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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Die polnischen volksbcmken in Gberschlesien

kleinen Gefallen tun und bei der Reichstags- oder Landtags- oder Stadt¬
verordnetenwahl so wählen, wie dieser es gern wünscht, durchaus einleuchtend
erscheint. Nun besteht aber, wie wir oben gesehen haben, eine engste Personal¬
union zwischen den Leitern der polnischen Banken und den polnischen
politischen Führern, und so ist die Gefahr mehr als nahe, daß aus der wirt¬
schaftlichen Abhängigkeit die politische resultiert. Wo die polnischen politischen
Führer durch Agitation und Presse allein nie Einfluß bekommen würden, dort
bekommen sie ihn durch die Kredite der Banken Ludowy. Es gilt noch immer
das Wort Philipps von Makedonien von dem mit Golde beladenen Esel, vor
dein sich die Tore der festesten Burg öffnen. Die Hauptarrangeure der
alljährlich zu Pfingsten veranstalteten politischen Wallfahrten nach Kraken und
der Ausflüge nach den galizischen Klöstern sind Michael Nczepka in Kattowitz
und Karl Piecha in Zaborze. Beide aber sind Vorstandsmitglieder jener der
Bank Ludowy in Kattowitz, dieser der Bank Ludowy in Zaborze. Wie zwanglos
mag sich da bei Abschluß eines Kreditgeschäfts oder gar bei der Stundung
einer fälligen Abzahlung auf den Depotwechsel eine Einladung an den Schuldner
einflechten lassen, doch an einer solchen Wallfahrt teilzunehmen. Der Schuldner
aber, dessen politischer Eifer sonst vielleicht gar nicht soweit gegangen wäre,
wird es nicht wagen seiner strengen Gläubigerin diesen Wunsch abzuschlagen.
So fährt er mit nach Krakau, hört dort die verhetzenden Reden gegen das
Deutschtum, wird auf den weißen Adler vereidigt und kehrt als ein zielbewußter
Großpole zurück, er, der als ein politisch Indifferenter hingefahren war.

Oder es findet eine Versammlung des Sokolvereins oder der Straz statt.
Einige Kaufleute oder Hausbesitzer oder Bauunternehmer möchten gern den
Kredit der Bank Ludowy in Anspruch nehmen. Sie wissen, wenn es Katto-
witzer Bürger sind, daß der Vorsteher der Bank Ludowy in Kattowitz, Wcnzeslaus
Szczyperski, Starost des Strazvereins, Vorsteher des Sokolvereins, einflußreiches
Mitglied der Bank Budowlcma zu Kattowitz ist, wenn es Rybniker Bürger
sind, daß das Vorstandsmitglied der dortigen Bank Ludowy Dr. Bialy im
Sokolverein, Straz und Poinoc Nankowa eine führende Rolle spielt, was liegt
näher für die Kreditsuchcnden, als sich etwa in der Strazversammlung zu zeigen
und sich so der Geneigtheit des kreditgewährenden Bankoorstehers zu empfehlen.
Wie viel aber von der politischen Belehrung in dieser Versammlung bei dem
einzelnen Hörer hängen bleibt, das entzieht sich natürlich jeder Kontrolle.

So ergibt sich also das Resultat: Die Oberschlesier vor der Berührung mit
den polnischen Volksbanken bewahren, heißt, sie so und so oft von den politischen
Einflüssen der Polen fernhalten.

Wenn also das System der Negierung, in dein sich auf wirtschaftlichem
Gebiete abspielenden politischen Kampfe um die Ostmark mit Staatsmitteln ein¬
zugreifen, das richtige ist, -- und daran kann in. E. nicht gezweifelt werden, --
so hat die Regierung diese Pflicht in Oberschlesien nicht minder als in Posen
und Westpreußen. Der Unterschied des Kampfes in den beiden Landesteilen


Die polnischen volksbcmken in Gberschlesien

kleinen Gefallen tun und bei der Reichstags- oder Landtags- oder Stadt¬
verordnetenwahl so wählen, wie dieser es gern wünscht, durchaus einleuchtend
erscheint. Nun besteht aber, wie wir oben gesehen haben, eine engste Personal¬
union zwischen den Leitern der polnischen Banken und den polnischen
politischen Führern, und so ist die Gefahr mehr als nahe, daß aus der wirt¬
schaftlichen Abhängigkeit die politische resultiert. Wo die polnischen politischen
Führer durch Agitation und Presse allein nie Einfluß bekommen würden, dort
bekommen sie ihn durch die Kredite der Banken Ludowy. Es gilt noch immer
das Wort Philipps von Makedonien von dem mit Golde beladenen Esel, vor
dein sich die Tore der festesten Burg öffnen. Die Hauptarrangeure der
alljährlich zu Pfingsten veranstalteten politischen Wallfahrten nach Kraken und
der Ausflüge nach den galizischen Klöstern sind Michael Nczepka in Kattowitz
und Karl Piecha in Zaborze. Beide aber sind Vorstandsmitglieder jener der
Bank Ludowy in Kattowitz, dieser der Bank Ludowy in Zaborze. Wie zwanglos
mag sich da bei Abschluß eines Kreditgeschäfts oder gar bei der Stundung
einer fälligen Abzahlung auf den Depotwechsel eine Einladung an den Schuldner
einflechten lassen, doch an einer solchen Wallfahrt teilzunehmen. Der Schuldner
aber, dessen politischer Eifer sonst vielleicht gar nicht soweit gegangen wäre,
wird es nicht wagen seiner strengen Gläubigerin diesen Wunsch abzuschlagen.
So fährt er mit nach Krakau, hört dort die verhetzenden Reden gegen das
Deutschtum, wird auf den weißen Adler vereidigt und kehrt als ein zielbewußter
Großpole zurück, er, der als ein politisch Indifferenter hingefahren war.

