Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Im Kampf gegen die Übermacht

unmittelbares Betonen der innerlichen Absicht sind Merkmale deutscher Art. Das
bestätigt in dieser Ausstellung nicht nur Hodler, der Schweizer, sondern auch
Hans Thoma, dessen innere Absicht ja Ausdruck der Empfindung ist, bestätigt
ein unbekannter Maler Oswald Galle, der mit deutschem Sinn gefühlt hat,
wie schön nackte Jünglingsleiber und blonde Köpfe gegen eine grüne Wiese
und eine graue Luft stehen, bestätigt ein ebenso unbekannter Walther Klemm,
der die charakteristischen Silhouetten von Schlittschuhläufern von Hellem Eise
sich abheben sah. Solche Erscheinungen geben die Hoffnung, daß die gesunde
deutsche Art der Kunstübung sich ununterbrochen erneut, auch wenn die
Kunstmode Frankreichs ihre Herrschaft ausübt.

Ebensoviel Verwirrung der Begriffe wie in der Malerei zeigt sich in der
Plastik. Archaistische Bestrebungen, falsche Französelei wechseln miteinander ab.
Die beiden delikaten Frauenbüsten von Fritz Klimsch, eine im Motiv sein
gefühlte riesige Halbfigur einer Schlafenden von Engelmann, ein Relief von
Kolbe und ein kühner, aber in der Ausführung billiger Versuch Albikers, die
Überraschung der badenden Susanna auszudrücken, sind alles, was ernsthafte Be¬
achtung in der Ausstellung verdient. Daß sie trotzdem nicht die schlechteste ist,
welche die Berliner Sezession gemacht hat, dürfte dieser Bericht beweisen. Möchte
es nicht die letzte gewesen sein, möchten die produktiven Kräfte in der Sezession
zusammenhalten, möchten sie bestrebt sein, der zwecklosen Ausländern des
jungen Geschlechts einen Riegel vorzuschieben, und ihren Plan, die solide
künstlerische Arbeit hochzuhalten, durchführen können. Denn der ernsthaft
arbeitende Mensch hält es unter seiner Würde, jeder Mode nachzulaufen, und
so wird auf dem Boden ehrlicher Arbeit ganz von selbst aufwachsen, was die
Herzen ersehnen: eine gute und starke deutsche Kunst.




I es) m Aampf gegen die Übermacht
Berne Lie Roman von
B Mathilde Mann erechtigte Übersetzung von

Des Pfarrers Gesicht war weiß wie das weißeMeßgewcmd. Und abgemagert wie
das eines Toten. Die Augen brannten groß und starr zu der Decke der Kirche
empor. Seine Stimme zitterte, und statt die Messe zu verrichten, vorlas er den
Text aus der Bibel.

Auf der Kanzel stand er ebenso -- die Allgen erhoben. Und seine Predigt
war still und leise -- mit großen Pausen, als kämpfe er mit dem Weinen.

Da waren viele Abendmahlsgäste und mehrere Taufen. Und der Pfarrer
vollzog die Geschäfte mit Ruhe und Freundlichkeit wie immer. Am Nachmittag
kamen auch viele Leute zu ihm ins Haus. Er sprach mit ihnen allen und jeder
erledigte sein Anliegen.


Im Kampf gegen die Übermacht

unmittelbares Betonen der innerlichen Absicht sind Merkmale deutscher Art. Das
bestätigt in dieser Ausstellung nicht nur Hodler, der Schweizer, sondern auch
Hans Thoma, dessen innere Absicht ja Ausdruck der Empfindung ist, bestätigt
ein unbekannter Maler Oswald Galle, der mit deutschem Sinn gefühlt hat,
wie schön nackte Jünglingsleiber und blonde Köpfe gegen eine grüne Wiese
und eine graue Luft stehen, bestätigt ein ebenso unbekannter Walther Klemm,
der die charakteristischen Silhouetten von Schlittschuhläufern von Hellem Eise
sich abheben sah. Solche Erscheinungen geben die Hoffnung, daß die gesunde
deutsche Art der Kunstübung sich ununterbrochen erneut, auch wenn die
Kunstmode Frankreichs ihre Herrschaft ausübt.

