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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Die Freiheit der Wissenschaft

die folgenden Worte zeigen das; sie lauten: "Die geplante Salzburger
katholische Universität gehört auch hierher." Einige Seiten später sagt
dann der Versasser: "Durch solche Hochschulen wäre auch für eine größere Lehr-
und Lernfreiheit, allgemeiner gesprochen für eine größere Freiheit des geistigen
Lebens gesorgt. Wenn die höchsten Bildungsstätten ausschließlich in der Hand
des Staates sind, kann es kaum ausbleiben, daß das höhere Geistesleben in
eine gefährliche Abhängigkeit vom Staate oder von dominierenden Parteien
gelangt. Man denke an die Gebundenheit der Rechtswissenschaft im achtzehnten
Jahrhundert in Preußen, an das langjährige Regiment der Hegelschen Philosophie,
an die Napoleonische l^Iniversitö imperiale, an die Vorherrschaft der
liberalen Partei auf unseren Hochschulen. Namentlich wären Universitäten,
welche auf positiv christlicher Grundlage basieren, für Tausende eine Beruhigung
und dadurch für den Staat eine Pflichtentlastung. Es braucht nicht gesagt zu
werden, daß auch die Organe der Kirche solche Gründungen vornehmen dürfen."
Man sieht, mit welcher Geschicklichkeit der Autor hier verlangt, daß vom Staate
unabhängige, aber von einer ultramontanen Macht abhängige Universitäten
eingerichtet werden. Ja, diese Einwirkung der ultramontanen Macht auf die
Universität verlangt der Verfasser sogar ausdrücklich für die jetzt schon staatlich
eingerichteten Universitäten. Er verlangt, daß der Kirche "die wissenschaftliche
Lehre der offenbarten Wahrheiten, die Theologie, direkt unterstellt sei, wo immer
sie gelehrt wird, sei es im Raume der Staatsuniversität, sei es im Bischöflichen
Seminar. Wer auch die übrigen Wissenschaften werden von der Verpflichtung,
auf die Mahnungen der von Gott gesetzten Autorität (das ist der ultramontane
Klerus) in den Fällen zu achten, wo sie religiöses Gebiet berühren, nicht aus¬
genommen sein." Das klingt an und für sich nicht unverständig, denn
es versteht sich, daß wenn eine Kirche sich Priester heranziehen will, sie
nicht dulden kann, daß diese Priester Dinge lernen und später selbst weiter
verbreiten, die ihren Dogmen widersprechen. Der Verfasser beruft sich geradezu
darauf, daß der Staat ganz das Gleiche tue und mit vollem Recht. Denn
wenn der Staat auf seinen staatlichen Universitäten sich Beamte heranbildet,
wenn er den Unterricht auf diesen staatlichen Universitäten bezahlt, so kann er
auch verlangen, daß auf diesen Universitäten nichts Staatsfeindliches gelehrt und
verbreitet werde. Wenn die Kirche selbst Universitäten einrichtet und selbst
bezahlt, so kann sie mit vollem Fug und Recht verlangen, daß auf diesen
Universitäten nichts gelehrt werde, was ihre Existenz in Frage stellt, oder
irgendwie schädigt. Die Kirche kann auch ihren zukünftigen Priestern verbieten,
solche Lehren an anderen Stätten zu hören. Sie hat also ein Recht, das ihr
niemand streitig machen kann, ihren Priestern das Hören von Lehren, die nach
ihrer Ansicht Irrlehren sind, auf staatlichen Universitäten zu verbieten. Aber
sie hat nur dann das Recht, dies zu verbieten, wenn die Priester in
ihrem eigenen Solde stehen, wenn sie nicht vom Staate oder von der Gemeinde
bezahlt werden. Sie hat nicht das Recht, einer staatlichen Universität vor-


Die Freiheit der Wissenschaft

die folgenden Worte zeigen das; sie lauten: „Die geplante Salzburger
katholische Universität gehört auch hierher." Einige Seiten später sagt
dann der Versasser: „Durch solche Hochschulen wäre auch für eine größere Lehr-
und Lernfreiheit, allgemeiner gesprochen für eine größere Freiheit des geistigen
Lebens gesorgt. Wenn die höchsten Bildungsstätten ausschließlich in der Hand
des Staates sind, kann es kaum ausbleiben, daß das höhere Geistesleben in
eine gefährliche Abhängigkeit vom Staate oder von dominierenden Parteien
gelangt. Man denke an die Gebundenheit der Rechtswissenschaft im achtzehnten
Jahrhundert in Preußen, an das langjährige Regiment der Hegelschen Philosophie,
an die Napoleonische l^Iniversitö imperiale, an die Vorherrschaft der
liberalen Partei auf unseren Hochschulen. Namentlich wären Universitäten,
welche auf positiv christlicher Grundlage basieren, für Tausende eine Beruhigung
und dadurch für den Staat eine Pflichtentlastung. Es braucht nicht gesagt zu
werden, daß auch die Organe der Kirche solche Gründungen vornehmen dürfen."
Man sieht, mit welcher Geschicklichkeit der Autor hier verlangt, daß vom Staate
unabhängige, aber von einer ultramontanen Macht abhängige Universitäten
eingerichtet werden. Ja, diese Einwirkung der ultramontanen Macht auf die
Universität verlangt der Verfasser sogar ausdrücklich für die jetzt schon staatlich
eingerichteten Universitäten. Er verlangt, daß der Kirche „die wissenschaftliche
Lehre der offenbarten Wahrheiten, die Theologie, direkt unterstellt sei, wo immer
sie gelehrt wird, sei es im Raume der Staatsuniversität, sei es im Bischöflichen
Seminar. Wer auch die übrigen Wissenschaften werden von der Verpflichtung,
auf die Mahnungen der von Gott gesetzten Autorität (das ist der ultramontane
Klerus) in den Fällen zu achten, wo sie religiöses Gebiet berühren, nicht aus¬
genommen sein." Das klingt an und für sich nicht unverständig, denn
es versteht sich, daß wenn eine Kirche sich Priester heranziehen will, sie
nicht dulden kann, daß diese Priester Dinge lernen und später selbst weiter
verbreiten, die ihren Dogmen widersprechen. Der Verfasser beruft sich geradezu
darauf, daß der Staat ganz das Gleiche tue und mit vollem Recht. Denn
wenn der Staat auf seinen staatlichen Universitäten sich Beamte heranbildet,
wenn er den Unterricht auf diesen staatlichen Universitäten bezahlt, so kann er
auch verlangen, daß auf diesen Universitäten nichts Staatsfeindliches gelehrt und
verbreitet werde. Wenn die Kirche selbst Universitäten einrichtet und selbst
bezahlt, so kann sie mit vollem Fug und Recht verlangen, daß auf diesen
Universitäten nichts gelehrt werde, was ihre Existenz in Frage stellt, oder
irgendwie schädigt. Die Kirche kann auch ihren zukünftigen Priestern verbieten,
solche Lehren an anderen Stätten zu hören. Sie hat also ein Recht, das ihr
niemand streitig machen kann, ihren Priestern das Hören von Lehren, die nach
ihrer Ansicht Irrlehren sind, auf staatlichen Universitäten zu verbieten. Aber
sie hat nur dann das Recht, dies zu verbieten, wenn die Priester in
ihrem eigenen Solde stehen, wenn sie nicht vom Staate oder von der Gemeinde
bezahlt werden. Sie hat nicht das Recht, einer staatlichen Universität vor-


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[0360] Die Freiheit der Wissenschaft die folgenden Worte zeigen das; sie lauten: „Die geplante Salzburger katholische Universität gehört auch hierher." Einige Seiten später sagt dann der Versasser: „Durch solche Hochschulen wäre auch für eine größere Lehr- und Lernfreiheit, allgemeiner gesprochen für eine größere Freiheit des geistigen Lebens gesorgt. Wenn die höchsten Bildungsstätten ausschließlich in der Hand des Staates sind, kann es kaum ausbleiben, daß das höhere Geistesleben in eine gefährliche Abhängigkeit vom Staate oder von dominierenden Parteien gelangt. Man denke an die Gebundenheit der Rechtswissenschaft im achtzehnten Jahrhundert in Preußen, an das langjährige Regiment der Hegelschen Philosophie, an die Napoleonische l^Iniversitö imperiale, an die Vorherrschaft der liberalen Partei auf unseren Hochschulen. Namentlich wären Universitäten, welche auf positiv christlicher Grundlage basieren, für Tausende eine Beruhigung und dadurch für den Staat eine Pflichtentlastung. Es braucht nicht gesagt zu werden, daß auch die Organe der Kirche solche Gründungen vornehmen dürfen." Man sieht, mit welcher Geschicklichkeit der Autor hier verlangt, daß vom Staate unabhängige, aber von einer ultramontanen Macht abhängige Universitäten eingerichtet werden. Ja, diese Einwirkung der ultramontanen Macht auf die Universität verlangt der Verfasser sogar ausdrücklich für die jetzt schon staatlich eingerichteten Universitäten. Er verlangt, daß der Kirche „die wissenschaftliche Lehre der offenbarten Wahrheiten, die Theologie, direkt unterstellt sei, wo immer sie gelehrt wird, sei es im Raume der Staatsuniversität, sei es im Bischöflichen Seminar. Wer auch die übrigen Wissenschaften werden von der Verpflichtung, auf die Mahnungen der von Gott gesetzten Autorität (das ist der ultramontane Klerus) in den Fällen zu achten, wo sie religiöses Gebiet berühren, nicht aus¬ genommen sein." Das klingt an und für sich nicht unverständig, denn es versteht sich, daß wenn eine Kirche sich Priester heranziehen will, sie nicht dulden kann, daß diese Priester Dinge lernen und später selbst weiter verbreiten, die ihren Dogmen widersprechen. Der Verfasser beruft sich geradezu darauf, daß der Staat ganz das Gleiche tue und mit vollem Recht. Denn wenn der Staat auf seinen staatlichen Universitäten sich Beamte heranbildet, wenn er den Unterricht auf diesen staatlichen Universitäten bezahlt, so kann er auch verlangen, daß auf diesen Universitäten nichts Staatsfeindliches gelehrt und verbreitet werde. Wenn die Kirche selbst Universitäten einrichtet und selbst bezahlt, so kann sie mit vollem Fug und Recht verlangen, daß auf diesen Universitäten nichts gelehrt werde, was ihre Existenz in Frage stellt, oder irgendwie schädigt. Die Kirche kann auch ihren zukünftigen Priestern verbieten, solche Lehren an anderen Stätten zu hören. Sie hat also ein Recht, das ihr niemand streitig machen kann, ihren Priestern das Hören von Lehren, die nach ihrer Ansicht Irrlehren sind, auf staatlichen Universitäten zu verbieten. Aber sie hat nur dann das Recht, dies zu verbieten, wenn die Priester in ihrem eigenen Solde stehen, wenn sie nicht vom Staate oder von der Gemeinde bezahlt werden. Sie hat nicht das Recht, einer staatlichen Universität vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/360>, abgerufen am 29.06.2024.