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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Die vereinigten Staaten, ihre innere lind äußere Tagespolitik

Kommissar der amerikanischen Regierung für die Errichtung der amerikanischen
Herrschaft war. Die Filipinos tragen das Joch ihrer neuen Besitzer ungern;
sie verhalten sich nur deshalb ruhig, weil ein Aufstand zurzeit keine Aussicht
auf Erfolg hätte. Sobald die Vereinigten Staaten in eine ernste Verwicklung
geraten, werden sie sich sicher empören. Betrifft diese Japan, so ist ihnen die
Unterstützung von dorther gewiß. Die Amerikaner sind voll Sorgen mir ihren
Besitz. Sie haben die Hauptstadt Manila stark befestigt. Eine feindliche Flotte
kann den engen, jetzt von mächtigen Felsenbatterien gedeckten Eingang zu der
tiefen Bucht nicht erzwingen. Aber das hindert die Japaner nicht, in irgend¬
einem der zahlreichen andern Häfen zu landen und Manila landseitig anzugreifen,
was zu vereiteln weder Festungswerke noch eine ausreichende Armee vorhanden
sind. Die Bevölkerung würde in den Japanern ihre Befreier erblicken. Ob
mit Recht, das ist eine zweite Sache; möglicherweise halten sie die Inseln noch
viel stärker fest als die Amerikaner. Sie würden auch sofort eine japanische
Einwanderung veranlassen. Um die Philippinen zu halten, bedürfen die
Vereinigten Staaten einer Flotte, die die japanische zwingt, ihre Heimathäfen
nicht zu verlassen.

Ihre Unruhe verrät auch die eilige Anlegung des Kriegshafens in
Pearl-Harbour auf einer Insel des Hawni-Archipels. Der Platz ist wunderbar
zu einem Kriegshafen geeignet, weil er in der Mitte des Weges zwischen Japan
und S. Fraucisco liegt. Für eine amerikanische Flotte, die einst einen Angriff
auf Japan unternehmen wollte, wäre Pearl-Harbour ein vortrefflicher Stützpunkt
für Kohleneinnahme, anch für Reparatur im Kampfe beschädigter Schiffe. Wenn
eine amerikanische Flotte dort liegt, darf eine japanische nicht wagen, die Heimat
zu verlassen, um Truppen nach den Philippinen zu bringen. Noch weniger darf
sie den befestigten Punkt hinter sich lassen, um etwa S- Fraucisco, Portland
oder Los Angelos anzugreifen. Denn sie riskierte damit nicht nur, daß die
Amerikaner ihre Abwesenheit benutzten, um die japanischen Häfen zu bombardieren,
sondern auch daß sie die Verbindung mit der Heimat, die eine japanische Angriffs-
flotte nicht entbehren kann, unterbrachen. Wenn die Japaner einen Krieg mit
den Vereinigten Staaten sichren wollen, müssen sie damit anfangen, Pearl-
Harbonr zu bezwingen. Das übrige Hawai in ihren Besitz zu bringen, wird
nicht schwer sein, zumal schon 1897 24 407 Japaner unter einer Gesamt¬
bevölkerung von 154 000 gezählt wurden neben nur 3086 Amerikanern.
Inzwischen ist die Einwanderung von Japanern verhindert worden, aber durch
Überfall kann die Inselgruppe im Nu überflutet werden.

