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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Die vereinigt!-" Staaten, ihre innere und äußere Tagespolitik

stand gegen den skizzierten Gang der Dinge aufkommen. Man spricht wohl
von einem südafrikanischen Staatenbund dagegen. Wie weit man jedoch von
einer solchen Möglichkeit entfernt ist, das sieht man aus dem alten Haß zwischen
den Republiken der Westküste, Perus und Bolivias gegen Chile und Ecuador,
der jüngst zum Kriege aufzulodern drohte. In solchen Fällen liegt es immer
nahe, daß die schwächere Partei sich hilfesuchend an die Großmacht des Nordens
wendet. Wozu das führen kann, ist im voraus nicht zu berechnen.

Die Gefühle wallen natürlich auf und ab. Im allgemeinen scheint nach
den vorliegenden Nachrichten eine mißtrauische Vorsicht gegen den Norden
zuzunehmen, wobei die nikaraguanische Angelegenheit stark gewirkt hat. Im
ganzen übrigen Amerika hat man es sehr empfunden, daß die Negierung zu
Washington zu sofortiger Einmischung schritt, weil die von ihr selbst anerkannte
Regierung von Nikaragua zwei nordamerikmiische Bürger, die sie mit Waffen
in der Hand als Beteiligte der Rebellion ergriffen hatte, standrechtlich hin¬
gerichtet hatte. Man erblickte darin den Anspruch, daß amerikanische Bürger
von den sonst geltenden und zwar allgemein üblichen Aufruhrgesetzen aus¬
genommen bleiben sollten. Der Zwischenfall wurde nur dadurch beendet, daß
Präsident Zelaya unter Verzicht auf seine Würde außer Landes ging. Am
meisten Erregung verursachte dabei, daß der Vermittlungsversuch einer so
angesehenen Persönlichkeit wie Präsident Porfirio Diaz von Mexiko einfach zur
Seite geschoben wurde. Mexiko als nächster Nachbar der Vereinigten Staaten
blickt mit Sorge auf die wachsende Zuströmung nordamerikanischer Unternehmer
und uordamerikaiiischen Kapitals. Bergwerke und Eisenbahnen sind bereits zum
großen Teil in den Händen von Bürgern aus dein Nachbarlande.

Pancimerikanismus, Imperialismus, Expansion sind Leitsterne und zum
Teil allsgebildete Programme, die in der republikanischen Partei großen Einfluß
ausüben. Präsident Noosevelt und sein verstorbener Staatssekretär Hay haben
diese Strebungen stets zu zügeln verstanden. Sie haben manchmal ausgezeichnete
Schlagworte gegen sie gebildet. Ungleich schärfer steht ihnen jedoch die demokratische
Partei gegenüber. Das ergibt sich nicht nur aus ihrem mehr partikularistischeu
und mehr freihändlerischen Programm, sondern namentlich auch aus der bei ihr
besonders ausgebildeten Rassenabneigung. Sie widerstrebt auch der Heraus¬
bildung eines Militarismus, weil dieser allemal ein kräftiges zentralisierendes
Moment bildet und der bürgerlichen Republik nachteilig erachtet wird.

In der auswärtigen Politik kommt dies hingegen nicht ungetrübt zum
Ausdruck. Denn dort spielt der Gegensatz gegen Japan die entscheidende Rolle
und diesen empfinden die Demokraten am meisten, weil die Japaner farbig
sind. Es durchkreuzt sich aber vieles, denn die Demokraten waren und sind
aus dem gleichen Grunde ebenfalls Gegner der Erwerbung der Philippinen.
Ob sie diesen Besitz herausgeben würden, wenn sie vor der Frage ständen, ist
eine zweite Sache. Jetzt aber machen sie mit der Klage über den Mißerfolg
Stimmung. Das trifft den Präsidenten Taft um so mehr, als er seinerzeit


Grenzbole" II 1910 47
Die vereinigt!-» Staaten, ihre innere und äußere Tagespolitik

stand gegen den skizzierten Gang der Dinge aufkommen. Man spricht wohl
von einem südafrikanischen Staatenbund dagegen. Wie weit man jedoch von
einer solchen Möglichkeit entfernt ist, das sieht man aus dem alten Haß zwischen
den Republiken der Westküste, Perus und Bolivias gegen Chile und Ecuador,
der jüngst zum Kriege aufzulodern drohte. In solchen Fällen liegt es immer
nahe, daß die schwächere Partei sich hilfesuchend an die Großmacht des Nordens
wendet. Wozu das führen kann, ist im voraus nicht zu berechnen.

Die Gefühle wallen natürlich auf und ab. Im allgemeinen scheint nach
den vorliegenden Nachrichten eine mißtrauische Vorsicht gegen den Norden
zuzunehmen, wobei die nikaraguanische Angelegenheit stark gewirkt hat. Im
ganzen übrigen Amerika hat man es sehr empfunden, daß die Negierung zu
Washington zu sofortiger Einmischung schritt, weil die von ihr selbst anerkannte
Regierung von Nikaragua zwei nordamerikmiische Bürger, die sie mit Waffen
in der Hand als Beteiligte der Rebellion ergriffen hatte, standrechtlich hin¬
gerichtet hatte. Man erblickte darin den Anspruch, daß amerikanische Bürger
von den sonst geltenden und zwar allgemein üblichen Aufruhrgesetzen aus¬
genommen bleiben sollten. Der Zwischenfall wurde nur dadurch beendet, daß
Präsident Zelaya unter Verzicht auf seine Würde außer Landes ging. Am
meisten Erregung verursachte dabei, daß der Vermittlungsversuch einer so
angesehenen Persönlichkeit wie Präsident Porfirio Diaz von Mexiko einfach zur
Seite geschoben wurde. Mexiko als nächster Nachbar der Vereinigten Staaten
blickt mit Sorge auf die wachsende Zuströmung nordamerikanischer Unternehmer
und uordamerikaiiischen Kapitals. Bergwerke und Eisenbahnen sind bereits zum
großen Teil in den Händen von Bürgern aus dein Nachbarlande.

