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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Die polnischen Volksbcmkcn in Gberschlesien
1907 1908
Pleß.....mit M. 1800 4000
Groß-Strehlitz " " -- 367

Das eigene Kapital sämtlicher Polenbanken betrug also im Jahre 1907 854000 M.
und darf heute auf etwa eine Million Mark geschätzt werden.

Es ist begreiflich, daß mit diesem Betrage allein, der sich über den ganzen
Regierungsbezirk Oppeln verteilt, ein großer wirtschaftlicher Einfluß nicht auszuüben
wäre. Aber die Hauptbetriebsmittel entnehmen die Polenbanken nicht dem Kapital
und den Reserven, sondern ihren Depositen. Die polnische Presse Oberschlesiens
hat ihren Lesern vom ersten Tage ab gepredigt, ihr Geld nicht in die deutschen
Sparkassen, sondern nur in die Banken Ludowy zu tragen. So schreibt, um
nur zwei dieser Preßäußerungen zu zitieren, der "Dziennik Slonski": "Sparen
wir, Landsleute, tragen wir unsere Groschen in die polnischen Volksbanken, denn
das stolze Preußentum beugt sich nur vor der Macht. ... Wenn wir das
Geld in die fremden deutschen Banken tragen, so schwingen wir die Peitsche
über uns selbst. ... In unserem Kampf mit dem Hakatismus spielt Geld eine
große Rolle, scharren wir es daher zusammen, wenn wir nicht wollen, daß uns
die Germanisationsflut überschwemmt." Der "Glos Slonski" schreibt im Anschluß
an seinen Bericht über die Generalversammlung 1903 der Gleiwitzer Volksbank:
"Daher laßt uns auch nicht anderswo als nur in unseren Banken kleinere
oder größere Spareinlagen mit vollem Vertrauen hinterlegen, und wenn wir
so eine Mark der andern hinzufügen, werden wir in wenigen Jahren ein ansehn¬
liches Kapital ansammeln, um die polnischen Banken zu fördern, und unseren
Kindern die Zukunft zusichern wird."

Es kommt hinzu, daß die polnischen Kreditgenossenschaften für das
Polentum eine ganz andere Bedeutung haben als etwa die deutschen Kredit¬
genossenschaften für uns. Während der deutschen Geldwirtschaft die Kredit¬
banken, die städtischen und Kreissparkassen und die Genossenschaften zur Ver¬
fügung stehen, besitzen die Polen nur ihr Genossenschaftssystem. So ist es
allmählich für sie zu einer nationalen Ehrenpflicht geworden, dieses System,
das der Träger ihrer ganzen Politik ist, mit jedem Sparpfennig zu unter¬
stützen. Weiter wird unter der polnisch redenden Arbeiter- und Bauernschaft
von Mund zu Mund eine Agitation gegen die städtischen und Kreissparkassen
getragen, die dem Bürgermeister oder Landrat unterstehen und darum schon
als polenfeindlich gekennzeichnet werden. Anziehend wirkt auch das leichtere
Verfahren bei Auszahlung und Einzahlung von Geldern gegenüber dem vielfach
umständlicheren und bureaukratischeren der deutschen Kassen. Nicht zuletzt aber
sind die Spargelder durch die unten noch näher zu erörternde Zinspolitik der
Polenbanken angelockt worden. Sie geben nämlich für ihre Depositen den
festen Zinsfuß von 4 Prozent, während der Zinsfuß der deutschen Sparinstitute
vom Bankdiskont abhängig ist und deshalb häufig unter 4 Prozent sinkt. Hört
aber so ein Häuer, der sein Geld bei der Kreissparkasse mit 3 Prozent verzinst


Die polnischen Volksbcmkcn in Gberschlesien
1907 1908
Pleß.....mit M. 1800 4000
Groß-Strehlitz „ „ — 367

Das eigene Kapital sämtlicher Polenbanken betrug also im Jahre 1907 854000 M.
und darf heute auf etwa eine Million Mark geschätzt werden.

Es ist begreiflich, daß mit diesem Betrage allein, der sich über den ganzen
Regierungsbezirk Oppeln verteilt, ein großer wirtschaftlicher Einfluß nicht auszuüben
wäre. Aber die Hauptbetriebsmittel entnehmen die Polenbanken nicht dem Kapital
und den Reserven, sondern ihren Depositen. Die polnische Presse Oberschlesiens
hat ihren Lesern vom ersten Tage ab gepredigt, ihr Geld nicht in die deutschen
Sparkassen, sondern nur in die Banken Ludowy zu tragen. So schreibt, um
nur zwei dieser Preßäußerungen zu zitieren, der „Dziennik Slonski": „Sparen
wir, Landsleute, tragen wir unsere Groschen in die polnischen Volksbanken, denn
das stolze Preußentum beugt sich nur vor der Macht. ... Wenn wir das
Geld in die fremden deutschen Banken tragen, so schwingen wir die Peitsche
über uns selbst. ... In unserem Kampf mit dem Hakatismus spielt Geld eine
große Rolle, scharren wir es daher zusammen, wenn wir nicht wollen, daß uns
die Germanisationsflut überschwemmt." Der „Glos Slonski" schreibt im Anschluß
an seinen Bericht über die Generalversammlung 1903 der Gleiwitzer Volksbank:
„Daher laßt uns auch nicht anderswo als nur in unseren Banken kleinere
oder größere Spareinlagen mit vollem Vertrauen hinterlegen, und wenn wir
so eine Mark der andern hinzufügen, werden wir in wenigen Jahren ein ansehn¬
liches Kapital ansammeln, um die polnischen Banken zu fördern, und unseren
Kindern die Zukunft zusichern wird."

Es kommt hinzu, daß die polnischen Kreditgenossenschaften für das
Polentum eine ganz andere Bedeutung haben als etwa die deutschen Kredit¬
genossenschaften für uns. Während der deutschen Geldwirtschaft die Kredit¬
banken, die städtischen und Kreissparkassen und die Genossenschaften zur Ver¬
fügung stehen, besitzen die Polen nur ihr Genossenschaftssystem. So ist es
allmählich für sie zu einer nationalen Ehrenpflicht geworden, dieses System,
das der Träger ihrer ganzen Politik ist, mit jedem Sparpfennig zu unter¬
stützen. Weiter wird unter der polnisch redenden Arbeiter- und Bauernschaft
von Mund zu Mund eine Agitation gegen die städtischen und Kreissparkassen
getragen, die dem Bürgermeister oder Landrat unterstehen und darum schon
als polenfeindlich gekennzeichnet werden. Anziehend wirkt auch das leichtere
Verfahren bei Auszahlung und Einzahlung von Geldern gegenüber dem vielfach
umständlicheren und bureaukratischeren der deutschen Kassen. Nicht zuletzt aber
sind die Spargelder durch die unten noch näher zu erörternde Zinspolitik der
Polenbanken angelockt worden. Sie geben nämlich für ihre Depositen den
festen Zinsfuß von 4 Prozent, während der Zinsfuß der deutschen Sparinstitute
vom Bankdiskont abhängig ist und deshalb häufig unter 4 Prozent sinkt. Hört
aber so ein Häuer, der sein Geld bei der Kreissparkasse mit 3 Prozent verzinst


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/256>, abgerufen am 26.06.2024.