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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Die Freiheit der Wissenschaft

Erfordernisse priesterlichen Wandels versteht, das ist nicht, wie man annehmen
sollte, das Benehmen, das Herr Wetterle zur Schau trägt, sondern ist deutlich
zu ersehen aus den zahlreichen Verfolgungen der Modernisten, die bis zum
heutigen Tage mit der größten Energie vom Papst und seinem Klerus durch¬
geführt werden. Daß das Zentrum nicht zurückschreckt, diese Maßnahmen auch
in die Tat umzusetzen, sieht man dort, wo sich Ministerien unter die Macht
des ultramontanen Zentrums begeben haben. Das bezeugt z. B. der Fall
des Professors Güttler in München und der Fall des Innsbrucker Professors
Wahrmund. Das bezeugt auch das obenerwähnte Abkommen mit der ultra¬
montanen Kirche die Universität Straßburg betreffend unter dem Ministerium
Stube. Freilich ist Herr Stube selbst dafür kaum verantwortlich zu machen,
da ihm durchaus die Kenntnisse für die Beurteilung fehlten. Wußte er doch
nicht einmal, daß die marianischen Kongregationen im engen Zusammenhang
mit den Jesuiten stehen, was am Rhein jeder Mensch weiß, und was auch in
ultramontanen Schriften ohne weiteres zugegeben wird. Man lese nur die bekannte
Broschüre des Professors Schröer "Kirche und Wissenschaft", Bonn 1907, um
eine Fülle von solchen Übergriffen des Klerus aufzufinden, und es ist bedauerlich,
sagen zu müssen, daß selbst das preußische Kultusministerium seine Beamten,
zu denen ja schließlich auch die Professoren gehören, nicht gegen solche Über¬
griffe schützt, sondern sie dem Ultramontanismus hilflos ausliefert.

Ich will hier nicht weiter auf diese Fragen eingehen, soweit sie die
theologische Fakultät betreffen. Man kann es den Theologen überlassen,
den Kampf, soweit sie ihn für notwendig halten, hier aufzunehmen und durch-
zufechten. Was mich aber ganz persönlich angeht und mit mir alle Fach¬
genossen, und, ich meine, die gesamte gebildete Welt, das ist die Stellung dieser
Anschauungen zu den Naturwissenschaften. Das muß im folgenden noch etwas
ausführlicher besprochen werden.

Donat beruft sich darauf, daß der Staat ebenso verfährt, wie es von der
ultramontanen Kirche gefordert wird, daß auch der Staat Schriften verbietet, also
einen Index habe, geradeso wie die Kirche. Er gibt Zahlen an, wieviel
Schriften im Laufe der Zeit vom Staate verboten worden seien, und er weist
nach, daß das viel mehr seien als die auf dein Index der ultramontanen
Kirche. Dieser Vergleich ist echt jesuitisch. Äußerlich scheint er vollkommen
recht zu haben, aber man sehe einmal nach, was das für Schriften sind, die
vom Staate verboten sind. Man kann sich, wenn man im Ausland in eine Buch¬
handlung kommt, z. B. in der Schweiz, ein Bild machen. Dort findet man eine
Unsumme von Büchern, die zur Reklame die Aufschrift tragen: "In Deutschland
verboten". Ich habe wiederholt solche Bücher gekauft, und kann versichern,
daß ich auch nicht ein einziges gefunden habe, in dein nur der geringste
literarische oder ethische Wert steckte. Meist waren es ganz gewöhnliche Porkerien
oder es handelte sich um Bücher mit gemeinen, lediglich auf Klatsch beuchenden
Verleumdungen höchstgestellter Persönlichkeiten. Wenn man dagegen den


Die Freiheit der Wissenschaft

Erfordernisse priesterlichen Wandels versteht, das ist nicht, wie man annehmen
sollte, das Benehmen, das Herr Wetterle zur Schau trägt, sondern ist deutlich
zu ersehen aus den zahlreichen Verfolgungen der Modernisten, die bis zum
heutigen Tage mit der größten Energie vom Papst und seinem Klerus durch¬
geführt werden. Daß das Zentrum nicht zurückschreckt, diese Maßnahmen auch
in die Tat umzusetzen, sieht man dort, wo sich Ministerien unter die Macht
des ultramontanen Zentrums begeben haben. Das bezeugt z. B. der Fall
des Professors Güttler in München und der Fall des Innsbrucker Professors
Wahrmund. Das bezeugt auch das obenerwähnte Abkommen mit der ultra¬
montanen Kirche die Universität Straßburg betreffend unter dem Ministerium
Stube. Freilich ist Herr Stube selbst dafür kaum verantwortlich zu machen,
da ihm durchaus die Kenntnisse für die Beurteilung fehlten. Wußte er doch
nicht einmal, daß die marianischen Kongregationen im engen Zusammenhang
mit den Jesuiten stehen, was am Rhein jeder Mensch weiß, und was auch in
ultramontanen Schriften ohne weiteres zugegeben wird. Man lese nur die bekannte
Broschüre des Professors Schröer „Kirche und Wissenschaft", Bonn 1907, um
eine Fülle von solchen Übergriffen des Klerus aufzufinden, und es ist bedauerlich,
sagen zu müssen, daß selbst das preußische Kultusministerium seine Beamten,
zu denen ja schließlich auch die Professoren gehören, nicht gegen solche Über¬
griffe schützt, sondern sie dem Ultramontanismus hilflos ausliefert.

