Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Liborius und Franziskus

etwas, Franziskus (denn die Schau ist feinfühlig, wie eine Brandwunde an
der Fingerspitze!): Ich fühle euere Schonung gegen mich, fühle, daß ihr euer
Feingefühl übertäubt, weil ihr gern gebildet, modern, kunstsinnig scheinen
möchtet. Im tiefsten Innern fühlt ihr alle wie ich: Künstlerische Betätigung
an der Öffentlichkeit ist unvornehm!

Franziskus. Ja, lieber Freund, wenn du so tief pflügen willst . . .
dies Bedichten, dies häufige Darstellen des Adels wenigstens ist vielleicht . . .

Liborius. Sag' wieder wie vorhin: peinlich, Franziskus! Es ist ein
mildes Wort, und ich verstehe dich doch! Nun denke dir mein Schicksal: Ich
glaube aus mannigfachen heftigen Schmähungen und Lobpreisungen der Kritik
schließen zu dürfen, daß ich berufen bin als Diener am Wort, -- wenn du mir
in ernstem Gespräch die blasphemische Parabel erlauben willst. Auf Grund
heißer und schwer errungener Überzeugung weiß ich, daß nur die unbedingte
Wahrhaftigkeit wahre Kunst gewährleistet, also muß ich auch in meiner Lyrik
adlich sein. Und "bedichte" ich den Adel (wie du es even nanntest), schreibe
ich ritterliche Lieder, so begebe ich mich damit gleichzeitig des höchsten Gutes
dieser Vornehmheit, indem ich, als Vornehmer, über sie spreche.

Franziskus. Ich empfinde das Erschütternde deiner Lage, lieber Freund,
und mag doch nicht trösten. Denn ich weiß, daß jedes wirklich tragische
Schicksal eine unsägliche Süßigkeit im Bewußtsein des Leidenden auslöst.
Wogegen das tragikomische Schicksal das wahrhaft hoffnungslos traurige ist.
Ich will nicht von dem Troste deines jungen Ruhmes sprechen. . .

Liborius. Sprich davon, Franziskus, ich darf anch die bescheidenen
Tröstungen nicht wegwerfen, aber nenne das kleine Dingelchen nicht mit so großem
Worte! Glaub' ja nicht, daß das ein kleiner Trost wäre, -- das Gespräch ist
zu ernst, als daß ich mit. kokettem Lächeln die Anerkennung so vieler unbekannter
Freunde als quantitö no^IiZsabls auf die Seite schieben möchte I Ich bin eitel,
wie wir es alle sind, und wenn ich drei Tage lang keinen Brief von der Art
gekriegt habe, so bin ich durstig wie am Abend nach einer Schlittenfahrt!

Franziskus. Und nimm alles in allem: du bleibst doch, was du bist,
trotz deiner Bücher. Du bleibst doch, ein vornehmer Mensch!

Liborius. Hin -- -- jeder von uns trägt mehrerlei Naturen in sich,
und wer sich einer derselben künstlerisch bewußt werden will, der muß solange
wohl oder übel in die andere schlüpfen I Wär' ich den still-glücklichen Gang des
juristischen Studiums weiter gegangen, so wäre ich mir nie bewußt geworden,
wer ich bin. Aber ich trieb mich unter den liberalsten Bos6nicus der Großstadt
herum, in heißem Bemühen, ihnen zu gleichen. Und da hat mich einer von
ihnen gelehrt -- daß es ein köstliches Ding sein müßte, adlich zu sein!

lachend.

Franziskus

Ein Bohömien lehrte dich's? Ein Demokrat?

Liborius. Laß nur, es war ein Dichter und du könntest ihn also auch
Philister und konservativ nennen! Denn ein Dichter ist wirklich wie jene Maske,


Liborius und Franziskus

etwas, Franziskus (denn die Schau ist feinfühlig, wie eine Brandwunde an
der Fingerspitze!): Ich fühle euere Schonung gegen mich, fühle, daß ihr euer
Feingefühl übertäubt, weil ihr gern gebildet, modern, kunstsinnig scheinen
möchtet. Im tiefsten Innern fühlt ihr alle wie ich: Künstlerische Betätigung
an der Öffentlichkeit ist unvornehm!

