Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.Uonstcmtinoxcl Heimat wieder ein neues Kapitel beginnt, das wird man bald erfahren. Viel Aonstantinoxel Tagebuchblätter einer jungen Türkin von L, Lindberg-Vovlctte II. Als ich zwölf Jahre alt war, fuhr ich barhäuptig in meines Vaters, des Komm mit mir, du mein fremder Freund. Ich darf deinen Arm nicht nehmen, Und ich freue mich, daß du nicht unter den schwarzen Flor blicken darfst. Aber sind wir zu Lande durch tausend geschriebne und ungeschriebne Gesetze Uonstcmtinoxcl Heimat wieder ein neues Kapitel beginnt, das wird man bald erfahren. Viel Aonstantinoxel Tagebuchblätter einer jungen Türkin von L, Lindberg-Vovlctte II. Als ich zwölf Jahre alt war, fuhr ich barhäuptig in meines Vaters, des Komm mit mir, du mein fremder Freund. Ich darf deinen Arm nicht nehmen, Und ich freue mich, daß du nicht unter den schwarzen Flor blicken darfst. Aber sind wir zu Lande durch tausend geschriebne und ungeschriebne Gesetze <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0385" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/316024"/> <fw type="header" place="top"> Uonstcmtinoxcl</fw><lb/> <p xml:id="ID_2098" prev="#ID_2097"> Heimat wieder ein neues Kapitel beginnt, das wird man bald erfahren. Viel<lb/> wird davon gesprochen, daß er der einzige sei, der vielleicht die republikanische<lb/> Partei vor einer Niederlage bewahren könne. Er ist der ausgemachteste Prophet<lb/> des Imperialismus. Aber ist eine Verbindung zwischen ihm und den Trusts<lb/> heute noch möglich? Und wird er, wenn er wirklich mit diesen Gegnern<lb/> Frieden schließt, noch der leitende Geist im Kampfe gegen sie sein können?<lb/> Oder wird er eine völlig neue Parteigruppieruug erzwingen? Darauf lassen<lb/> sich h<note type="byline"> F,</note> eute noch keine Antworten geben. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Aonstantinoxel<lb/> Tagebuchblätter einer jungen Türkin<lb/><note type="byline"> von L, Lindberg-Vovlctte</note> II.</head><lb/> <p xml:id="ID_2099"> Als ich zwölf Jahre alt war, fuhr ich barhäuptig in meines Vaters, des<lb/> Paschas, großem Wagen, weißgekleidet, wie die jungen türkischen Mädchen aus<lb/> vornehmer Familie es sind, das lange schwarze Haar aufgelöst über den Rücken<lb/> hängend. Ein Eunuch auf weißem Pferde ritt an je einer Seite des Wagens.<lb/> Als ich fünfzehn war, erhielt ich meinen ersten schwarzen Seidentjartjaff und vor<lb/> die Wagenfenster kamen braune Holzluken mit einem kleinen Guckloch in Form<lb/> eines Herzens. An meiner Seite saß meine Gouvernante, und außer den beiden<lb/> andern ritt noch ein Eunuch neben meinem Wagen. Und nun bin ich vierund¬<lb/> zwanzig und gehe zu Fuß durch Stambuls hügelige Gassen, und nur meine alte<lb/> treue Amme Nubabie begleitet mich pustend — ein formloses Bündel aus raschelnder<lb/> schwarzer Seide.</p><lb/> <p xml:id="ID_2100"> Komm mit mir, du mein fremder Freund. Ich darf deinen Arm nicht nehmen,<lb/> es schickt sich nicht für eine Mohammedanerin, Arm in Arm zu gehen.<lb/> Ich darf auch nicht laut auf der Straße sprechen und nie den Kopf wenden.<lb/> Durch meinen schwarzen Schleier bin ich von allem und allen getrennt. Denn<lb/> durch einen schwarzen Schleier schauen heißt alles durch Tränen scheu. Du kannst<lb/> roten und gelben und blauen und grünen Tjartjaffen begegnen, der schwarze<lb/> Schleier ist immer da, wie ein dunkler Fleck auf all der Farbenfreude.</p><lb/> <p xml:id="ID_2101"> Und ich freue mich, daß du nicht unter den schwarzen Flor blicken darfst.