Ich will hier nicht weiter auf diese Fragen eingehen, soweit sie die
theologische Fakultät betreffen. Man kann es den Theologen überlassen,
den Kampf, soweit sie ihn für notwendig halten, hier aufzunehmen und durch-
zufechten. Was mich aber ganz persönlich angeht und mit mir alle Fach¬
genossen, und, ich meine, die gesamte gebildete Welt, das ist die Stellung dieser
Anschauungen zu den Naturwissenschaften. Das muß im folgenden noch etwas
ausführlicher besprochen werden.

Donat beruft sich darauf, daß der Staat ebenso verfährt, wie es von der
ultramontanen Kirche gefordert wird, daß auch der Staat Schriften verbietet, also
einen Index habe, geradeso wie die Kirche. Er gibt Zahlen an, wieviel
Schriften im Laufe der Zeit vom Staate verboten worden seien, und er weist
nach, daß das viel mehr seien als die auf dein Index der ultramontanen
Kirche. Dieser Vergleich ist echt jesuitisch. Äußerlich scheint er vollkommen
recht zu haben, aber man sehe einmal nach, was das für Schriften sind, die
vom Staate verboten sind. Man kann sich, wenn man im Ausland in eine Buch¬
handlung kommt, z. B. in der Schweiz, ein Bild machen. Dort findet man eine
Unsumme von Büchern, die zur Reklame die Aufschrift tragen: „In Deutschland
verboten". Ich habe wiederholt solche Bücher gekauft, und kann versichern,
daß ich auch nicht ein einziges gefunden habe, in dein nur der geringste
literarische oder ethische Wert steckte. Meist waren es ganz gewöhnliche Porkerien
oder es handelte sich um Bücher mit gemeinen, lediglich auf Klatsch beuchenden
Verleumdungen höchstgestellter Persönlichkeiten. Wenn man dagegen den


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[0362] Die Freiheit der Wissenschaft Erfordernisse priesterlichen Wandels versteht, das ist nicht, wie man annehmen sollte, das Benehmen, das Herr Wetterle zur Schau trägt, sondern ist deutlich zu ersehen aus den zahlreichen Verfolgungen der Modernisten, die bis zum heutigen Tage mit der größten Energie vom Papst und seinem Klerus durch¬ geführt werden. Daß das Zentrum nicht zurückschreckt, diese Maßnahmen auch in die Tat umzusetzen, sieht man dort, wo sich Ministerien unter die Macht des ultramontanen Zentrums begeben haben. Das bezeugt z. B. der Fall des Professors Güttler in München und der Fall des Innsbrucker Professors Wahrmund. Das bezeugt auch das obenerwähnte Abkommen mit der ultra¬ montanen Kirche die Universität Straßburg betreffend unter dem Ministerium Stube. Freilich ist Herr Stube selbst dafür kaum verantwortlich zu machen, da ihm durchaus die Kenntnisse für die Beurteilung fehlten. Wußte er doch nicht einmal, daß die marianischen Kongregationen im engen Zusammenhang mit den Jesuiten stehen, was am Rhein jeder Mensch weiß, und was auch in ultramontanen Schriften ohne weiteres zugegeben wird. Man lese nur die bekannte Broschüre des Professors Schröer „Kirche und Wissenschaft", Bonn 1907, um eine Fülle von solchen Übergriffen des Klerus aufzufinden, und es ist bedauerlich, sagen zu müssen, daß selbst das preußische Kultusministerium seine Beamten, zu denen ja schließlich auch die Professoren gehören, nicht gegen solche Über¬ griffe schützt, sondern sie dem Ultramontanismus hilflos ausliefert. Ich will hier nicht weiter auf diese Fragen eingehen, soweit sie die theologische Fakultät betreffen. Man kann es den Theologen überlassen, den Kampf, soweit sie ihn für notwendig halten, hier aufzunehmen und durch- zufechten. Was mich aber ganz persönlich angeht und mit mir alle Fach¬ genossen, und, ich meine, die gesamte gebildete Welt, das ist die Stellung dieser Anschauungen zu den Naturwissenschaften. Das muß im folgenden noch etwas ausführlicher besprochen werden. Donat beruft sich darauf, daß der Staat ebenso verfährt, wie es von der ultramontanen Kirche gefordert wird, daß auch der Staat Schriften verbietet, also einen Index habe, geradeso wie die Kirche. Er gibt Zahlen an, wieviel Schriften im Laufe der Zeit vom Staate verboten worden seien, und er weist nach, daß das viel mehr seien als die auf dein Index der ultramontanen Kirche. Dieser Vergleich ist echt jesuitisch. Äußerlich scheint er vollkommen recht zu haben, aber man sehe einmal nach, was das für Schriften sind, die vom Staate verboten sind. Man kann sich, wenn man im Ausland in eine Buch¬ handlung kommt, z. B. in der Schweiz, ein Bild machen. Dort findet man eine Unsumme von Büchern, die zur Reklame die Aufschrift tragen: „In Deutschland verboten". Ich habe wiederholt solche Bücher gekauft, und kann versichern, daß ich auch nicht ein einziges gefunden habe, in dein nur der geringste literarische oder ethische Wert steckte. Meist waren es ganz gewöhnliche Porkerien oder es handelte sich um Bücher mit gemeinen, lediglich auf Klatsch beuchenden Verleumdungen höchstgestellter Persönlichkeiten. Wenn man dagegen den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/362>, abgerufen am 28.09.2024.