Franziskus. Ja, lieber Freund, wenn du so tief pflügen willst . . .
dies Bedichten, dies häufige Darstellen des Adels wenigstens ist vielleicht . . .

Liborius. Sag' wieder wie vorhin: peinlich, Franziskus! Es ist ein
mildes Wort, und ich verstehe dich doch! Nun denke dir mein Schicksal: Ich
glaube aus mannigfachen heftigen Schmähungen und Lobpreisungen der Kritik
schließen zu dürfen, daß ich berufen bin als Diener am Wort, — wenn du mir
in ernstem Gespräch die blasphemische Parabel erlauben willst. Auf Grund
heißer und schwer errungener Überzeugung weiß ich, daß nur die unbedingte
Wahrhaftigkeit wahre Kunst gewährleistet, also muß ich auch in meiner Lyrik
adlich sein. Und „bedichte" ich den Adel (wie du es even nanntest), schreibe
ich ritterliche Lieder, so begebe ich mich damit gleichzeitig des höchsten Gutes
dieser Vornehmheit, indem ich, als Vornehmer, über sie spreche.

Franziskus. Ich empfinde das Erschütternde deiner Lage, lieber Freund,
und mag doch nicht trösten. Denn ich weiß, daß jedes wirklich tragische
Schicksal eine unsägliche Süßigkeit im Bewußtsein des Leidenden auslöst.
Wogegen das tragikomische Schicksal das wahrhaft hoffnungslos traurige ist.
Ich will nicht von dem Troste deines jungen Ruhmes sprechen. . .

Liborius. Sprich davon, Franziskus, ich darf anch die bescheidenen
Tröstungen nicht wegwerfen, aber nenne das kleine Dingelchen nicht mit so großem
Worte! Glaub' ja nicht, daß das ein kleiner Trost wäre, — das Gespräch ist
zu ernst, als daß ich mit. kokettem Lächeln die Anerkennung so vieler unbekannter
Freunde als quantitö no^IiZsabls auf die Seite schieben möchte I Ich bin eitel,
wie wir es alle sind, und wenn ich drei Tage lang keinen Brief von der Art
gekriegt habe, so bin ich durstig wie am Abend nach einer Schlittenfahrt!

Franziskus. Und nimm alles in allem: du bleibst doch, was du bist,
trotz deiner Bücher. Du bleibst doch, ein vornehmer Mensch!

Liborius. Hin — — jeder von uns trägt mehrerlei Naturen in sich,
und wer sich einer derselben künstlerisch bewußt werden will, der muß solange
wohl oder übel in die andere schlüpfen I Wär' ich den still-glücklichen Gang des
juristischen Studiums weiter gegangen, so wäre ich mir nie bewußt geworden,
wer ich bin. Aber ich trieb mich unter den liberalsten Bos6nicus der Großstadt
herum, in heißem Bemühen, ihnen zu gleichen. Und da hat mich einer von
ihnen gelehrt — daß es ein köstliches Ding sein müßte, adlich zu sein!

lachend.

Franziskus

Ein Bohömien lehrte dich's? Ein Demokrat?

