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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Fideikommisse

Stillstand auch Fortschritt zu nennen! Aber lassen wir diese bohnenstrohtrockenen
Paradoxen, es möchte sonst wirklich, wie du vorhin scherztest, ein Wildescher
Dialog werden. Wozu willst du dich ewig ändern, ewig "fortschreiten"? Taten
etwa die alten Meister, Maler sowie Dichter, so? Keineswegs! Wer seine Höhe
erreicht hatte, der arbeitete mit einer Art (erlaube mir das Wort) Handwerker¬
tüchtigkeit auf dieser Höhe weiter und kein Kritikus rief: Goethes letztes Drama,
Rembrandts jüngstes Bildnis, Bachs neueste Fuge zeigt doch keinen rechten
Fortschritt gegen das vorletzte Werk. Diese Hast, immer etwas Neues, Unerhörtes
scheu zu wollen, ist modern und also unvornehm! Freut euch doch lieber!

Liborius

nachdenklich.
"Diese Hast, immer was Neues sehen zu wollen,
ist modern und unvornehm" -- hin! Ich äußerte eben selbst diese Unruhe! --
Franziskus, sang' dem Gespräch schnell einen Korkgürtel an, nochmal kann ich
nicht in diesen Dingen wühlen, nach denen deine Worte eben wieder hernieder¬
sinken.

Franziskus. Was willst du, habe ich dich nicht selbst gegen dich ver¬
teidigt. Und war ich nicht ein guter Anwalt deiner Interessen?

Liborius

lachend.
IViea r"Z axitur, Franziskus! Du hast Entschuldi¬
gungen herausgesprudelt, als ob du ein Dichter wärest, der sich gegen einen
Kritiker wehren will!

Franziskus

stimmt in das Lachen ein.
Hüte dich, Liborius! Bist du so
sicher, das; ich kein Echo bin?!




Kdeikommisse
von G, <v, s.

le haben recht, lieber Freund, wenn Sie Hermann Krauses neues
Buch über die Familienfideikommisse rühmen, wenn Sie es in Stoff
und Anschauung fast erschöpfend, im Urteil maßvoll und wohl¬
erwogen, klug und kundig finden. Es drängt eine vielköpfige
^ Herde von Gedanken in eine knappe Hürde zusammen; sie würden
einander stoßen und pressen, hütete nicht ein Meister des Ausdrucks strenge
Ordnung unter ihnen.

Fruchtbar wie diese Gedanken sind, verführen sie neue zu entwickeln aus
denen, mit welchen das Buch schließt, wenn es hervorhebt, was die Fideikommisse
ethisch bedeuten. Mehr als er sagt, meine ich, gemeinnütziger noch, als er zeigt.

Fürchten Sie nicht, daß ich Ihnen hier eine Statistik aufmachen will über
gemeinnützige Einrichtungen, wohltätige Stiftungen, die gerade auf Fideikommissen
blühen, gerade von ihren Herren geschaffen worden sind. Mag sein, daß solche


Fideikommisse

Stillstand auch Fortschritt zu nennen! Aber lassen wir diese bohnenstrohtrockenen
Paradoxen, es möchte sonst wirklich, wie du vorhin scherztest, ein Wildescher
Dialog werden. Wozu willst du dich ewig ändern, ewig „fortschreiten"? Taten
etwa die alten Meister, Maler sowie Dichter, so? Keineswegs! Wer seine Höhe
erreicht hatte, der arbeitete mit einer Art (erlaube mir das Wort) Handwerker¬
tüchtigkeit auf dieser Höhe weiter und kein Kritikus rief: Goethes letztes Drama,
Rembrandts jüngstes Bildnis, Bachs neueste Fuge zeigt doch keinen rechten
Fortschritt gegen das vorletzte Werk. Diese Hast, immer etwas Neues, Unerhörtes
scheu zu wollen, ist modern und also unvornehm! Freut euch doch lieber!

Liborius

nachdenklich.
„Diese Hast, immer was Neues sehen zu wollen,
ist modern und unvornehm" — hin! Ich äußerte eben selbst diese Unruhe! —
Franziskus, sang' dem Gespräch schnell einen Korkgürtel an, nochmal kann ich
nicht in diesen Dingen wühlen, nach denen deine Worte eben wieder hernieder¬
sinken.

Franziskus. Was willst du, habe ich dich nicht selbst gegen dich ver¬
teidigt. Und war ich nicht ein guter Anwalt deiner Interessen?

