnerstags zum „Süßwasser" Europas und Sonntags
zum „Süßwasser" Asiens rudern. An der Jnnenbucht des Goldenen Hornes findest du
das erstere, das letztere aber nahe an der asiatischen Kleinstadt Anadoli-Hissar.
Beide bestehen aus einem schmalen, sich schlängelnden Flusse, zwischen Hainen
von Walnußbäumen, Weiden und weißen Akazien dahinplätschernd, die Lauben
und Grotten und Kaskaden hängender, ins Wasser tauchender Zweige bilden.
Hier triffst du sie alle. Weiße Kalks und gelbe und hellgraue und ganz vergoldete
und grüne, so wie die Welle, und blaue, so wie der Himmel. Ein ganzes
Gewimmel wunderbarer schwimmender Fische — eine bunte Schar prächtiger
flinker Vögel, die gleitend auf dem Wasser ruhen.
Auf Seidenkissen und lichten Seidenmatten, in Wolken von Tüll und Flor
gehüllt siehst du sie nun ganz nahe, die du hinter der schwarzen Vermummung
des Tjartjaff in Stambul angetroffen hast. Wie viele blitzende schwarzbraune Augen,
noch vergrößert durch den Rußstrich unter den Wimpern, wie viele lächelnde Lippen,
noch lockender durch die rote Farbe der Rosalinpomo.de! Die Süßwasserlustfahrt
bietet auch der jungen Türkin aus guter Familie die einzige Gelegenheit, sich zu
zeigen — ihren Zukünftigen zu sehen und von ihm gesehen zu werden. Und
manche „große Dame" im weißen Aaschma, dem Florschleier, findet hier ein
kleines galantes Abenteuer, dessen Fortsetzung vielleicht nicht, wie der Anfang, aus
bloßem Augenspiel besteht.
Es ist eine heiße Atmosphäre — eine Unruhe, einander zu treffen oder nicht
zu treffen — Blicke, die suchen und die finden — Augen, die sich sehnen und an
sich locken. Keine Worte, kein lautes Lachen. Stilles Begegnen und Vorbeigleiten.
Die stumme Sprache der Fächer. Heimliche Gelöbnisse, durch eine Blume geleistet.
Ein kleiner spröder Elfenbeinfächer schlüge gegen einen Weißen Handschuh.
Das bedeutet: viele Hindernisse verzögern unsre Vereinigung. Eine große rote
Rose wiegt sich zwischen den Falten eines Tüllschleiers. Das bedeutet: ich liebe
dich bis zum Wahnsinn. Weiße Nelken auf dem goldnen Rande eines Kalks:
ich bin unschuldig, und ich sehne mich nach dir bis zum Tode.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |