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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Aonstantinopel

ist nur der, daß in Posen und Westpreußen um den Grund und Boden gekümpft
wird, in Schlesien aber um die Seelen seiner Bewohner. Die Posener Pole"
zu guten Deutschen zu machen, ist vorläufig eine aussichtslose Sache, es kaun
dort nur ein Erfolg errungen werden, indem ein genügender Prozentsatz
Deutscher auf für sie freigemachte Schollen gesetzt wird. In Oberschlesien aber
können die Bewohner selbst noch vor dein Polonismus bewahrt werden. Dies
ist vielleicht die wichtigere und dringendere Aufgabe. Nachdem die Polen auch
in Oberschlesien den Kampf auf das Wirtschaftsgebiet hinübergetragen haben,
nachdem sie vor allem einer kreditbedürftigen Bevölkerung aufs freigebigste mit
Kredit unter die Arme gegriffen haben, bleibt nichts anderes übrig, als ihnen
auf dieses Gebiet der Kreditgewährung nachzufolgen, und den wirtschaft¬
lichen Einfluß der Banken Ludowy, sowie den damit verknüpften politischen
Einfluß ihrer Geschäftsführer und Aufsichtsrate durch die gleichen Mittel des
Wirtschaftslebens einzudämmen, wenn nicht zu brechen. Das wenige, was
hierzu aus Initiative Privater und des Ostmarkenvereins bisher geschehen ist,
reicht bei weitem nicht aus. Gegenüber dem bereits über ganz Oberschlesien
gespannten Netze polnischer Genossenschaften muß mit ganz anderen Macht¬
mitteln aufgetreten werden. Dann aber ist es auch noch nicht zu spät, in
Oberschlesien den Kampf mit Aussicht auf Erfolg aufzunehmen; denn die hiesigen
Banken Ludowy sind wirtschaftlich lange nicht so gefestigt wie die in Posen und
Westpreußen. Zeit ist freilich mit diesem Vorgehen nicht zu verlieren und
erspart wird es dem Deutschtum keinesfalls bleiben. Wie nach dem bekannten
Worte Bismarcks die deutsche Frage nur mit Blut und Eisen gelöst werden
konnte, so wird die Polenfrage des Jndustriereviers nur mit Gold und
Silber gelöst werden!




Aonstantinopel
Tagebuchblätter einer jungen Türkin
von L, Lindbcrg-Dovlette ' I- ,

cum man als Kind das Buchstabenspiel spielte und jemand eine
ganze Menge Buchstaben in der Hand schüttelte, die zusammen den
Namen einer Stadt bilden sollten, so konnte man sicher sein, daß
die Deutung Konstantinopel ergab. So hat auch der Schöpfer in
seiner geschlossenen Hand die verschiedensten Volksstämme und Typen,
Religionen, Sitten und Sprachen, Baustile. Straßen und Gäßchen
vermischt und geschüttelt, gerade und krumme, häßliche und schöne, Schmutz und
Reinheit, das blendendste Licht mit dem tiefsten Dunkel, Land von zwei Weltteilen
mit Wasser von drei Meeren, -- und daraus wurde Konstantinopel.


Aonstantinopel

ist nur der, daß in Posen und Westpreußen um den Grund und Boden gekümpft
wird, in Schlesien aber um die Seelen seiner Bewohner. Die Posener Pole»
zu guten Deutschen zu machen, ist vorläufig eine aussichtslose Sache, es kaun
dort nur ein Erfolg errungen werden, indem ein genügender Prozentsatz
Deutscher auf für sie freigemachte Schollen gesetzt wird. In Oberschlesien aber
können die Bewohner selbst noch vor dein Polonismus bewahrt werden. Dies
ist vielleicht die wichtigere und dringendere Aufgabe. Nachdem die Polen auch
in Oberschlesien den Kampf auf das Wirtschaftsgebiet hinübergetragen haben,
nachdem sie vor allem einer kreditbedürftigen Bevölkerung aufs freigebigste mit
Kredit unter die Arme gegriffen haben, bleibt nichts anderes übrig, als ihnen
auf dieses Gebiet der Kreditgewährung nachzufolgen, und den wirtschaft¬
lichen Einfluß der Banken Ludowy, sowie den damit verknüpften politischen
Einfluß ihrer Geschäftsführer und Aufsichtsrate durch die gleichen Mittel des
Wirtschaftslebens einzudämmen, wenn nicht zu brechen. Das wenige, was
hierzu aus Initiative Privater und des Ostmarkenvereins bisher geschehen ist,
reicht bei weitem nicht aus. Gegenüber dem bereits über ganz Oberschlesien
gespannten Netze polnischer Genossenschaften muß mit ganz anderen Macht¬
mitteln aufgetreten werden. Dann aber ist es auch noch nicht zu spät, in
Oberschlesien den Kampf mit Aussicht auf Erfolg aufzunehmen; denn die hiesigen
Banken Ludowy sind wirtschaftlich lange nicht so gefestigt wie die in Posen und
Westpreußen. Zeit ist freilich mit diesem Vorgehen nicht zu verlieren und
erspart wird es dem Deutschtum keinesfalls bleiben. Wie nach dem bekannten
Worte Bismarcks die deutsche Frage nur mit Blut und Eisen gelöst werden
konnte, so wird die Polenfrage des Jndustriereviers nur mit Gold und
Silber gelöst werden!




Aonstantinopel
Tagebuchblätter einer jungen Türkin
von L, Lindbcrg-Dovlette ' I- ,

cum man als Kind das Buchstabenspiel spielte und jemand eine
ganze Menge Buchstaben in der Hand schüttelte, die zusammen den
Namen einer Stadt bilden sollten, so konnte man sicher sein, daß
die Deutung Konstantinopel ergab. So hat auch der Schöpfer in
seiner geschlossenen Hand die verschiedensten Volksstämme und Typen,
Religionen, Sitten und Sprachen, Baustile. Straßen und Gäßchen
vermischt und geschüttelt, gerade und krumme, häßliche und schöne, Schmutz und
Reinheit, das blendendste Licht mit dem tiefsten Dunkel, Land von zwei Weltteilen
mit Wasser von drei Meeren, — und daraus wurde Konstantinopel.


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[0338] Aonstantinopel ist nur der, daß in Posen und Westpreußen um den Grund und Boden gekümpft wird, in Schlesien aber um die Seelen seiner Bewohner. Die Posener Pole» zu guten Deutschen zu machen, ist vorläufig eine aussichtslose Sache, es kaun dort nur ein Erfolg errungen werden, indem ein genügender Prozentsatz Deutscher auf für sie freigemachte Schollen gesetzt wird. In Oberschlesien aber können die Bewohner selbst noch vor dein Polonismus bewahrt werden. Dies ist vielleicht die wichtigere und dringendere Aufgabe. Nachdem die Polen auch in Oberschlesien den Kampf auf das Wirtschaftsgebiet hinübergetragen haben, nachdem sie vor allem einer kreditbedürftigen Bevölkerung aufs freigebigste mit Kredit unter die Arme gegriffen haben, bleibt nichts anderes übrig, als ihnen auf dieses Gebiet der Kreditgewährung nachzufolgen, und den wirtschaft¬ lichen Einfluß der Banken Ludowy, sowie den damit verknüpften politischen Einfluß ihrer Geschäftsführer und Aufsichtsrate durch die gleichen Mittel des Wirtschaftslebens einzudämmen, wenn nicht zu brechen. Das wenige, was hierzu aus Initiative Privater und des Ostmarkenvereins bisher geschehen ist, reicht bei weitem nicht aus. Gegenüber dem bereits über ganz Oberschlesien gespannten Netze polnischer Genossenschaften muß mit ganz anderen Macht¬ mitteln aufgetreten werden. Dann aber ist es auch noch nicht zu spät, in Oberschlesien den Kampf mit Aussicht auf Erfolg aufzunehmen; denn die hiesigen Banken Ludowy sind wirtschaftlich lange nicht so gefestigt wie die in Posen und Westpreußen. Zeit ist freilich mit diesem Vorgehen nicht zu verlieren und erspart wird es dem Deutschtum keinesfalls bleiben. Wie nach dem bekannten Worte Bismarcks die deutsche Frage nur mit Blut und Eisen gelöst werden konnte, so wird die Polenfrage des Jndustriereviers nur mit Gold und Silber gelöst werden! Aonstantinopel Tagebuchblätter einer jungen Türkin von L, Lindbcrg-Dovlette ' I- , cum man als Kind das Buchstabenspiel spielte und jemand eine ganze Menge Buchstaben in der Hand schüttelte, die zusammen den Namen einer Stadt bilden sollten, so konnte man sicher sein, daß die Deutung Konstantinopel ergab. So hat auch der Schöpfer in seiner geschlossenen Hand die verschiedensten Volksstämme und Typen, Religionen, Sitten und Sprachen, Baustile. Straßen und Gäßchen vermischt und geschüttelt, gerade und krumme, häßliche und schöne, Schmutz und Reinheit, das blendendste Licht mit dem tiefsten Dunkel, Land von zwei Weltteilen mit Wasser von drei Meeren, — und daraus wurde Konstantinopel.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/338>, abgerufen am 29.06.2024.