Das Machtverhältnis im Stillen Ozean wird sich mit einem Schlage ver¬
schieben, wenn der Panamakanal eröffnet wird. Dann können die Vereinigten Staaten
mit großer Schnelligkeit ihre ganze atlantische Flotte in das andereMeerwerfen, wozu
sie im Winter 1907/1908 viele Monate gebrauchten; und uach Vollendung der
Umsegelung Südamerikas kamen die Schiffe derart bewachsen an, daß sie sofort
ins Dock gebracht werden mußten. Auf ihrer Friedensreise fanden sie überall


Die vereinigten Staaten, ihre innere lind äußere Tagespolitik

Kommissar der amerikanischen Regierung für die Errichtung der amerikanischen
Herrschaft war. Die Filipinos tragen das Joch ihrer neuen Besitzer ungern;
sie verhalten sich nur deshalb ruhig, weil ein Aufstand zurzeit keine Aussicht
auf Erfolg hätte. Sobald die Vereinigten Staaten in eine ernste Verwicklung
geraten, werden sie sich sicher empören. Betrifft diese Japan, so ist ihnen die
Unterstützung von dorther gewiß. Die Amerikaner sind voll Sorgen mir ihren
Besitz. Sie haben die Hauptstadt Manila stark befestigt. Eine feindliche Flotte
kann den engen, jetzt von mächtigen Felsenbatterien gedeckten Eingang zu der
tiefen Bucht nicht erzwingen. Aber das hindert die Japaner nicht, in irgend¬
einem der zahlreichen andern Häfen zu landen und Manila landseitig anzugreifen,
was zu vereiteln weder Festungswerke noch eine ausreichende Armee vorhanden
sind. Die Bevölkerung würde in den Japanern ihre Befreier erblicken. Ob
mit Recht, das ist eine zweite Sache; möglicherweise halten sie die Inseln noch
viel stärker fest als die Amerikaner. Sie würden auch sofort eine japanische
Einwanderung veranlassen. Um die Philippinen zu halten, bedürfen die
Vereinigten Staaten einer Flotte, die die japanische zwingt, ihre Heimathäfen
nicht zu verlassen.

Ihre Unruhe verrät auch die eilige Anlegung des Kriegshafens in
Pearl-Harbour auf einer Insel des Hawni-Archipels. Der Platz ist wunderbar
zu einem Kriegshafen geeignet, weil er in der Mitte des Weges zwischen Japan
und S. Fraucisco liegt. Für eine amerikanische Flotte, die einst einen Angriff
auf Japan unternehmen wollte, wäre Pearl-Harbour ein vortrefflicher Stützpunkt
für Kohleneinnahme, anch für Reparatur im Kampfe beschädigter Schiffe. Wenn
eine amerikanische Flotte dort liegt, darf eine japanische nicht wagen, die Heimat
zu verlassen, um Truppen nach den Philippinen zu bringen. Noch weniger darf
sie den befestigten Punkt hinter sich lassen, um etwa S- Fraucisco, Portland
oder Los Angelos anzugreifen. Denn sie riskierte damit nicht nur, daß die
Amerikaner ihre Abwesenheit benutzten, um die japanischen Häfen zu bombardieren,
sondern auch daß sie die Verbindung mit der Heimat, die eine japanische Angriffs-
flotte nicht entbehren kann, unterbrachen. Wenn die Japaner einen Krieg mit
den Vereinigten Staaten sichren wollen, müssen sie damit anfangen, Pearl-
Harbonr zu bezwingen. Das übrige Hawai in ihren Besitz zu bringen, wird
nicht schwer sein, zumal schon 1897 24 407 Japaner unter einer Gesamt¬
bevölkerung von 154 000 gezählt wurden neben nur 3086 Amerikanern.
Inzwischen ist die Einwanderung von Japanern verhindert worden, aber durch
Überfall kann die Inselgruppe im Nu überflutet werden.

