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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Fideikommisso

und Ärger, aber nicht mehr Einfluß und Freude lassen. Mit wie bitteren
Empfindungen haben wir die "Lehrergesetzgebung" aufwachsen sehen, die ein
ungenannter Verfasser in den "Grenzboten" neulich so treffend gebrandmarkt
hat. Nein, eine Statistik gäbe, darüber sind Sie mit mir einig, lieber Freund,
nur ein armseliges, dürftiges Bild von alledem, was wir auf unseren Fidei-
kommissen gemeinnützig schaffen und wovon sich das Beste in ein Schlagwort
zusammenfassen läßt. Glauben Sie mir, von allen unseren gemeinnützigen
Einrichtungen ist und bleibt die beste: Die Frauen und Töchter- unserer
Gutsherren.

Beglückender und erquickender als aus ihren Händen strömt kein sozialer
Segen über die weiten Gefilde des platten Landes. Höchstens mit der
Diakonisse am Krankenbett darf ich sie vergleichen. Engel oft schon in der
äußeren Erscheinung, viel öfter in ihreni Denken und Fühlen gehen sie durch
ihre kleinen Königreiche und üben mit unnachahmlichen Takt für Maß und Art
der Gabe die königliche Kunst des sozialen Ausgleichs, in ihrer reinen und
warmen Menschenliebe die beste Rechtfertigung für Reichtum und blaues Blut.
In den Herzen unserer Frauen und Töchter liegt der Gipfel der gemeinnützigen
fideikommissarischen Tätigkeit. Ihren täglichen reichen Segen erfaßt keine
Statistik, und doch ist er so sehr Wirklichkeit, anschauliche Wirklichkeit, daß ich
wohl in einer guten Stunde ihn mit so mariner Beredsamkeit darzulegen mir
getrauen wollte, daß er selbst auf die Krokodilherzen hartgesottener Parlamentarier
mindestens ebensoviel Eindruck machen sollte, wie die zahlenreichste Statistik mit
allen ihren Nullen. Denn allenthalben werden deutsche Männerherzen weich,
wo deutsche Frauen gerühmt werden.

Große Umwälzungen haben zu allen Zeiten segensreiche Formen unter
ihren Trümmern mit begraben. So sind mit der katholischen Kirche in den
von der Reformation erfaßten Ländern ohne Zweifel bestimmte Arten sozialen
Segens für immer oder für Jahrhunderte verschwunden. Keiner, der sich ernstlich
mit Dingen, wie z. B. organisierter männlicher Liebestätigkeit, beschäftigt hat,
kann das ernstlich bestreiten. So auch würde in demselben Augenblick, wo
der Großgrundbesitz zertrümmert, wo das Reich von Norden nach Süden, von
Osten nach Westen nur noch ein einziges Bauerland wäre, jene lichte Blüte deutschen
Kulturlebens, jener wertvolle Quell sozialen Segens auf dem platten Lande für
immer verdorrt sein oder doch für Jahrhunderte. Unersetzlich durch eine hohe
Kultur von Körper und Seele, Geist und Herz, unersetzlich durch Heimatsgefühl
und vererbte Erfahrung, ein einzigartiger Typ von unvergleichbarer Wirkung,
würden die deutschen Gutsherrinnen und ihre Töchter ausgeschaltet sein aus
dem ländlichen Volksleben, eine Quelle des Lichtes und des Segens.

Blicken wir nur auf die wenigen Güter, die ein unseliger Stern in die
Hände von Hagestolzen gespielt hat, auf die anderen, deren Besitzer leider,
leider städtischen Wohnsitz nehmen; und wir sind belehrt! Oder blicken wir
weiter! In einem halben Jahrhundert hat die zielbewußteste Banernpolitik im


Fideikommisso

und Ärger, aber nicht mehr Einfluß und Freude lassen. Mit wie bitteren
Empfindungen haben wir die „Lehrergesetzgebung" aufwachsen sehen, die ein
ungenannter Verfasser in den „Grenzboten" neulich so treffend gebrandmarkt
hat. Nein, eine Statistik gäbe, darüber sind Sie mit mir einig, lieber Freund,
nur ein armseliges, dürftiges Bild von alledem, was wir auf unseren Fidei-
kommissen gemeinnützig schaffen und wovon sich das Beste in ein Schlagwort
zusammenfassen läßt. Glauben Sie mir, von allen unseren gemeinnützigen
Einrichtungen ist und bleibt die beste: Die Frauen und Töchter- unserer
Gutsherren.

Beglückender und erquickender als aus ihren Händen strömt kein sozialer
Segen über die weiten Gefilde des platten Landes. Höchstens mit der
Diakonisse am Krankenbett darf ich sie vergleichen. Engel oft schon in der
äußeren Erscheinung, viel öfter in ihreni Denken und Fühlen gehen sie durch
ihre kleinen Königreiche und üben mit unnachahmlichen Takt für Maß und Art
der Gabe die königliche Kunst des sozialen Ausgleichs, in ihrer reinen und
warmen Menschenliebe die beste Rechtfertigung für Reichtum und blaues Blut.
In den Herzen unserer Frauen und Töchter liegt der Gipfel der gemeinnützigen
fideikommissarischen Tätigkeit. Ihren täglichen reichen Segen erfaßt keine
Statistik, und doch ist er so sehr Wirklichkeit, anschauliche Wirklichkeit, daß ich
wohl in einer guten Stunde ihn mit so mariner Beredsamkeit darzulegen mir
getrauen wollte, daß er selbst auf die Krokodilherzen hartgesottener Parlamentarier
mindestens ebensoviel Eindruck machen sollte, wie die zahlenreichste Statistik mit
allen ihren Nullen. Denn allenthalben werden deutsche Männerherzen weich,
wo deutsche Frauen gerühmt werden.