Liborius

lachend.
IViea r«Z axitur, Franziskus! Du hast Entschuldi¬
gungen herausgesprudelt, als ob du ein Dichter wärest, der sich gegen einen
Kritiker wehren will!

Franziskus

stimmt in das Lachen ein.
Hüte dich, Liborius! Bist du so
sicher, das; ich kein Echo bin?!




Kdeikommisse
von G, <v, s.

le haben recht, lieber Freund, wenn Sie Hermann Krauses neues
Buch über die Familienfideikommisse rühmen, wenn Sie es in Stoff
und Anschauung fast erschöpfend, im Urteil maßvoll und wohl¬
erwogen, klug und kundig finden. Es drängt eine vielköpfige
^ Herde von Gedanken in eine knappe Hürde zusammen; sie würden
einander stoßen und pressen, hütete nicht ein Meister des Ausdrucks strenge
Ordnung unter ihnen.

Fruchtbar wie diese Gedanken sind, verführen sie neue zu entwickeln aus
denen, mit welchen das Buch schließt, wenn es hervorhebt, was die Fideikommisse
ethisch bedeuten. Mehr als er sagt, meine ich, gemeinnütziger noch, als er zeigt.

Fürchten Sie nicht, daß ich Ihnen hier eine Statistik aufmachen will über
gemeinnützige Einrichtungen, wohltätige Stiftungen, die gerade auf Fideikommissen
blühen, gerade von ihren Herren geschaffen worden sind. Mag sein, daß solche


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[0026] Fideikommisse Stillstand auch Fortschritt zu nennen! Aber lassen wir diese bohnenstrohtrockenen Paradoxen, es möchte sonst wirklich, wie du vorhin scherztest, ein Wildescher Dialog werden. Wozu willst du dich ewig ändern, ewig „fortschreiten"? Taten etwa die alten Meister, Maler sowie Dichter, so? Keineswegs! Wer seine Höhe erreicht hatte, der arbeitete mit einer Art (erlaube mir das Wort) Handwerker¬ tüchtigkeit auf dieser Höhe weiter und kein Kritikus rief: Goethes letztes Drama, Rembrandts jüngstes Bildnis, Bachs neueste Fuge zeigt doch keinen rechten Fortschritt gegen das vorletzte Werk. Diese Hast, immer etwas Neues, Unerhörtes scheu zu wollen, ist modern und also unvornehm! Freut euch doch lieber! Liborius nachdenklich. „Diese Hast, immer was Neues sehen zu wollen, ist modern und unvornehm" — hin! Ich äußerte eben selbst diese Unruhe! — Franziskus, sang' dem Gespräch schnell einen Korkgürtel an, nochmal kann ich nicht in diesen Dingen wühlen, nach denen deine Worte eben wieder hernieder¬ sinken. Franziskus. Was willst du, habe ich dich nicht selbst gegen dich ver¬ teidigt. Und war ich nicht ein guter Anwalt deiner Interessen? Liborius lachend. IViea r«Z axitur, Franziskus! Du hast Entschuldi¬ gungen herausgesprudelt, als ob du ein Dichter wärest, der sich gegen einen Kritiker wehren will! Franziskus stimmt in das Lachen ein. Hüte dich, Liborius! Bist du so sicher, das; ich kein Echo bin?! Kdeikommisse von G, <v, s. le haben recht, lieber Freund, wenn Sie Hermann Krauses neues Buch über die Familienfideikommisse rühmen, wenn Sie es in Stoff und Anschauung fast erschöpfend, im Urteil maßvoll und wohl¬ erwogen, klug und kundig finden. Es drängt eine vielköpfige ^ Herde von Gedanken in eine knappe Hürde zusammen; sie würden einander stoßen und pressen, hütete nicht ein Meister des Ausdrucks strenge Ordnung unter ihnen. Fruchtbar wie diese Gedanken sind, verführen sie neue zu entwickeln aus denen, mit welchen das Buch schließt, wenn es hervorhebt, was die Fideikommisse ethisch bedeuten. Mehr als er sagt, meine ich, gemeinnütziger noch, als er zeigt. Fürchten Sie nicht, daß ich Ihnen hier eine Statistik aufmachen will über gemeinnützige Einrichtungen, wohltätige Stiftungen, die gerade auf Fideikommissen blühen, gerade von ihren Herren geschaffen worden sind. Mag sein, daß solche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/26>, abgerufen am 29.06.2024.