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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Die polnischen volksbankcn in Gbcrschlesien

greifen." Wie oft mögen diese geschäftsklugen Bankleiter dies gesagt haben,
wie geflissentlich mögen ihre Agenten diese Kunde ins Volk hinausgetragen
haben, und darum dieser rasche Siegeszug der Benken Ludonn) und darum die
wirtschaftlichen und moralischen Eroberungen, die das Polentum in Oberschlesien
gemacht hat. Der Geschäftssinn des Obcrschlesiers ist sehr entwickelt, und wer
ihm wirtschaftliche Vorteile bietet, dein wird er auch sehr leicht geneigt sein,
politisch zu folgen, wobei an den Druck, der durch die wirtschaftliche Abhängigkeit
des Kreditnehmers vom Kreditgeber ausgeübt werden kann, noch gar nicht
gedacht werden soll.

Die Lage des Nationalitätenkampfes im oberschlesischen Jndustriebezirke ist
folgende. Auf den oberschlesischen Arbeiter und den aus diesem Stande auf¬
steigenden kleineren Mittelstand wirken im polonisierenden Sinne die polnische
Sprache, die sie mit dein Großvolentum gemeinsam haben, eine eifrige und
rücksichtslose Agitation durch die Presse und durch Agitatoren aus dem eigenen
Stande und nicht zuletzt der Einfluß eines Teiles der Geistlichkeit. Gegenüber
allen diesen Momenten kommen als Gegengewicht für die deutsche Sache nur
in Betracht der Einfluß der Schule, der Militärzeit, der Krieger- und vielleicht
einiger anderer Vereine. Man wird anerkennen müssen, daß diese Momente
es an sich schon schwer haben, gegenüber so gewichtigen Einflüssen wie denen
der Sprache und Kirche die Wagschale zu halten. Fällt nun noch in die
polnische Schale das Gewicht der wirtschaftlichen Unterstützung, so kann es
keinem Zweifel unterliegen, daß diese Schale sinken und die des Deutschtums
steigen muß. In dem Sinne also ist es nur zu verstehen, wenn ich mit anderen,
die wir in den oberschlesischen Verhältnissen drin sitzen, die Forderung erheben,
daß auch deutscherseits Kreditmittel bereit gestellt werden, die den mittleren
und unteren Schichten des Volkes ebenso leicht und billig zugänglich sind wie
die Gelder der Banken Ludowy. Selbstverständlich bildet sich keiner von uns,
die wir diese Ansicht vertreten, ein, einen Vekturcmten oder Häusler dadurch
plötzlich zu einem guten Deutschen zu machen, daß ihm ein deutsches Institut
1000 Mark borgt, sondern es gilt nur der wirtschaftlichen Eroberungsarbeit
der Polen auf dem gleichen Gebiete zu begegnen. Es darf in der breiten
Masse der oberschlesischen Bevölkerung nicht die Empfindung aufkommen und
genährt werden! Was habt ihr von der preußischen Regierung und was von
den reichen deutschen Kreisen? der einzige, der euch kleinen Leuten hilft, ist doch
nur der Pole und die Bank Ludowy.

Ein Deutscher in dem politisch reiferen Mittel- oder Westdeutschland wird
sich durch die politische Gesinnung seines Bankiers oder Geldgebers in seinem
eigenen Wahlrecht nicht beeinflußt fühlen, und dieser wird es auch gar nicht
wagen, ihn: eine Wahl bestimmter politischer Farbe mit Rücksicht auf das zwischen
ihnen bestehende Geschäftsverhältnis anzuempfehlen. Der Durchschnittsoberschlesier
aber ist politisch so indifferent, daß ihm ein Gedankengang wie der: Die Bank
Ludowy hat dir wirtschaftlich geholfen, dafür kannst dn ihren: Vorstand den


Die polnischen volksbankcn in Gbcrschlesien

greifen." Wie oft mögen diese geschäftsklugen Bankleiter dies gesagt haben,
wie geflissentlich mögen ihre Agenten diese Kunde ins Volk hinausgetragen
haben, und darum dieser rasche Siegeszug der Benken Ludonn) und darum die
wirtschaftlichen und moralischen Eroberungen, die das Polentum in Oberschlesien
gemacht hat. Der Geschäftssinn des Obcrschlesiers ist sehr entwickelt, und wer
ihm wirtschaftliche Vorteile bietet, dein wird er auch sehr leicht geneigt sein,
politisch zu folgen, wobei an den Druck, der durch die wirtschaftliche Abhängigkeit
des Kreditnehmers vom Kreditgeber ausgeübt werden kann, noch gar nicht
gedacht werden soll.