Liborius. Laß nur, es war ein Dichter und du könntest ihn also auch
Philister und konservativ nennen! Denn ein Dichter ist wirklich wie jene Maske,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0024" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/315663"/>
          <fw type="header" place="top"> Liborius und Franziskus</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_73" prev="#ID_72"> etwas, Franziskus (denn die Schau ist feinfühlig, wie eine Brandwunde an<lb/>
der Fingerspitze!): Ich fühle euere Schonung gegen mich, fühle, daß ihr euer<lb/>
Feingefühl übertäubt, weil ihr gern gebildet, modern, kunstsinnig scheinen<lb/>
möchtet. Im tiefsten Innern fühlt ihr alle wie ich: Künstlerische Betätigung<lb/>
an der Öffentlichkeit ist unvornehm!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_74"><note type="speaker"> Franziskus.</note> Ja, lieber Freund, wenn du so tief pflügen willst . . .<lb/>
dies Bedichten, dies häufige Darstellen des Adels wenigstens ist vielleicht . . .</p><lb/>
          <p xml:id="ID_75"><note type="speaker"> Liborius.</note> Sag' wieder wie vorhin: peinlich, Franziskus! Es ist ein<lb/>
mildes Wort, und ich verstehe dich doch! Nun denke dir mein Schicksal: Ich<lb/>
glaube aus mannigfachen heftigen Schmähungen und Lobpreisungen der Kritik<lb/>
schließen zu dürfen, daß ich berufen bin als Diener am Wort, &#x2014; wenn du mir<lb/>
in ernstem Gespräch die blasphemische Parabel erlauben willst. Auf Grund<lb/>
heißer und schwer errungener Überzeugung weiß ich, daß nur die unbedingte<lb/>
Wahrhaftigkeit wahre Kunst gewährleistet, also muß ich auch in meiner Lyrik<lb/>
adlich sein. Und &#x201E;bedichte" ich den Adel (wie du es even nanntest), schreibe<lb/>
ich ritterliche Lieder, so begebe ich mich damit gleichzeitig des höchsten Gutes<lb/>
dieser Vornehmheit, indem ich, als Vornehmer, über sie spreche.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_76"><note type="speaker"> Franziskus.</note> Ich empfinde das Erschütternde deiner Lage, lieber Freund,<lb/>
und mag doch nicht trösten. Denn ich weiß, daß jedes wirklich tragische<lb/>
Schicksal eine unsägliche Süßigkeit im Bewußtsein des Leidenden auslöst.<lb/>
Wogegen das tragikomische Schicksal das wahrhaft hoffnungslos traurige ist.<lb/>
Ich will nicht von dem Troste deines jungen Ruhmes sprechen. . .</p><lb/>
          <p xml:id="ID_77"><note type="speaker"> Liborius.</note> Sprich davon, Franziskus, ich darf anch die bescheidenen<lb/>
Tröstungen nicht wegwerfen, aber nenne das kleine Dingelchen nicht mit so großem<lb/>
Worte! Glaub' ja nicht, daß das ein kleiner Trost wäre, &#x2014; das Gespräch ist<lb/>
zu ernst, als daß ich mit. kokettem Lächeln die Anerkennung so vieler unbekannter<lb/>
Freunde als quantitö no^IiZsabls auf die Seite schieben möchte I Ich bin eitel,<lb/>
wie wir es alle sind, und wenn ich drei Tage lang keinen Brief von der Art<lb/>
gekriegt habe, so bin ich durstig wie am Abend nach einer Schlittenfahrt!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_78"><note type="speaker"> Franziskus.</note> Und nimm alles in allem: du bleibst doch, was du bist,<lb/>
trotz deiner Bücher.  Du bleibst doch, ein vornehmer Mensch!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_79"><note type="speaker"> Liborius.</note> Hin &#x2014; &#x2014; jeder von uns trägt mehrerlei Naturen in sich,<lb/>
und wer sich einer derselben künstlerisch bewußt werden will, der muß solange<lb/>
wohl oder übel in die andere schlüpfen I Wär' ich den still-glücklichen Gang des<lb/>
juristischen Studiums weiter gegangen, so wäre ich mir nie bewußt geworden,<lb/>
wer ich bin. Aber ich trieb mich unter den liberalsten Bos6nicus der Großstadt<lb/>
herum, in heißem Bemühen, ihnen zu gleichen. Und da hat mich einer von<lb/>
