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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Fidcikomnusse

dänischen Norden die politische und soziale Bedeutung des Großgrundbesitzes
untergraben und erstickt! Und eben jetzt sehen wir diese neue, üppig empor-
geblühte Bauernkultur einen Kampf ans Leben und Tod sichren mit den
Elementen des städtischen Radikalismus, der seinerseits wieder das alte Ziel
verfolgt: nee-toi. que le in'^ mette. Der Stein ist im Rollen!

Sehen wir aber in den Fideikommissen den festen Kern, den Hort des
Großgrundbesitzes in schweren Zeiten und seine beste Blüte in guten, so erhalt der,
der an seiner Bewahrung arbeitet, uns zugleich den kostbaren, ethischen Faktor
des Landlebens, von dem ich Sie soeben unterhalten habe. Und wenn wir
einmal zu einem guten, einem politischen Zweck mit unseren gemeinnützigen
Werten brillieren wollen, so verstecken wir doch nicht unsere klarsten und feurigsten
Brillanten in der Kommodenschieblade und warten in einer dürftigen Statistik
mit kleinen "Dernburgs" auf.

Eigentlich sollten dies nur Vorbemerkungen gewesen sein und die Haupt¬
sache sollte nun kommen. Aber ich kenne Ihre Ungeduld; ich mache es um¬
gekehrt und werde nun knapp wie Hermann Krauses Buch. Was haben wir
von einer staatlichen Fideikommißreform zu fürchten, wogegen müssen wir uns
wehren?

Also, erstens keine Teilnahme der Familie an der Verwaltung! Aberglaube,
nichts als Aberglaube ist es, Fideikommisse wären eine Familieueiurichtung.
Sie sind nichts als eine Staudeseiurichtung, eine Einrichtung des Großgrund¬
besitzes, eine Wehr gegen seinen Zerfall, oft gegründet von den letzten Männern
aussterbender Geschlechter. Oder ist etwa die Krone eine dynastische und keine
Staatseinrichtung, bloß weil die Dynastie Sukzessions- und einige andere Rechte
hat? Nur keine überlebten lehnrechtlichen Anwandlungen von gesamter Hand
in einem modernen Fideikommißgesetz, nur nicht den Fehler einiger Landes¬
rechte und Statuten wiederholen! Jüngere Vettern, alte Generale ohne Aussicht,
je zu sukzedieren -- denn Seitenlinien sterben meistens aus --, mit einer
dilettantischen Aufsicht betrauen über den besser unterrichteten Besitzer? Warum
nicht aus der Geschichte lernen, daß dies nichts als Unzulänglichkeit, Stillstand,
ja Korruption bedeutet? Agnatenkonsense sind eine hochbezahlte Ware. Gerne
eine Aufsicht über den Besitzer, aber nur durch Standesgenossen, was die
Familienglieder oft gar nicht sind, gerne ein Exekutorensystem von Fremden,
aber nur von Fremden. Ausgeschlossen sei ein Kurator aus der Familie, schon
wegen des Familienfriedens. Wie war es mit den Stammgütern des alten
deutschen Rechtes? Wollte der Besitzer sie veräußern oder belasten, so ging es
nicht ohne Vollwort der rechten Erben. Das war alles! Und ein Gesetz von
heute wollte weitergehen, wollte den Besitz des Einzelnen zu einer Verwaltung
für eine Genossenschaft Herabdrücken? Heute, wo alles darauf ankommt, keine
Quelle zu verstopfen, aus der männliche Unabhängigkeit fließen kann!

Ferner Erhaltung der Geldfideikommisse! Was sie als Betriebsfonds in
unserer kapitalbedürftigen Zeit für freien und gebundenen Großbesitz bedeuten,


Grenzboten II 1910 . 3
Fidcikomnusse

dänischen Norden die politische und soziale Bedeutung des Großgrundbesitzes
untergraben und erstickt! Und eben jetzt sehen wir diese neue, üppig empor-
geblühte Bauernkultur einen Kampf ans Leben und Tod sichren mit den
Elementen des städtischen Radikalismus, der seinerseits wieder das alte Ziel
verfolgt: nee-toi. que le in'^ mette. Der Stein ist im Rollen!

Sehen wir aber in den Fideikommissen den festen Kern, den Hort des
Großgrundbesitzes in schweren Zeiten und seine beste Blüte in guten, so erhalt der,
der an seiner Bewahrung arbeitet, uns zugleich den kostbaren, ethischen Faktor
des Landlebens, von dem ich Sie soeben unterhalten habe. Und wenn wir
einmal zu einem guten, einem politischen Zweck mit unseren gemeinnützigen
Werten brillieren wollen, so verstecken wir doch nicht unsere klarsten und feurigsten
Brillanten in der Kommodenschieblade und warten in einer dürftigen Statistik
mit kleinen „Dernburgs" auf.

Eigentlich sollten dies nur Vorbemerkungen gewesen sein und die Haupt¬
sache sollte nun kommen. Aber ich kenne Ihre Ungeduld; ich mache es um¬
gekehrt und werde nun knapp wie Hermann Krauses Buch. Was haben wir
von einer staatlichen Fideikommißreform zu fürchten, wogegen müssen wir uns
wehren?

