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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Liborius und Franziskus

Liborius. "Soll?" -- ich denke, wir sprechen von der KunstI Nein,
wo bliebe da das dichterische Schauen, das uns die größten Meisterwerke gab.
Schiller >ar doch auch kein Schweizer und schrieb den Teil!! Aber es war
eben Schiller! Und Lyrik allerdings kann man nur von sich schreiben.


Franziskus.

Und Balladen?

Liborius. Man kann nur die Ballade schreiben, deren Weltanschauung
mit der eigenen zusammenklingt. Glaubst du, daß Genosse Singer das .Herz
von Douglas- hätte schreiben können? Nun also: Ich bin nun mal adlich. --
wir können doch nichts dazul -- Also blieb mir nichts anderes übrig, als
meinen Stolz, meine Freude und meine Klagen in diesen Liedern auszusingeu.

Du hast mal gesagt, du wärest der Dichter des Adels.


Franziskus.

Liborius. Ja. das habe ich, -- es ist aber keine Eitelkeit dabei gewesen,
wahrhaftig nicht I Es konnte nicht simpler klingen, als wenn meinethalben
Ephraim Moses Lilien von sich sagte: Ich bin der Zeichner der Juden.

Franziskus. Auch ich bin adlich und gestehe, daß mir dieser Satz
direkt peinlich war.

Liborius. Lieber Freund', jetzt stößt die Sonde unseres Gespräches auf
den trüben Boden auf! Glücklicher du, der du bloß zu sagen brauchst: Es ist
mir peinlich! Vielleicht traust du auch mir einiges Feingefühl für jeglichen Takt
zu: Was denkst du wohl, was ich fühle bei all diesen Dingen, der ich mich
damit in der plebejischen Öffentlichkeit feit Jahren produziere!

Franziskus. Ich wage nicht die platte Frage zu stellen: Weshalb tust
du das? Wenn du es nicht tätest, würdest du vermutlich deinen Wert fort¬
werfen. Und außerdem im Saft ersticken, wie ein Schößling, dem man die
Knospen, die blühen wollen, zubindet.

nach einer Pause.
Liborius Das Wesen des Adels, wie jeder Vornehmheit,
ist: Still, unauffällig sein. Vor allem aber: Nicht von der eigenen Vornehmheit
sprechen. Jede Kunst aber ist ein Lautwerden und wie will ich Lieder eines
Adlichen schreiben, wenn ich nicht gelegentlich auch vom Adel reden darf!
Deshalb hast du und haben die anderen Freunde hundertfach recht, wenn ihr
jede künstlerische Betätigung, sobald sie an '.die Öffentlichkeit tritt, unvornehm
findet.

Franziskus. Erlaube, Verehrtester,, jetzt übertreibst du, -- das fällt
keinem ein!

Liborius. So, -- fällt es euch nicht ein? Schade! Da hab' ich euch zu
hoch eingeschätzt!


Franziskus.

Wir leben doch nicht in der Biedermeierzeit, sondern. . .

Liborius. ... in einer durchaus pöbelhafter Gegenwart, willst du hoffentlich
sagen! Aber auch das wäre falsch: Wahre Vornehmheit ist immer gleich, und
wenn ihr es nicht fühlt, so fühle ich es, daß jeder Schritt, durch den man
nicht ein ganz Objektives (wie Politik es ist) sondern etwas Subjektives, wie
Kunst, an diese Öffentlichkeit trägt, unvornehm ist. Und ich fühle auch noch


Liborius und Franziskus

Liborius. „Soll?" — ich denke, wir sprechen von der KunstI Nein,
wo bliebe da das dichterische Schauen, das uns die größten Meisterwerke gab.
Schiller >ar doch auch kein Schweizer und schrieb den Teil!! Aber es war
eben Schiller! Und Lyrik allerdings kann man nur von sich schreiben.


Franziskus.

Und Balladen?

Liborius. Man kann nur die Ballade schreiben, deren Weltanschauung
mit der eigenen zusammenklingt. Glaubst du, daß Genosse Singer das .Herz
von Douglas- hätte schreiben können? Nun also: Ich bin nun mal adlich. —
wir können doch nichts dazul — Also blieb mir nichts anderes übrig, als
meinen Stolz, meine Freude und meine Klagen in diesen Liedern auszusingeu.

Du hast mal gesagt, du wärest der Dichter des Adels.


Franziskus.

Liborius. Ja. das habe ich, — es ist aber keine Eitelkeit dabei gewesen,
wahrhaftig nicht I Es konnte nicht simpler klingen, als wenn meinethalben
Ephraim Moses Lilien von sich sagte: Ich bin der Zeichner der Juden.

Franziskus. Auch ich bin adlich und gestehe, daß mir dieser Satz
direkt peinlich war.

Liborius. Lieber Freund', jetzt stößt die Sonde unseres Gespräches auf
den trüben Boden auf! Glücklicher du, der du bloß zu sagen brauchst: Es ist
mir peinlich! Vielleicht traust du auch mir einiges Feingefühl für jeglichen Takt
zu: Was denkst du wohl, was ich fühle bei all diesen Dingen, der ich mich
damit in der plebejischen Öffentlichkeit feit Jahren produziere!