ihnen gelehrt &#x2014; daß es ein köstliches Ding sein müßte, adlich zu sein!</p><lb/>
          <stage> lachend. </stage><lb/>
          <note type="speaker"> Franziskus</note><lb/>
          <p xml:id="ID_80"> Ein Bohömien lehrte dich's?  Ein Demokrat?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_81" next="#ID_82"><note type="speaker"> Liborius.</note> Laß nur, es war ein Dichter und du könntest ihn also auch<lb/>
Philister und konservativ nennen! Denn ein Dichter ist wirklich wie jene Maske,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0024] Liborius und Franziskus etwas, Franziskus (denn die Schau ist feinfühlig, wie eine Brandwunde an der Fingerspitze!): Ich fühle euere Schonung gegen mich, fühle, daß ihr euer Feingefühl übertäubt, weil ihr gern gebildet, modern, kunstsinnig scheinen möchtet. Im tiefsten Innern fühlt ihr alle wie ich: Künstlerische Betätigung an der Öffentlichkeit ist unvornehm! Franziskus. Ja, lieber Freund, wenn du so tief pflügen willst . . . dies Bedichten, dies häufige Darstellen des Adels wenigstens ist vielleicht . . . Liborius. Sag' wieder wie vorhin: peinlich, Franziskus! Es ist ein mildes Wort, und ich verstehe dich doch! Nun denke dir mein Schicksal: Ich glaube aus mannigfachen heftigen Schmähungen und Lobpreisungen der Kritik schließen zu dürfen, daß ich berufen bin als Diener am Wort, — wenn du mir in ernstem Gespräch die blasphemische Parabel erlauben willst. Auf Grund heißer und schwer errungener Überzeugung weiß ich, daß nur die unbedingte Wahrhaftigkeit wahre Kunst gewährleistet, also muß ich auch in meiner Lyrik adlich sein. Und „bedichte" ich den Adel (wie du es even nanntest), schreibe ich ritterliche Lieder, so begebe ich mich damit gleichzeitig des höchsten Gutes dieser Vornehmheit, indem ich, als Vornehmer, über sie spreche. Franziskus. Ich empfinde das Erschütternde deiner Lage, lieber Freund, und mag doch nicht trösten. Denn ich weiß, daß jedes wirklich tragische Schicksal eine unsägliche Süßigkeit im Bewußtsein des Leidenden auslöst. Wogegen das tragikomische Schicksal das wahrhaft hoffnungslos traurige ist. Ich will nicht von dem Troste deines jungen Ruhmes sprechen. . . Liborius. Sprich davon, Franziskus, ich darf anch die bescheidenen Tröstungen nicht wegwerfen, aber nenne das kleine Dingelchen nicht mit so großem Worte! Glaub' ja nicht, daß das ein kleiner Trost wäre, — das Gespräch ist zu ernst, als daß ich mit. kokettem Lächeln die Anerkennung so vieler unbekannter Freunde als quantitö no^IiZsabls auf die Seite schieben möchte I Ich bin eitel, wie wir es alle sind, und wenn ich drei Tage lang keinen Brief von der Art gekriegt habe, so bin ich durstig wie am Abend nach einer Schlittenfahrt! Franziskus. Und nimm alles in allem: du bleibst doch, was du bist, trotz deiner Bücher. Du bleibst doch, ein vornehmer Mensch! Liborius. Hin — — jeder von uns trägt mehrerlei Naturen in sich, und wer sich einer derselben künstlerisch bewußt werden will, der muß solange wohl oder übel in die andere schlüpfen I Wär' ich den still-glücklichen Gang des juristischen Studiums weiter gegangen, so wäre ich mir nie bewußt geworden, wer ich bin. Aber ich trieb mich unter den liberalsten Bos6nicus der Großstadt herum, in heißem Bemühen, ihnen zu gleichen. Und da hat mich einer von ihnen gelehrt — daß es ein köstliches Ding sein müßte, adlich zu sein! lachend. Franziskus Ein Bohömien lehrte dich's? Ein Demokrat? Liborius. Laß nur, es war ein Dichter und du könntest ihn also auch Philister und konservativ nennen! Denn ein Dichter ist wirklich wie jene Maske,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/24
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/24>, abgerufen am 29.06.2024.