Also, erstens keine Teilnahme der Familie an der Verwaltung! Aberglaube,
nichts als Aberglaube ist es, Fideikommisse wären eine Familieueiurichtung.
Sie sind nichts als eine Staudeseiurichtung, eine Einrichtung des Großgrund¬
besitzes, eine Wehr gegen seinen Zerfall, oft gegründet von den letzten Männern
aussterbender Geschlechter. Oder ist etwa die Krone eine dynastische und keine
Staatseinrichtung, bloß weil die Dynastie Sukzessions- und einige andere Rechte
hat? Nur keine überlebten lehnrechtlichen Anwandlungen von gesamter Hand
in einem modernen Fideikommißgesetz, nur nicht den Fehler einiger Landes¬
rechte und Statuten wiederholen! Jüngere Vettern, alte Generale ohne Aussicht,
je zu sukzedieren — denn Seitenlinien sterben meistens aus —, mit einer
dilettantischen Aufsicht betrauen über den besser unterrichteten Besitzer? Warum
nicht aus der Geschichte lernen, daß dies nichts als Unzulänglichkeit, Stillstand,
ja Korruption bedeutet? Agnatenkonsense sind eine hochbezahlte Ware. Gerne
eine Aufsicht über den Besitzer, aber nur durch Standesgenossen, was die
Familienglieder oft gar nicht sind, gerne ein Exekutorensystem von Fremden,
aber nur von Fremden. Ausgeschlossen sei ein Kurator aus der Familie, schon
wegen des Familienfriedens. Wie war es mit den Stammgütern des alten
deutschen Rechtes? Wollte der Besitzer sie veräußern oder belasten, so ging es
nicht ohne Vollwort der rechten Erben. Das war alles! Und ein Gesetz von
heute wollte weitergehen, wollte den Besitz des Einzelnen zu einer Verwaltung
für eine Genossenschaft Herabdrücken? Heute, wo alles darauf ankommt, keine
Quelle zu verstopfen, aus der männliche Unabhängigkeit fließen kann!

Ferner Erhaltung der Geldfideikommisse! Was sie als Betriebsfonds in
unserer kapitalbedürftigen Zeit für freien und gebundenen Großbesitz bedeuten,


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[0029] Fidcikomnusse dänischen Norden die politische und soziale Bedeutung des Großgrundbesitzes untergraben und erstickt! Und eben jetzt sehen wir diese neue, üppig empor- geblühte Bauernkultur einen Kampf ans Leben und Tod sichren mit den Elementen des städtischen Radikalismus, der seinerseits wieder das alte Ziel verfolgt: nee-toi. que le in'^ mette. Der Stein ist im Rollen! Sehen wir aber in den Fideikommissen den festen Kern, den Hort des Großgrundbesitzes in schweren Zeiten und seine beste Blüte in guten, so erhalt der, der an seiner Bewahrung arbeitet, uns zugleich den kostbaren, ethischen Faktor des Landlebens, von dem ich Sie soeben unterhalten habe. Und wenn wir einmal zu einem guten, einem politischen Zweck mit unseren gemeinnützigen Werten brillieren wollen, so verstecken wir doch nicht unsere klarsten und feurigsten Brillanten in der Kommodenschieblade und warten in einer dürftigen Statistik mit kleinen „Dernburgs" auf. Eigentlich sollten dies nur Vorbemerkungen gewesen sein und die Haupt¬ sache sollte nun kommen. Aber ich kenne Ihre Ungeduld; ich mache es um¬ gekehrt und werde nun knapp wie Hermann Krauses Buch. Was haben wir von einer staatlichen Fideikommißreform zu fürchten, wogegen müssen wir uns wehren? Also, erstens keine Teilnahme der Familie an der Verwaltung! Aberglaube, nichts als Aberglaube ist es, Fideikommisse wären eine Familieueiurichtung. Sie sind nichts als eine Staudeseiurichtung, eine Einrichtung des Großgrund¬ besitzes, eine Wehr gegen seinen Zerfall, oft gegründet von den letzten Männern aussterbender Geschlechter. Oder ist etwa die Krone eine dynastische und keine Staatseinrichtung, bloß weil die Dynastie Sukzessions- und einige andere Rechte hat? Nur keine überlebten lehnrechtlichen Anwandlungen von gesamter Hand in einem modernen Fideikommißgesetz, nur nicht den Fehler einiger Landes¬ rechte und Statuten wiederholen! Jüngere Vettern, alte Generale ohne Aussicht, je zu sukzedieren — denn Seitenlinien sterben meistens aus —, mit einer dilettantischen Aufsicht betrauen über den besser unterrichteten Besitzer? Warum nicht aus der Geschichte lernen, daß dies nichts als Unzulänglichkeit, Stillstand, ja Korruption bedeutet? Agnatenkonsense sind eine hochbezahlte Ware. Gerne eine Aufsicht über den Besitzer, aber nur durch Standesgenossen, was die Familienglieder oft gar nicht sind, gerne ein Exekutorensystem von Fremden, aber nur von Fremden. Ausgeschlossen sei ein Kurator aus der Familie, schon wegen des Familienfriedens. Wie war es mit den Stammgütern des alten deutschen Rechtes? Wollte der Besitzer sie veräußern oder belasten, so ging es nicht ohne Vollwort der rechten Erben. Das war alles! Und ein Gesetz von heute wollte weitergehen, wollte den Besitz des Einzelnen zu einer Verwaltung für eine Genossenschaft Herabdrücken? Heute, wo alles darauf ankommt, keine Quelle zu verstopfen, aus der männliche Unabhängigkeit fließen kann! Ferner Erhaltung der Geldfideikommisse! Was sie als Betriebsfonds in unserer kapitalbedürftigen Zeit für freien und gebundenen Großbesitz bedeuten, Grenzboten II 1910 . 3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/29>, abgerufen am 29.06.2024.