Die Lage des Nationalitätenkampfes im oberschlesischen Jndustriebezirke ist
folgende. Auf den oberschlesischen Arbeiter und den aus diesem Stande auf¬
steigenden kleineren Mittelstand wirken im polonisierenden Sinne die polnische
Sprache, die sie mit dein Großvolentum gemeinsam haben, eine eifrige und
rücksichtslose Agitation durch die Presse und durch Agitatoren aus dem eigenen
Stande und nicht zuletzt der Einfluß eines Teiles der Geistlichkeit. Gegenüber
allen diesen Momenten kommen als Gegengewicht für die deutsche Sache nur
in Betracht der Einfluß der Schule, der Militärzeit, der Krieger- und vielleicht
einiger anderer Vereine. Man wird anerkennen müssen, daß diese Momente
es an sich schon schwer haben, gegenüber so gewichtigen Einflüssen wie denen
der Sprache und Kirche die Wagschale zu halten. Fällt nun noch in die
polnische Schale das Gewicht der wirtschaftlichen Unterstützung, so kann es
keinem Zweifel unterliegen, daß diese Schale sinken und die des Deutschtums
steigen muß. In dem Sinne also ist es nur zu verstehen, wenn ich mit anderen,
die wir in den oberschlesischen Verhältnissen drin sitzen, die Forderung erheben,
daß auch deutscherseits Kreditmittel bereit gestellt werden, die den mittleren
und unteren Schichten des Volkes ebenso leicht und billig zugänglich sind wie
die Gelder der Banken Ludowy. Selbstverständlich bildet sich keiner von uns,
die wir diese Ansicht vertreten, ein, einen Vekturcmten oder Häusler dadurch
plötzlich zu einem guten Deutschen zu machen, daß ihm ein deutsches Institut
1000 Mark borgt, sondern es gilt nur der wirtschaftlichen Eroberungsarbeit
der Polen auf dem gleichen Gebiete zu begegnen. Es darf in der breiten
Masse der oberschlesischen Bevölkerung nicht die Empfindung aufkommen und
genährt werden! Was habt ihr von der preußischen Regierung und was von
den reichen deutschen Kreisen? der einzige, der euch kleinen Leuten hilft, ist doch
nur der Pole und die Bank Ludowy.

Ein Deutscher in dem politisch reiferen Mittel- oder Westdeutschland wird
sich durch die politische Gesinnung seines Bankiers oder Geldgebers in seinem
eigenen Wahlrecht nicht beeinflußt fühlen, und dieser wird es auch gar nicht
wagen, ihn: eine Wahl bestimmter politischer Farbe mit Rücksicht auf das zwischen
ihnen bestehende Geschäftsverhältnis anzuempfehlen. Der Durchschnittsoberschlesier
aber ist politisch so indifferent, daß ihm ein Gedankengang wie der: Die Bank
Ludowy hat dir wirtschaftlich geholfen, dafür kannst dn ihren: Vorstand den


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[0336] Die polnischen volksbankcn in Gbcrschlesien greifen." Wie oft mögen diese geschäftsklugen Bankleiter dies gesagt haben, wie geflissentlich mögen ihre Agenten diese Kunde ins Volk hinausgetragen haben, und darum dieser rasche Siegeszug der Benken Ludonn) und darum die wirtschaftlichen und moralischen Eroberungen, die das Polentum in Oberschlesien gemacht hat. Der Geschäftssinn des Obcrschlesiers ist sehr entwickelt, und wer ihm wirtschaftliche Vorteile bietet, dein wird er auch sehr leicht geneigt sein, politisch zu folgen, wobei an den Druck, der durch die wirtschaftliche Abhängigkeit des Kreditnehmers vom Kreditgeber ausgeübt werden kann, noch gar nicht gedacht werden soll. Die Lage des Nationalitätenkampfes im oberschlesischen Jndustriebezirke ist folgende. Auf den oberschlesischen Arbeiter und den aus diesem Stande auf¬ steigenden kleineren Mittelstand wirken im polonisierenden Sinne die polnische Sprache, die sie mit dein Großvolentum gemeinsam haben, eine eifrige und rücksichtslose Agitation durch die Presse und durch Agitatoren aus dem eigenen Stande und nicht zuletzt der Einfluß eines Teiles der Geistlichkeit. Gegenüber allen diesen Momenten kommen als Gegengewicht für die deutsche Sache nur in Betracht der Einfluß der Schule, der Militärzeit, der Krieger- und vielleicht einiger anderer Vereine. Man wird anerkennen müssen, daß diese Momente es an sich schon schwer haben, gegenüber so gewichtigen Einflüssen wie denen der Sprache und Kirche die Wagschale zu halten. Fällt nun noch in die polnische Schale das Gewicht der wirtschaftlichen Unterstützung, so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß diese Schale sinken und die des Deutschtums steigen muß. In dem Sinne also ist es nur zu verstehen, wenn ich mit anderen, die wir in den oberschlesischen Verhältnissen drin sitzen, die Forderung erheben, daß auch deutscherseits Kreditmittel bereit gestellt werden, die den mittleren und unteren Schichten des Volkes ebenso leicht und billig zugänglich sind wie die Gelder der Banken Ludowy. Selbstverständlich bildet sich keiner von uns, die wir diese Ansicht vertreten, ein, einen Vekturcmten oder Häusler dadurch plötzlich zu einem guten Deutschen zu machen, daß ihm ein deutsches Institut 1000 Mark borgt, sondern es gilt nur der wirtschaftlichen Eroberungsarbeit der Polen auf dem gleichen Gebiete zu begegnen. Es darf in der breiten Masse der oberschlesischen Bevölkerung nicht die Empfindung aufkommen und genährt werden! Was habt ihr von der preußischen Regierung und was von den reichen deutschen Kreisen? der einzige, der euch kleinen Leuten hilft, ist doch nur der Pole und die Bank Ludowy. Ein Deutscher in dem politisch reiferen Mittel- oder Westdeutschland wird sich durch die politische Gesinnung seines Bankiers oder Geldgebers in seinem eigenen Wahlrecht nicht beeinflußt fühlen, und dieser wird es auch gar nicht wagen, ihn: eine Wahl bestimmter politischer Farbe mit Rücksicht auf das zwischen ihnen bestehende Geschäftsverhältnis anzuempfehlen. Der Durchschnittsoberschlesier aber ist politisch so indifferent, daß ihm ein Gedankengang wie der: Die Bank Ludowy hat dir wirtschaftlich geholfen, dafür kannst dn ihren: Vorstand den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/336>, abgerufen am 29.06.2024.