Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.Im Kampf gegen die Übermacht Seele eingeprägt war; und wie er ausgeschlossen war von der Gemeinschaft mit Und der alte Herr würde ihn verstehen. Und das war sein grenzenloses ----Was würde er ihm antworten? Der Weg ward ihm schwer; denn es ging die ganze Zeit hindurch unmerklich Der alte Herr würde sanfte und gute Worte reden. "Die höchste Gerechtigkeit ist immer Vergebung!" Und mochte es heidnisch, gottlos, hurtig und verwerflich sein, -- er wußte Seine Rettung jetzt -- war die Barmherzigkeit des Alten! Es ging mit wachsender Eile. Seit langer Zeit hatte er seine Körperkräfte Jetzt ging er, Gottes Prediger und Diener, zermartert und gehetzt, um Trost Und er ließ sich nicht zurückhalten. Und wenn sich auch der Herr Wider ihn Endlich glitt er in den kleinen Hofplatz im Walde hinein. Lautlose Stille herrschte. Die Hunde bellten nicht da drinnen. Der Schnee Herr Johannes war ausgegangen. Aber er wollte warten. Wollte Feuer anmachen und warten, wenn es auch Er schnallte die Schneeschuhe ab und stellte sie gegen die Hauswart. Dann Eine bitterliche Kälte herrschte im Zimmer. Gedämpft sickerte das Licht durch Alles stand wie sonst. Stühle, Tische. Auf der Herdstelle lagen Kohlen und Sören Römer schwankte und stützte sich gegen die Wand. Die Haare standen Im Bett lag des Einsiedlers steifgefrorene Leiche. Am Abend kam er an den Fjord hinab. Als er in das Haus trat, wo die Er sank auf eine Bank nieder und nur mit Anstrengung vermochte er zu Sie mußten ihn stützen auf dem Wege bis ans Boot. Und dann ruderten sie heimwärts. Im Kampf gegen die Übermacht Seele eingeprägt war; und wie er ausgeschlossen war von der Gemeinschaft mit Und der alte Herr würde ihn verstehen. Und das war sein grenzenloses —--Was würde er ihm antworten? Der Weg ward ihm schwer; denn es ging die ganze Zeit hindurch unmerklich Der alte Herr würde sanfte und gute Worte reden. „Die höchste Gerechtigkeit ist immer Vergebung!" Und mochte es heidnisch, gottlos, hurtig und verwerflich sein, — er wußte Seine Rettung jetzt — war die Barmherzigkeit des Alten! Es ging mit wachsender Eile. Seit langer Zeit hatte er seine Körperkräfte Jetzt ging er, Gottes Prediger und Diener, zermartert und gehetzt, um Trost Und er ließ sich nicht zurückhalten. Und wenn sich auch der Herr Wider ihn Endlich glitt er in den kleinen Hofplatz im Walde hinein. Lautlose Stille herrschte. Die Hunde bellten nicht da drinnen. Der Schnee Herr Johannes war ausgegangen. Aber er wollte warten. Wollte Feuer anmachen und warten, wenn es auch Er schnallte die Schneeschuhe ab und stellte sie gegen die Hauswart. Dann Eine bitterliche Kälte herrschte im Zimmer. Gedämpft sickerte das Licht durch Alles stand wie sonst. Stühle, Tische. Auf der Herdstelle lagen Kohlen und Sören Römer schwankte und stützte sich gegen die Wand. Die Haare standen Im Bett lag des Einsiedlers steifgefrorene Leiche. Am Abend kam er an den Fjord hinab. 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Im Kampf gegen die Übermacht
Seele eingeprägt war; und wie er ausgeschlossen war von der Gemeinschaft mit
Gott und in Finsternis und Verzweiflung umherschwankte wie ein Boot ohne
Steuer, wie ein Leib ohne Seele.
Und der alte Herr würde ihn verstehen. Und das war sein grenzenloses
Verlangen: ein Mitmensch, der ihn verstand!
—--Was würde er ihm antworten?
Der Weg ward ihm schwer; denn es ging die ganze Zeit hindurch unmerklich
bergan. Aber er lief und lief, und die Gedanken arbeiteten; die Sehnsucht
zog ihn .. .
Der alte Herr würde sanfte und gute Worte reden.
„Die höchste Gerechtigkeit ist immer Vergebung!"
Und mochte es heidnisch, gottlos, hurtig und verwerflich sein, — er wußte
es, er brannte vor Sehnsucht danach —: Es würde barmherzig sein!
Seine Rettung jetzt — war die Barmherzigkeit des Alten!
Es ging mit wachsender Eile. Seit langer Zeit hatte er seine Körperkräfte
nicht so gefühlt wie heute; sie schwollen in ihm wie der starke Fluß. Und er
erhob den Kopf in bitterm Trotz; Wie hatte er gekämpft! Gegen sein eigenes
Fleisch; gegen Thorborgs bestrickende Schönheit und Liebe; gegen die entsetzliche
Einsamkeit. Und der Herr hatte ihm seine Hand nicht gereicht.
Jetzt ging er, Gottes Prediger und Diener, zermartert und gehetzt, um Trost
bei dem Manne zu finden, der sagte: „Für mich gibt es keinen Gott!"
Und er ließ sich nicht zurückhalten. Und wenn sich auch der Herr Wider ihn
aus der Erde erhöbe — er mußte vorwärts, vorwärts zu eines Menschen milden
Worten. —--
Endlich glitt er in den kleinen Hofplatz im Walde hinein.
Lautlose Stille herrschte. Die Hunde bellten nicht da drinnen. Der Schnee
lag tief und ohne Spuren um das Haus herum. Die Fenster waren weiß
zugefroren, und aus dem Schornstein stieg kein Rauch auf.
Herr Johannes war ausgegangen.
Aber er wollte warten. Wollte Feuer anmachen und warten, wenn es auch
den gauzen Tag währen sollte und die Nacht obendrein. Wenn er nur hineinkam....
Er schnallte die Schneeschuhe ab und stellte sie gegen die Hauswart. Dann
klopfte er an die Tür. Niemand antwortete. Er versuchte das Schloß. Die
Tür war nicht verschlossen, er öffnete und ging hinein.
Eine bitterliche Kälte herrschte im Zimmer. Gedämpft sickerte das Licht durch
die eisbedeckten Fensterscheiben.
Alles stand wie sonst. Stühle, Tische. Auf der Herdstelle lagen Kohlen und
Asche; am Fußende des Bettes war ein hölzerner Schemel umgefallen. ...
Sören Römer schwankte und stützte sich gegen die Wand. Die Haare standen
ihm zu Berge — und er schrie laut auf.
Im Bett lag des Einsiedlers steifgefrorene Leiche.
Am Abend kam er an den Fjord hinab. Als er in das Haus trat, wo die
Bootsleute einquartiert waren, erschraken sie über sein Aussehen.
Er sank auf eine Bank nieder und nur mit Anstrengung vermochte er zu
erzählen, daß der alte Herr Johannes tot in seinem Bett liege. Es müsse jemand
hinaufgeschickt werden. Er müsse nach Hause.
Sie mußten ihn stützen auf dem Wege bis ans Boot.
Und dann ruderten sie heimwärts.
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