<lb/> Du wärst doch nur niedergedrückt von den bleichen Gesichtern, von den traurigen<lb/> braunen Augen, die dich ansehen würden. Es ist besser so. Wir verbergen unsre<lb/> Züge und gleiten scheu und dunkeln Phantomen gleich in den Schatten unsrer<lb/> Moscheen. Denn unsre wunderbare Stadt ist in sich selbst so sonnig schön und<lb/> lächelnd und farbenreich, daß sie der weiblichen Schönheit entbehren kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_2102"> Aber sind wir zu Lande durch tausend geschriebne und ungeschriebne Gesetze<lb/> gebunden und abgesperrt, auf dem Wasser sind wir freier. Kenntest du unsre<lb/> Kalks, so wüßtest du auch, wie ein in ein Boot verwandelter Seevogel, wie ein<lb/> in ein Fahrzeug verzauberter Fisch aussehen müßte. Unser leichter Kalk ist unser<lb/> einziger Befreier. , > .....</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0385]
Uonstcmtinoxcl
Heimat wieder ein neues Kapitel beginnt, das wird man bald erfahren. Viel
wird davon gesprochen, daß er der einzige sei, der vielleicht die republikanische
Partei vor einer Niederlage bewahren könne. Er ist der ausgemachteste Prophet
des Imperialismus. Aber ist eine Verbindung zwischen ihm und den Trusts
heute noch möglich? Und wird er, wenn er wirklich mit diesen Gegnern
Frieden schließt, noch der leitende Geist im Kampfe gegen sie sein können?
Oder wird er eine völlig neue Parteigruppieruug erzwingen? Darauf lassen
sich h F, eute noch keine Antworten geben.
Aonstantinoxel
Tagebuchblätter einer jungen Türkin
von L, Lindberg-Vovlctte II.
Als ich zwölf Jahre alt war, fuhr ich barhäuptig in meines Vaters, des
Paschas, großem Wagen, weißgekleidet, wie die jungen türkischen Mädchen aus
vornehmer Familie es sind, das lange schwarze Haar aufgelöst über den Rücken
hängend. Ein Eunuch auf weißem Pferde ritt an je einer Seite des Wagens.
Als ich fünfzehn war, erhielt ich meinen ersten schwarzen Seidentjartjaff und vor
die Wagenfenster kamen braune Holzluken mit einem kleinen Guckloch in Form
eines Herzens. An meiner Seite saß meine Gouvernante, und außer den beiden
andern ritt noch ein Eunuch neben meinem Wagen. Und nun bin ich vierund¬
zwanzig und gehe zu Fuß durch Stambuls hügelige Gassen, und nur meine alte
treue Amme Nubabie begleitet mich pustend — ein formloses Bündel aus raschelnder
schwarzer Seide.
Komm mit mir, du mein fremder Freund. Ich darf deinen Arm nicht nehmen,
es schickt sich nicht für eine Mohammedanerin, Arm in Arm zu gehen.
Ich darf auch nicht laut auf der Straße sprechen und nie den Kopf wenden.
Durch meinen schwarzen Schleier bin ich von allem und allen getrennt. Denn
durch einen schwarzen Schleier schauen heißt alles durch Tränen scheu. Du kannst
roten und gelben und blauen und grünen Tjartjaffen begegnen, der schwarze
Schleier ist immer da, wie ein dunkler Fleck auf all der Farbenfreude.
Und ich freue mich, daß du nicht unter den schwarzen Flor blicken darfst.
Du wärst doch nur niedergedrückt von den bleichen Gesichtern, von den traurigen
braunen Augen, die dich ansehen würden. Es ist besser so. Wir verbergen unsre
Züge und gleiten scheu und dunkeln Phantomen gleich in den Schatten unsrer
Moscheen. Denn unsre wunderbare Stadt ist in sich selbst so sonnig schön und
lächelnd und farbenreich, daß sie der weiblichen Schönheit entbehren kann.
Aber sind wir zu Lande durch tausend geschriebne und ungeschriebne Gesetze
gebunden und abgesperrt, auf dem Wasser sind wir freier. Kenntest du unsre
Kalks, so wüßtest du auch, wie ein in ein Boot verwandelter Seevogel, wie ein
in ein Fahrzeug verzauberter Fisch aussehen müßte. Unser leichter Kalk ist unser
einziger Befreier. , > .....
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