Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.Im Kampf anger die Übermacht lange in seinein Kielwasser. Er sang, während er ruderte, ein geistliches Lied Es war Abend, als er vor dein Pfarrer in dein kleinen Kondor im Seiten¬ "Bist du hier, Jo Pasa!" Der Pfarrer saß an seinem Tisch, über Papiere "Ich komme zu dir mit meiner großen Angst, Pastor. Bist du ein Mann "Was für eine Frage ist das, mein Lieber? . . ." "Die Leute sagen, du trinkst Branntwein und bist ein Sklave des Teufels. Aschgrau sank der Pfarrer auf dem Stuhl zusammen. Da kam das, woraus er solange gewartet, was er gefürchtet hatte. DaS Er preßte die Hände vor das Gesicht. Jo Pasa fing an, auf und nieder "Ja, da siehst du! Du schämst dich! Du schämst dich vor dem armen Jo Jo Pasa ging schneller und schneller, während er seine Worte leiernd betete. Dann fuhr er fort zu reden. Tränen rannen aus seinen Augen, während Der Pfarrer lag noch immer über den Tisch gebeugt, den Kopf auf den "Sollen wir nicht bei Gott bleiben! Unsern Jesum fest in den Händen Mit großer Anstrengung richtete sich der Pfarrer auf dem Stuhl auf. Grenzboten II 1910 35
Im Kampf anger die Übermacht lange in seinein Kielwasser. Er sang, während er ruderte, ein geistliches Lied Es war Abend, als er vor dein Pfarrer in dein kleinen Kondor im Seiten¬ „Bist du hier, Jo Pasa!" Der Pfarrer saß an seinem Tisch, über Papiere „Ich komme zu dir mit meiner großen Angst, Pastor. Bist du ein Mann „Was für eine Frage ist das, mein Lieber? . . ." „Die Leute sagen, du trinkst Branntwein und bist ein Sklave des Teufels. Aschgrau sank der Pfarrer auf dem Stuhl zusammen. Da kam das, woraus er solange gewartet, was er gefürchtet hatte. DaS Er preßte die Hände vor das Gesicht. Jo Pasa fing an, auf und nieder „Ja, da siehst du! Du schämst dich! Du schämst dich vor dem armen Jo Jo Pasa ging schneller und schneller, während er seine Worte leiernd betete. Dann fuhr er fort zu reden. Tränen rannen aus seinen Augen, während Der Pfarrer lag noch immer über den Tisch gebeugt, den Kopf auf den „Sollen wir nicht bei Gott bleiben! Unsern Jesum fest in den Händen Mit großer Anstrengung richtete sich der Pfarrer auf dem Stuhl auf. Grenzboten II 1910 35
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Im Kampf anger die Übermacht
lange in seinein Kielwasser. Er sang, während er ruderte, ein geistliches Lied
nach dem andern in den großen, dunklen Raum hinaus. . ..
Es war Abend, als er vor dein Pfarrer in dein kleinen Kondor im Seiten¬
gebäude auf Tenno stand.
„Bist du hier, Jo Pasa!" Der Pfarrer saß an seinem Tisch, über Papiere
und Protokolle gebeugt.
„Ich komme zu dir mit meiner großen Angst, Pastor. Bist du ein Mann
Gottes? Oder bist du des Teufels Diener?"
„Was für eine Frage ist das, mein Lieber? . . ."
„Die Leute sagen, du trinkst Branntwein und bist ein Sklave des Teufels.
Du bist nicht mehr Gottes Diener, so wie du es gewesen bist. Du kommst nicht,
wenn wir dich rufen. Du liegst zu Hause in deinem Bett und bist betrunken.
Du predigst nicht vor uns, so daß wir Gottes Stimme in der Kirche zu uns
reden hören. Du bist voll von Branntwein vor des Herrn Altar getreten und
auf seine Kanzel gestiegen I
Aschgrau sank der Pfarrer auf dem Stuhl zusammen.
Da kam das, woraus er solange gewartet, was er gefürchtet hatte. DaS
Unvermeidliche. Daß es ihm gesagt wurdeI
Er preßte die Hände vor das Gesicht. Jo Pasa fing an, auf und nieder
zu gehen.
„Ja, da siehst du! Du schämst dich! Du schämst dich vor dem armen Jo
Pasa! O, wie schämst du dich nicht vor Gottes Angesicht! Wie mußt du dich
nicht schämen! O, geliebter Bruder, höre die Stimme des Herrn, deines Gottes
und wende dich ab von den: Versucher. Kehre zurück zu Jesu, deinen: Erlöser,
ivo allein gut und augenehm sein ist, wo die Engel seinen Preis singen! O, liebe
Seele, nimm die Engel an die Hand und wandere mit ihnen die Himmelsleiter
hinauf in dem herrlichen Licht Gottes unsers Vaters — verjage den Satan und
die Finsternis der Sünde!
Jo Pasa ging schneller und schneller, während er seine Worte leiernd betete.
Dann ging er zum Singen über:
Dann fuhr er fort zu reden. Tränen rannen aus seinen Augen, während
er sprach und mit lauter Stimme die Herrlichkeit des Himmels verkündete...
Der Pfarrer lag noch immer über den Tisch gebeugt, den Kopf auf den
Händen. Er bebte unter lautlosem Weinen und atmete unter langem, keuchenden
Stöhnen.
„Sollen wir nicht bei Gott bleiben! Unsern Jesum fest in den Händen
halten? — O, Bruder! Nur so finden wir Frieden und Seligkeit!"
Mit großer Anstrengung richtete sich der Pfarrer auf dem Stuhl auf.
Grenzboten II 1910 35
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