Franziskus. Ich wage nicht die platte Frage zu stellen: Weshalb tust
du das? Wenn du es nicht tätest, würdest du vermutlich deinen Wert fort¬
werfen. Und außerdem im Saft ersticken, wie ein Schößling, dem man die
Knospen, die blühen wollen, zubindet.

nach einer Pause.
Liborius Das Wesen des Adels, wie jeder Vornehmheit,
ist: Still, unauffällig sein. Vor allem aber: Nicht von der eigenen Vornehmheit
sprechen. Jede Kunst aber ist ein Lautwerden und wie will ich Lieder eines
Adlichen schreiben, wenn ich nicht gelegentlich auch vom Adel reden darf!
Deshalb hast du und haben die anderen Freunde hundertfach recht, wenn ihr
jede künstlerische Betätigung, sobald sie an '.die Öffentlichkeit tritt, unvornehm
findet.

Franziskus. Erlaube, Verehrtester,, jetzt übertreibst du, — das fällt
keinem ein!

Liborius. So, — fällt es euch nicht ein? Schade! Da hab' ich euch zu
hoch eingeschätzt!


Franziskus.

Wir leben doch nicht in der Biedermeierzeit, sondern. . .

Liborius. ... in einer durchaus pöbelhafter Gegenwart, willst du hoffentlich
sagen! Aber auch das wäre falsch: Wahre Vornehmheit ist immer gleich, und
wenn ihr es nicht fühlt, so fühle ich es, daß jeder Schritt, durch den man
nicht ein ganz Objektives (wie Politik es ist) sondern etwas Subjektives, wie
Kunst, an diese Öffentlichkeit trägt, unvornehm ist. Und ich fühle auch noch


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[0023] Liborius und Franziskus Liborius. „Soll?" — ich denke, wir sprechen von der KunstI Nein, wo bliebe da das dichterische Schauen, das uns die größten Meisterwerke gab. Schiller >ar doch auch kein Schweizer und schrieb den Teil!! Aber es war eben Schiller! Und Lyrik allerdings kann man nur von sich schreiben. Franziskus. Und Balladen? Liborius. Man kann nur die Ballade schreiben, deren Weltanschauung mit der eigenen zusammenklingt. Glaubst du, daß Genosse Singer das .Herz von Douglas- hätte schreiben können? Nun also: Ich bin nun mal adlich. — wir können doch nichts dazul — Also blieb mir nichts anderes übrig, als meinen Stolz, meine Freude und meine Klagen in diesen Liedern auszusingeu. Du hast mal gesagt, du wärest der Dichter des Adels. Franziskus. Liborius. Ja. das habe ich, — es ist aber keine Eitelkeit dabei gewesen, wahrhaftig nicht I Es konnte nicht simpler klingen, als wenn meinethalben Ephraim Moses Lilien von sich sagte: Ich bin der Zeichner der Juden. Franziskus. Auch ich bin adlich und gestehe, daß mir dieser Satz direkt peinlich war. Liborius. Lieber Freund', jetzt stößt die Sonde unseres Gespräches auf den trüben Boden auf! Glücklicher du, der du bloß zu sagen brauchst: Es ist mir peinlich! Vielleicht traust du auch mir einiges Feingefühl für jeglichen Takt zu: Was denkst du wohl, was ich fühle bei all diesen Dingen, der ich mich damit in der plebejischen Öffentlichkeit feit Jahren produziere! Franziskus. Ich wage nicht die platte Frage zu stellen: Weshalb tust du das? Wenn du es nicht tätest, würdest du vermutlich deinen Wert fort¬ werfen. Und außerdem im Saft ersticken, wie ein Schößling, dem man die Knospen, die blühen wollen, zubindet. nach einer Pause. Liborius Das Wesen des Adels, wie jeder Vornehmheit, ist: Still, unauffällig sein. Vor allem aber: Nicht von der eigenen Vornehmheit sprechen. Jede Kunst aber ist ein Lautwerden und wie will ich Lieder eines Adlichen schreiben, wenn ich nicht gelegentlich auch vom Adel reden darf! Deshalb hast du und haben die anderen Freunde hundertfach recht, wenn ihr jede künstlerische Betätigung, sobald sie an '.die Öffentlichkeit tritt, unvornehm findet. Franziskus. Erlaube, Verehrtester,, jetzt übertreibst du, — das fällt keinem ein! Liborius. So, — fällt es euch nicht ein? Schade! Da hab' ich euch zu hoch eingeschätzt! Franziskus. Wir leben doch nicht in der Biedermeierzeit, sondern. . . Liborius. ... in einer durchaus pöbelhafter Gegenwart, willst du hoffentlich sagen! Aber auch das wäre falsch: Wahre Vornehmheit ist immer gleich, und wenn ihr es nicht fühlt, so fühle ich es, daß jeder Schritt, durch den man nicht ein ganz Objektives (wie Politik es ist) sondern etwas Subjektives, wie Kunst, an diese Öffentlichkeit trägt, unvornehm ist. Und ich fühle auch noch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/23>, abgerufen am 29.06.2024.