Ebensoviel Verwirrung der Begriffe wie in der Malerei zeigt sich in der
Plastik. Archaistische Bestrebungen, falsche Französelei wechseln miteinander ab.
Die beiden delikaten Frauenbüsten von Fritz Klimsch, eine im Motiv sein
gefühlte riesige Halbfigur einer Schlafenden von Engelmann, ein Relief von
Kolbe und ein kühner, aber in der Ausführung billiger Versuch Albikers, die
Überraschung der badenden Susanna auszudrücken, sind alles, was ernsthafte Be¬
achtung in der Ausstellung verdient. Daß sie trotzdem nicht die schlechteste ist,
welche die Berliner Sezession gemacht hat, dürfte dieser Bericht beweisen. Möchte
es nicht die letzte gewesen sein, möchten die produktiven Kräfte in der Sezession
zusammenhalten, möchten sie bestrebt sein, der zwecklosen Ausländern des
jungen Geschlechts einen Riegel vorzuschieben, und ihren Plan, die solide
künstlerische Arbeit hochzuhalten, durchführen können. Denn der ernsthaft
arbeitende Mensch hält es unter seiner Würde, jeder Mode nachzulaufen, und
so wird auf dem Boden ehrlicher Arbeit ganz von selbst aufwachsen, was die
Herzen ersehnen: eine gute und starke deutsche Kunst.




I es) m Aampf gegen die Übermacht
Berne Lie Roman von
B Mathilde Mann erechtigte Übersetzung von

Des Pfarrers Gesicht war weiß wie das weißeMeßgewcmd. Und abgemagert wie
das eines Toten. Die Augen brannten groß und starr zu der Decke der Kirche
empor. Seine Stimme zitterte, und statt die Messe zu verrichten, vorlas er den
Text aus der Bibel.

Auf der Kanzel stand er ebenso — die Allgen erhoben. Und seine Predigt
war still und leise — mit großen Pausen, als kämpfe er mit dem Weinen.