Oder es findet eine Versammlung des Sokolvereins oder der Straz statt.
Einige Kaufleute oder Hausbesitzer oder Bauunternehmer möchten gern den
Kredit der Bank Ludowy in Anspruch nehmen. Sie wissen, wenn es Katto-
witzer Bürger sind, daß der Vorsteher der Bank Ludowy in Kattowitz, Wcnzeslaus
Szczyperski, Starost des Strazvereins, Vorsteher des Sokolvereins, einflußreiches
Mitglied der Bank Budowlcma zu Kattowitz ist, wenn es Rybniker Bürger
sind, daß das Vorstandsmitglied der dortigen Bank Ludowy Dr. Bialy im
Sokolverein, Straz und Poinoc Nankowa eine führende Rolle spielt, was liegt
näher für die Kreditsuchcnden, als sich etwa in der Strazversammlung zu zeigen
und sich so der Geneigtheit des kreditgewährenden Bankoorstehers zu empfehlen.
Wie viel aber von der politischen Belehrung in dieser Versammlung bei dem
einzelnen Hörer hängen bleibt, das entzieht sich natürlich jeder Kontrolle.

So ergibt sich also das Resultat: Die Oberschlesier vor der Berührung mit
den polnischen Volksbanken bewahren, heißt, sie so und so oft von den politischen
Einflüssen der Polen fernhalten.

Wenn also das System der Negierung, in dein sich auf wirtschaftlichem
Gebiete abspielenden politischen Kampfe um die Ostmark mit Staatsmitteln ein¬
zugreifen, das richtige ist, — und daran kann in. E. nicht gezweifelt werden, —
so hat die Regierung diese Pflicht in Oberschlesien nicht minder als in Posen
und Westpreußen. Der Unterschied des Kampfes in den beiden Landesteilen


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[0337] Die polnischen volksbcmken in Gberschlesien kleinen Gefallen tun und bei der Reichstags- oder Landtags- oder Stadt¬ verordnetenwahl so wählen, wie dieser es gern wünscht, durchaus einleuchtend erscheint. Nun besteht aber, wie wir oben gesehen haben, eine engste Personal¬ union zwischen den Leitern der polnischen Banken und den polnischen politischen Führern, und so ist die Gefahr mehr als nahe, daß aus der wirt¬ schaftlichen Abhängigkeit die politische resultiert. Wo die polnischen politischen Führer durch Agitation und Presse allein nie Einfluß bekommen würden, dort bekommen sie ihn durch die Kredite der Banken Ludowy. Es gilt noch immer das Wort Philipps von Makedonien von dem mit Golde beladenen Esel, vor dein sich die Tore der festesten Burg öffnen. Die Hauptarrangeure der alljährlich zu Pfingsten veranstalteten politischen Wallfahrten nach Kraken und der Ausflüge nach den galizischen Klöstern sind Michael Nczepka in Kattowitz und Karl Piecha in Zaborze. Beide aber sind Vorstandsmitglieder jener der Bank Ludowy in Kattowitz, dieser der Bank Ludowy in Zaborze. Wie zwanglos mag sich da bei Abschluß eines Kreditgeschäfts oder gar bei der Stundung einer fälligen Abzahlung auf den Depotwechsel eine Einladung an den Schuldner einflechten lassen, doch an einer solchen Wallfahrt teilzunehmen. Der Schuldner aber, dessen politischer Eifer sonst vielleicht gar nicht soweit gegangen wäre, wird es nicht wagen seiner strengen Gläubigerin diesen Wunsch abzuschlagen. So fährt er mit nach Krakau, hört dort die verhetzenden Reden gegen das Deutschtum, wird auf den weißen Adler vereidigt und kehrt als ein zielbewußter Großpole zurück, er, der als ein politisch Indifferenter hingefahren war. Oder es findet eine Versammlung des Sokolvereins oder der Straz statt. Einige Kaufleute oder Hausbesitzer oder Bauunternehmer möchten gern den Kredit der Bank Ludowy in Anspruch nehmen. Sie wissen, wenn es Katto- witzer Bürger sind, daß der Vorsteher der Bank Ludowy in Kattowitz, Wcnzeslaus Szczyperski, Starost des Strazvereins, Vorsteher des Sokolvereins, einflußreiches Mitglied der Bank Budowlcma zu Kattowitz ist, wenn es Rybniker Bürger sind, daß das Vorstandsmitglied der dortigen Bank Ludowy Dr. Bialy im Sokolverein, Straz und Poinoc Nankowa eine führende Rolle spielt, was liegt näher für die Kreditsuchcnden, als sich etwa in der Strazversammlung zu zeigen und sich so der Geneigtheit des kreditgewährenden Bankoorstehers zu empfehlen. Wie viel aber von der politischen Belehrung in dieser Versammlung bei dem einzelnen Hörer hängen bleibt, das entzieht sich natürlich jeder Kontrolle. So ergibt sich also das Resultat: Die Oberschlesier vor der Berührung mit den polnischen Volksbanken bewahren, heißt, sie so und so oft von den politischen Einflüssen der Polen fernhalten. Wenn also das System der Negierung, in dein sich auf wirtschaftlichem Gebiete abspielenden politischen Kampfe um die Ostmark mit Staatsmitteln ein¬ zugreifen, das richtige ist, — und daran kann in. E. nicht gezweifelt werden, — so hat die Regierung diese Pflicht in Oberschlesien nicht minder als in Posen und Westpreußen. Der Unterschied des Kampfes in den beiden Landesteilen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/337>, abgerufen am 28.09.2024.