Große Umwälzungen haben zu allen Zeiten segensreiche Formen unter
ihren Trümmern mit begraben. So sind mit der katholischen Kirche in den
von der Reformation erfaßten Ländern ohne Zweifel bestimmte Arten sozialen
Segens für immer oder für Jahrhunderte verschwunden. Keiner, der sich ernstlich
mit Dingen, wie z. B. organisierter männlicher Liebestätigkeit, beschäftigt hat,
kann das ernstlich bestreiten. So auch würde in demselben Augenblick, wo
der Großgrundbesitz zertrümmert, wo das Reich von Norden nach Süden, von
Osten nach Westen nur noch ein einziges Bauerland wäre, jene lichte Blüte deutschen
Kulturlebens, jener wertvolle Quell sozialen Segens auf dem platten Lande für
immer verdorrt sein oder doch für Jahrhunderte. Unersetzlich durch eine hohe
Kultur von Körper und Seele, Geist und Herz, unersetzlich durch Heimatsgefühl
und vererbte Erfahrung, ein einzigartiger Typ von unvergleichbarer Wirkung,
würden die deutschen Gutsherrinnen und ihre Töchter ausgeschaltet sein aus
dem ländlichen Volksleben, eine Quelle des Lichtes und des Segens.

Blicken wir nur auf die wenigen Güter, die ein unseliger Stern in die
Hände von Hagestolzen gespielt hat, auf die anderen, deren Besitzer leider,
leider städtischen Wohnsitz nehmen; und wir sind belehrt! Oder blicken wir
weiter! In einem halben Jahrhundert hat die zielbewußteste Banernpolitik im


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[0028] Fideikommisso und Ärger, aber nicht mehr Einfluß und Freude lassen. Mit wie bitteren Empfindungen haben wir die „Lehrergesetzgebung" aufwachsen sehen, die ein ungenannter Verfasser in den „Grenzboten" neulich so treffend gebrandmarkt hat. Nein, eine Statistik gäbe, darüber sind Sie mit mir einig, lieber Freund, nur ein armseliges, dürftiges Bild von alledem, was wir auf unseren Fidei- kommissen gemeinnützig schaffen und wovon sich das Beste in ein Schlagwort zusammenfassen läßt. Glauben Sie mir, von allen unseren gemeinnützigen Einrichtungen ist und bleibt die beste: Die Frauen und Töchter- unserer Gutsherren. Beglückender und erquickender als aus ihren Händen strömt kein sozialer Segen über die weiten Gefilde des platten Landes. Höchstens mit der Diakonisse am Krankenbett darf ich sie vergleichen. Engel oft schon in der äußeren Erscheinung, viel öfter in ihreni Denken und Fühlen gehen sie durch ihre kleinen Königreiche und üben mit unnachahmlichen Takt für Maß und Art der Gabe die königliche Kunst des sozialen Ausgleichs, in ihrer reinen und warmen Menschenliebe die beste Rechtfertigung für Reichtum und blaues Blut. In den Herzen unserer Frauen und Töchter liegt der Gipfel der gemeinnützigen fideikommissarischen Tätigkeit. Ihren täglichen reichen Segen erfaßt keine Statistik, und doch ist er so sehr Wirklichkeit, anschauliche Wirklichkeit, daß ich wohl in einer guten Stunde ihn mit so mariner Beredsamkeit darzulegen mir getrauen wollte, daß er selbst auf die Krokodilherzen hartgesottener Parlamentarier mindestens ebensoviel Eindruck machen sollte, wie die zahlenreichste Statistik mit allen ihren Nullen. Denn allenthalben werden deutsche Männerherzen weich, wo deutsche Frauen gerühmt werden. Große Umwälzungen haben zu allen Zeiten segensreiche Formen unter ihren Trümmern mit begraben. So sind mit der katholischen Kirche in den von der Reformation erfaßten Ländern ohne Zweifel bestimmte Arten sozialen Segens für immer oder für Jahrhunderte verschwunden. Keiner, der sich ernstlich mit Dingen, wie z. B. organisierter männlicher Liebestätigkeit, beschäftigt hat, kann das ernstlich bestreiten. So auch würde in demselben Augenblick, wo der Großgrundbesitz zertrümmert, wo das Reich von Norden nach Süden, von Osten nach Westen nur noch ein einziges Bauerland wäre, jene lichte Blüte deutschen Kulturlebens, jener wertvolle Quell sozialen Segens auf dem platten Lande für immer verdorrt sein oder doch für Jahrhunderte. Unersetzlich durch eine hohe Kultur von Körper und Seele, Geist und Herz, unersetzlich durch Heimatsgefühl und vererbte Erfahrung, ein einzigartiger Typ von unvergleichbarer Wirkung, würden die deutschen Gutsherrinnen und ihre Töchter ausgeschaltet sein aus dem ländlichen Volksleben, eine Quelle des Lichtes und des Segens. Blicken wir nur auf die wenigen Güter, die ein unseliger Stern in die Hände von Hagestolzen gespielt hat, auf die anderen, deren Besitzer leider, leider städtischen Wohnsitz nehmen; und wir sind belehrt! Oder blicken wir weiter! In einem halben Jahrhundert hat die zielbewußteste Banernpolitik im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/28>, abgerufen am 29.06.2024.