Pancimerikanismus, Imperialismus, Expansion sind Leitsterne und zum
Teil allsgebildete Programme, die in der republikanischen Partei großen Einfluß
ausüben. Präsident Noosevelt und sein verstorbener Staatssekretär Hay haben
diese Strebungen stets zu zügeln verstanden. Sie haben manchmal ausgezeichnete
Schlagworte gegen sie gebildet. Ungleich schärfer steht ihnen jedoch die demokratische
Partei gegenüber. Das ergibt sich nicht nur aus ihrem mehr partikularistischeu
und mehr freihändlerischen Programm, sondern namentlich auch aus der bei ihr
besonders ausgebildeten Rassenabneigung. Sie widerstrebt auch der Heraus¬
bildung eines Militarismus, weil dieser allemal ein kräftiges zentralisierendes
Moment bildet und der bürgerlichen Republik nachteilig erachtet wird.

In der auswärtigen Politik kommt dies hingegen nicht ungetrübt zum
Ausdruck. Denn dort spielt der Gegensatz gegen Japan die entscheidende Rolle
und diesen empfinden die Demokraten am meisten, weil die Japaner farbig
sind. Es durchkreuzt sich aber vieles, denn die Demokraten waren und sind
aus dem gleichen Grunde ebenfalls Gegner der Erwerbung der Philippinen.
Ob sie diesen Besitz herausgeben würden, wenn sie vor der Frage ständen, ist
eine zweite Sache. Jetzt aber machen sie mit der Klage über den Mißerfolg
Stimmung. Das trifft den Präsidenten Taft um so mehr, als er seinerzeit


Grenzbole» II 1910 47
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[0381] Die vereinigt!-» Staaten, ihre innere und äußere Tagespolitik stand gegen den skizzierten Gang der Dinge aufkommen. Man spricht wohl von einem südafrikanischen Staatenbund dagegen. Wie weit man jedoch von einer solchen Möglichkeit entfernt ist, das sieht man aus dem alten Haß zwischen den Republiken der Westküste, Perus und Bolivias gegen Chile und Ecuador, der jüngst zum Kriege aufzulodern drohte. In solchen Fällen liegt es immer nahe, daß die schwächere Partei sich hilfesuchend an die Großmacht des Nordens wendet. Wozu das führen kann, ist im voraus nicht zu berechnen. Die Gefühle wallen natürlich auf und ab. Im allgemeinen scheint nach den vorliegenden Nachrichten eine mißtrauische Vorsicht gegen den Norden zuzunehmen, wobei die nikaraguanische Angelegenheit stark gewirkt hat. Im ganzen übrigen Amerika hat man es sehr empfunden, daß die Negierung zu Washington zu sofortiger Einmischung schritt, weil die von ihr selbst anerkannte Regierung von Nikaragua zwei nordamerikmiische Bürger, die sie mit Waffen in der Hand als Beteiligte der Rebellion ergriffen hatte, standrechtlich hin¬ gerichtet hatte. Man erblickte darin den Anspruch, daß amerikanische Bürger von den sonst geltenden und zwar allgemein üblichen Aufruhrgesetzen aus¬ genommen bleiben sollten. Der Zwischenfall wurde nur dadurch beendet, daß Präsident Zelaya unter Verzicht auf seine Würde außer Landes ging. Am meisten Erregung verursachte dabei, daß der Vermittlungsversuch einer so angesehenen Persönlichkeit wie Präsident Porfirio Diaz von Mexiko einfach zur Seite geschoben wurde. Mexiko als nächster Nachbar der Vereinigten Staaten blickt mit Sorge auf die wachsende Zuströmung nordamerikanischer Unternehmer und uordamerikaiiischen Kapitals. Bergwerke und Eisenbahnen sind bereits zum großen Teil in den Händen von Bürgern aus dein Nachbarlande. Pancimerikanismus, Imperialismus, Expansion sind Leitsterne und zum Teil allsgebildete Programme, die in der republikanischen Partei großen Einfluß ausüben. Präsident Noosevelt und sein verstorbener Staatssekretär Hay haben diese Strebungen stets zu zügeln verstanden. Sie haben manchmal ausgezeichnete Schlagworte gegen sie gebildet. Ungleich schärfer steht ihnen jedoch die demokratische Partei gegenüber. Das ergibt sich nicht nur aus ihrem mehr partikularistischeu und mehr freihändlerischen Programm, sondern namentlich auch aus der bei ihr besonders ausgebildeten Rassenabneigung. Sie widerstrebt auch der Heraus¬ bildung eines Militarismus, weil dieser allemal ein kräftiges zentralisierendes Moment bildet und der bürgerlichen Republik nachteilig erachtet wird. In der auswärtigen Politik kommt dies hingegen nicht ungetrübt zum Ausdruck. Denn dort spielt der Gegensatz gegen Japan die entscheidende Rolle und diesen empfinden die Demokraten am meisten, weil die Japaner farbig sind. Es durchkreuzt sich aber vieles, denn die Demokraten waren und sind aus dem gleichen Grunde ebenfalls Gegner der Erwerbung der Philippinen. Ob sie diesen Besitz herausgeben würden, wenn sie vor der Frage ständen, ist eine zweite Sache. Jetzt aber machen sie mit der Klage über den Mißerfolg Stimmung. Das trifft den Präsidenten Taft um so mehr, als er seinerzeit Grenzbole» II 1910 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/381>, abgerufen am 29.06.2024.