Da waren viele Abendmahlsgäste und mehrere Taufen. Und der Pfarrer
vollzog die Geschäfte mit Ruhe und Freundlichkeit wie immer. Am Nachmittag
kamen auch viele Leute zu ihm ins Haus. Er sprach mit ihnen allen und jeder
erledigte sein Anliegen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0234" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/315873"/>
          <fw type="header" place="top"> Im Kampf gegen die Übermacht</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1224" prev="#ID_1223"> unmittelbares Betonen der innerlichen Absicht sind Merkmale deutscher Art. Das<lb/>
bestätigt in dieser Ausstellung nicht nur Hodler, der Schweizer, sondern auch<lb/>
Hans Thoma, dessen innere Absicht ja Ausdruck der Empfindung ist, bestätigt<lb/>
ein unbekannter Maler Oswald Galle, der mit deutschem Sinn gefühlt hat,<lb/>
wie schön nackte Jünglingsleiber und blonde Köpfe gegen eine grüne Wiese<lb/>
und eine graue Luft stehen, bestätigt ein ebenso unbekannter Walther Klemm,<lb/>
der die charakteristischen Silhouetten von Schlittschuhläufern von Hellem Eise<lb/>
sich abheben sah. Solche Erscheinungen geben die Hoffnung, daß die gesunde<lb/>
deutsche Art der Kunstübung sich ununterbrochen erneut, auch wenn die<lb/>
Kunstmode Frankreichs ihre Herrschaft ausübt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1225"> Ebensoviel Verwirrung der Begriffe wie in der Malerei zeigt sich in der<lb/>
Plastik. Archaistische Bestrebungen, falsche Französelei wechseln miteinander ab.<lb/>
Die beiden delikaten Frauenbüsten von Fritz Klimsch, eine im Motiv sein<lb/>
gefühlte riesige Halbfigur einer Schlafenden von Engelmann, ein Relief von<lb/>
Kolbe und ein kühner, aber in der Ausführung billiger Versuch Albikers, die<lb/>
Überraschung der badenden Susanna auszudrücken, sind alles, was ernsthafte Be¬<lb/>
achtung in der Ausstellung verdient. Daß sie trotzdem nicht die schlechteste ist,<lb/>
welche die Berliner Sezession gemacht hat, dürfte dieser Bericht beweisen. Möchte<lb/>
es nicht die letzte gewesen sein, möchten die produktiven Kräfte in der Sezession<lb/>
zusammenhalten, möchten sie bestrebt sein, der zwecklosen Ausländern des<lb/>
jungen Geschlechts einen Riegel vorzuschieben, und ihren Plan, die solide<lb/>
künstlerische Arbeit hochzuhalten, durchführen können. Denn der ernsthaft<lb/>
arbeitende Mensch hält es unter seiner Würde, jeder Mode nachzulaufen, und<lb/>
so wird auf dem Boden ehrlicher Arbeit ganz von selbst aufwachsen, was die<lb/>
Herzen ersehnen: eine gute und starke deutsche Kunst.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> I es) m Aampf gegen die Übermacht<lb/><note type="byline"> Berne Lie</note> Roman von<lb/>
B<note type="byline"> Mathilde Mann</note> erechtigte Übersetzung von</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1226"> Des Pfarrers Gesicht war weiß wie das weißeMeßgewcmd. Und abgemagert wie<lb/>
das eines Toten. Die Augen brannten groß und starr zu der Decke der Kirche<lb/>
empor. Seine Stimme zitterte, und statt die Messe zu verrichten, vorlas er den<lb/>
Text aus der Bibel.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1227"> Auf der Kanzel stand er ebenso &#x2014; die Allgen erhoben. Und seine Predigt<lb/>
war still und leise &#x2014; mit großen Pausen, als kämpfe er mit dem Weinen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1228"> Da waren viele Abendmahlsgäste und mehrere Taufen. Und der Pfarrer<lb/>
vollzog die Geschäfte mit Ruhe und Freundlichkeit wie immer. Am Nachmittag<lb/>
kamen auch viele Leute zu ihm ins Haus. Er sprach mit ihnen allen und jeder<lb/>
erledigte sein Anliegen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0234] Im Kampf gegen die Übermacht unmittelbares Betonen der innerlichen Absicht sind Merkmale deutscher Art. Das bestätigt in dieser Ausstellung nicht nur Hodler, der Schweizer, sondern auch Hans Thoma, dessen innere Absicht ja Ausdruck der Empfindung ist, bestätigt ein unbekannter Maler Oswald Galle, der mit deutschem Sinn gefühlt hat, wie schön nackte Jünglingsleiber und blonde Köpfe gegen eine grüne Wiese und eine graue Luft stehen, bestätigt ein ebenso unbekannter Walther Klemm, der die charakteristischen Silhouetten von Schlittschuhläufern von Hellem Eise sich abheben sah. Solche Erscheinungen geben die Hoffnung, daß die gesunde deutsche Art der Kunstübung sich ununterbrochen erneut, auch wenn die Kunstmode Frankreichs ihre Herrschaft ausübt. Ebensoviel Verwirrung der Begriffe wie in der Malerei zeigt sich in der Plastik. Archaistische Bestrebungen, falsche Französelei wechseln miteinander ab. Die beiden delikaten Frauenbüsten von Fritz Klimsch, eine im Motiv sein gefühlte riesige Halbfigur einer Schlafenden von Engelmann, ein Relief von Kolbe und ein kühner, aber in der Ausführung billiger Versuch Albikers, die Überraschung der badenden Susanna auszudrücken, sind alles, was ernsthafte Be¬ achtung in der Ausstellung verdient. Daß sie trotzdem nicht die schlechteste ist, welche die Berliner Sezession gemacht hat, dürfte dieser Bericht beweisen. Möchte es nicht die letzte gewesen sein, möchten die produktiven Kräfte in der Sezession zusammenhalten, möchten sie bestrebt sein, der zwecklosen Ausländern des jungen Geschlechts einen Riegel vorzuschieben, und ihren Plan, die solide künstlerische Arbeit hochzuhalten, durchführen können. Denn der ernsthaft arbeitende Mensch hält es unter seiner Würde, jeder Mode nachzulaufen, und so wird auf dem Boden ehrlicher Arbeit ganz von selbst aufwachsen, was die Herzen ersehnen: eine gute und starke deutsche Kunst. I es) m Aampf gegen die Übermacht Berne Lie Roman von B Mathilde Mann erechtigte Übersetzung von Des Pfarrers Gesicht war weiß wie das weißeMeßgewcmd. Und abgemagert wie das eines Toten. Die Augen brannten groß und starr zu der Decke der Kirche empor. Seine Stimme zitterte, und statt die Messe zu verrichten, vorlas er den Text aus der Bibel. Auf der Kanzel stand er ebenso — die Allgen erhoben. Und seine Predigt war still und leise — mit großen Pausen, als kämpfe er mit dem Weinen. Da waren viele Abendmahlsgäste und mehrere Taufen. Und der Pfarrer vollzog die Geschäfte mit Ruhe und Freundlichkeit wie immer. Am Nachmittag kamen auch viele Leute zu ihm ins Haus. Er sprach mit ihnen allen und jeder erledigte sein Anliegen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/234
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/234>, abgerufen am 29.06.2024.