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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Fideikommisse

hat Krause so erschöpfend gezeigt, was sie geleistet haben in den Landesterlen,
wo sie üblich und reichlich'sind, wie bei uns, das wissen Sie selber so gut,
daß ich kein Wort weiter verliere.

Keine laufende staatliche Forstaufsicht! Krauses Buch zeigt unwiderleglich,
wie ausgezeichnet die Fideikonnnisse irr ganzen ihren Wald pflegen, und für ein
paar Ausnahmen ändert man nicht das System einer Gesetzgebung. Nur nicht
immer hastig verallgemeinern, aus einer Mücke einen Elefanten machen I Es
geht auch ohne Nerven. Als ob die staatlichen Forstbeamten es fertig brächten,
gesunde Betriebspläne für Privatforsten aufzustellen; das haben sie gar nicht
gelernt. In Privatforsten, nur ganz große ausgenommen, entscheidet die
Konjunktur, in staatlichen die täglich revisionsfähige Betriebsordnung über die
Hauung; in jenen haben Liebhaberei, Heimatpflcge, Landschaftsschutz, geschicht¬
liche Erinnerung hervorragende Rechte. Der Staatsforst ist der einseitigste, der
Privatforst der vielseitigste Organismus, der sich denken läßt. Welche Bau¬
tätigkeit, welche Naturallöhne soll der Privatwald befriedigen und auf sie ein¬
gerichtet sein. Einen von der übrigen Landeskultur isolierten Wald kennt das
Gut uicht, die Entwicklung der Staatsforsten seit hundert Jahren hat er mit
Recht nur technisch mitgemacht. Soll es dem Besitzer verwehrt sein, große
Waldreserven von abnehmenden: Zuwachs seinem' Nachfolger lieber als sich
selber zu gönnen, soll er beschränkt sein, einmal starke Einschlüge zu machen in
kurzer Zeit, um hohe Schüldenzinsen zu vermeiden? Der Wald soll der Aus¬
gleich seiner Privatbilauz sein. Aber staatliche Hauungspläne, festgelegt auf
Jahrzehnte, ach du liebe Zeit! Gerne außerordentliche Revisionen durch Staats¬
forstbeamte. Die werden schon heute freiwillig und äußerst segensreich gepflegt.
Aber sich auf seinem unzweifelhaften Eigentum vom Oberförster jährlich die Bäume
anzeichnen zu lassen, die man hauen soll, als wäre man eine Landgemeinde.
Ach nein, nur mit eigener Verantwortung ist Berufsfreudigkeit und aufrechte
Haltung vereinbar. Eine Säkularisation verbitten wir uns höflichst.

Viertens Erhaltung der internationalen Fideikonnnisse. Seit den Kreuz¬
zügen hat den Adel der gesitteten Welt ein gemeinsames, oft durch Heiraten
befestigtes Band umschlungen. Ohnedem hätten einst spanische und französische,
jetzt englische und amerikanische Sitten nie so tief bei uns eindringen können.
Das ist vielleicht unerwünscht, aber dieselbe Ursache hat auch gute Folgen.
Gerade die Besitzer großer, über mehrere Staaten erstreckter Fideikonnnisse sind
geborene und feinfühlige Diplomaten, in schwierigen Zeiten oft ohne amtliche
Stellung das wertvollste Mittel der Verständigung für unsere auswärtige Politik.
Hier ist einmal ein Fall, eine Rechtseinrichtung nicht mit engen nationalen
Schranken zu umziehen, sondern zu bedenken, daß die Gesellschaft auf ihren
Höhen weiter greift als der Staat.

Keine kleinen Fideikonnnisse als Neugründungen. Die Lebenszeit des
Besitzers muß ausreichen, eine stcindesmäßige Abfindung für die nachgeborenen
Kinder aufzusammeln.


Fideikommisse

hat Krause so erschöpfend gezeigt, was sie geleistet haben in den Landesterlen,
wo sie üblich und reichlich'sind, wie bei uns, das wissen Sie selber so gut,
daß ich kein Wort weiter verliere.

Keine laufende staatliche Forstaufsicht! Krauses Buch zeigt unwiderleglich,
wie ausgezeichnet die Fideikonnnisse irr ganzen ihren Wald pflegen, und für ein
paar Ausnahmen ändert man nicht das System einer Gesetzgebung. Nur nicht
immer hastig verallgemeinern, aus einer Mücke einen Elefanten machen I Es
geht auch ohne Nerven. Als ob die staatlichen Forstbeamten es fertig brächten,
gesunde Betriebspläne für Privatforsten aufzustellen; das haben sie gar nicht
gelernt. In Privatforsten, nur ganz große ausgenommen, entscheidet die
Konjunktur, in staatlichen die täglich revisionsfähige Betriebsordnung über die
Hauung; in jenen haben Liebhaberei, Heimatpflcge, Landschaftsschutz, geschicht¬
liche Erinnerung hervorragende Rechte. Der Staatsforst ist der einseitigste, der
Privatforst der vielseitigste Organismus, der sich denken läßt. Welche Bau¬
tätigkeit, welche Naturallöhne soll der Privatwald befriedigen und auf sie ein¬
gerichtet sein. Einen von der übrigen Landeskultur isolierten Wald kennt das
Gut uicht, die Entwicklung der Staatsforsten seit hundert Jahren hat er mit
Recht nur technisch mitgemacht. Soll es dem Besitzer verwehrt sein, große
Waldreserven von abnehmenden: Zuwachs seinem' Nachfolger lieber als sich
selber zu gönnen, soll er beschränkt sein, einmal starke Einschlüge zu machen in
kurzer Zeit, um hohe Schüldenzinsen zu vermeiden? Der Wald soll der Aus¬
gleich seiner Privatbilauz sein. Aber staatliche Hauungspläne, festgelegt auf
Jahrzehnte, ach du liebe Zeit! Gerne außerordentliche Revisionen durch Staats¬
forstbeamte. Die werden schon heute freiwillig und äußerst segensreich gepflegt.
Aber sich auf seinem unzweifelhaften Eigentum vom Oberförster jährlich die Bäume
anzeichnen zu lassen, die man hauen soll, als wäre man eine Landgemeinde.
Ach nein, nur mit eigener Verantwortung ist Berufsfreudigkeit und aufrechte
Haltung vereinbar. Eine Säkularisation verbitten wir uns höflichst.

Viertens Erhaltung der internationalen Fideikonnnisse. Seit den Kreuz¬
zügen hat den Adel der gesitteten Welt ein gemeinsames, oft durch Heiraten
befestigtes Band umschlungen. Ohnedem hätten einst spanische und französische,
jetzt englische und amerikanische Sitten nie so tief bei uns eindringen können.
Das ist vielleicht unerwünscht, aber dieselbe Ursache hat auch gute Folgen.
Gerade die Besitzer großer, über mehrere Staaten erstreckter Fideikonnnisse sind
geborene und feinfühlige Diplomaten, in schwierigen Zeiten oft ohne amtliche
Stellung das wertvollste Mittel der Verständigung für unsere auswärtige Politik.
Hier ist einmal ein Fall, eine Rechtseinrichtung nicht mit engen nationalen
Schranken zu umziehen, sondern zu bedenken, daß die Gesellschaft auf ihren
Höhen weiter greift als der Staat.

Keine kleinen Fideikonnnisse als Neugründungen. Die Lebenszeit des
Besitzers muß ausreichen, eine stcindesmäßige Abfindung für die nachgeborenen
Kinder aufzusammeln.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/30>, abgerufen am 29.06.2024.