Das Machtverhältnis im Stillen Ozean wird sich mit einem Schlage ver¬
schieben, wenn der Panamakanal eröffnet wird. Dann können die Vereinigten Staaten
mit großer Schnelligkeit ihre ganze atlantische Flotte in das andereMeerwerfen, wozu
sie im Winter 1907/1908 viele Monate gebrauchten; und uach Vollendung der
Umsegelung Südamerikas kamen die Schiffe derart bewachsen an, daß sie sofort
ins Dock gebracht werden mußten. Auf ihrer Friedensreise fanden sie überall


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[0382] Die vereinigten Staaten, ihre innere lind äußere Tagespolitik Kommissar der amerikanischen Regierung für die Errichtung der amerikanischen Herrschaft war. Die Filipinos tragen das Joch ihrer neuen Besitzer ungern; sie verhalten sich nur deshalb ruhig, weil ein Aufstand zurzeit keine Aussicht auf Erfolg hätte. Sobald die Vereinigten Staaten in eine ernste Verwicklung geraten, werden sie sich sicher empören. Betrifft diese Japan, so ist ihnen die Unterstützung von dorther gewiß. Die Amerikaner sind voll Sorgen mir ihren Besitz. Sie haben die Hauptstadt Manila stark befestigt. Eine feindliche Flotte kann den engen, jetzt von mächtigen Felsenbatterien gedeckten Eingang zu der tiefen Bucht nicht erzwingen. Aber das hindert die Japaner nicht, in irgend¬ einem der zahlreichen andern Häfen zu landen und Manila landseitig anzugreifen, was zu vereiteln weder Festungswerke noch eine ausreichende Armee vorhanden sind. Die Bevölkerung würde in den Japanern ihre Befreier erblicken. Ob mit Recht, das ist eine zweite Sache; möglicherweise halten sie die Inseln noch viel stärker fest als die Amerikaner. Sie würden auch sofort eine japanische Einwanderung veranlassen. Um die Philippinen zu halten, bedürfen die Vereinigten Staaten einer Flotte, die die japanische zwingt, ihre Heimathäfen nicht zu verlassen. Ihre Unruhe verrät auch die eilige Anlegung des Kriegshafens in Pearl-Harbour auf einer Insel des Hawni-Archipels. Der Platz ist wunderbar zu einem Kriegshafen geeignet, weil er in der Mitte des Weges zwischen Japan und S. Fraucisco liegt. Für eine amerikanische Flotte, die einst einen Angriff auf Japan unternehmen wollte, wäre Pearl-Harbour ein vortrefflicher Stützpunkt für Kohleneinnahme, anch für Reparatur im Kampfe beschädigter Schiffe. Wenn eine amerikanische Flotte dort liegt, darf eine japanische nicht wagen, die Heimat zu verlassen, um Truppen nach den Philippinen zu bringen. Noch weniger darf sie den befestigten Punkt hinter sich lassen, um etwa S- Fraucisco, Portland oder Los Angelos anzugreifen. Denn sie riskierte damit nicht nur, daß die Amerikaner ihre Abwesenheit benutzten, um die japanischen Häfen zu bombardieren, sondern auch daß sie die Verbindung mit der Heimat, die eine japanische Angriffs- flotte nicht entbehren kann, unterbrachen. Wenn die Japaner einen Krieg mit den Vereinigten Staaten sichren wollen, müssen sie damit anfangen, Pearl- Harbonr zu bezwingen. Das übrige Hawai in ihren Besitz zu bringen, wird nicht schwer sein, zumal schon 1897 24 407 Japaner unter einer Gesamt¬ bevölkerung von 154 000 gezählt wurden neben nur 3086 Amerikanern. Inzwischen ist die Einwanderung von Japanern verhindert worden, aber durch Überfall kann die Inselgruppe im Nu überflutet werden. Das Machtverhältnis im Stillen Ozean wird sich mit einem Schlage ver¬ schieben, wenn der Panamakanal eröffnet wird. Dann können die Vereinigten Staaten mit großer Schnelligkeit ihre ganze atlantische Flotte in das andereMeerwerfen, wozu sie im Winter 1907/1908 viele Monate gebrauchten; und uach Vollendung der Umsegelung Südamerikas kamen die Schiffe derart bewachsen an, daß sie sofort ins Dock gebracht werden mußten. Auf ihrer Friedensreise fanden sie überall

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/382>, abgerufen am 29.06.2024.