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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Es ist demnach eine erhebliche Kulturarbeit, die in dieser Kalipropagcmda
geleistet wird. Aber daraus ergibt sich auch, daß der Absatz, so erfreuliche und
anerkennenswerte Fortschritte er gemacht hat, nicht so rapid steigen kann, wie
es beispielsweise in der viel jüngeren Elektrizitäts-Jndustrie möglich war. Auch
mit der Vermehrung neuer Produktionsstätten kaun er nicht gleichen Schritt halten;
er kann nicht wachsen im gleichen Verhältnis zum Entstehen neuer Kali¬
werke, die, durch die Aussicht auf reiche und verhältnismäßig mühelose, wenn
auch mit dem bergmännischen Risiko verbundene Gewinne geblendet, sich an die
Syndikatstafel drängten und zeitweilig eine Ära fieberhaften Gründungstaumels
inaugurierten. Dies Mißverhältnis, das von Jahr zu Jahr stärker fühlbar
wurde, konnte zur Not ausgeglichen werden, solange der Syndikatsgedanke
dominierte und die verschiedenen Kaliwerke zu einer wirtschaftlichen Gemeinschaft
zusammenführte, die die Produktion beschränkte, d. h. auf die einzelnen Syndikats¬
merke nach einen: bestimmten Verhältnis verteilte und die notwendige Spannung
zwischen Inland- und Auslandpreisen aufrecht erhielt. Dadurch konnte jedes
Kaliwerk auch bei beschränkter Förderung einen, wenn auch nicht reichlichen,
doch immerhin befriedigenden Nutzen abwerfen. Der Syndikatsgedanke erfordert
aber als erste und unerläßlichste Voraussetzung die Selbstbeschränkung; es
ist ganz klar, daß es für jedes neu entstehende Werk eine Kleinigkeit war, das
Syndikat zu gefährden, ja sogar zu sprengen, wenn es auf Kosten der All¬
gemeinheit mit seinem Kali zu billigeren als den Syndikatspreisen ins Ausland
ging. Für den Preisausfall kounte es ja überreichlicher Ersatz in einer
gesteigerten Förderung finden, die nicht unwesentlich die Selbstkosten verringert.
Weil Kali ein deutsches Naturmonopol ist, konnte das Syndikat die Aus¬
landspreise relativ hoch bemessen; und wiederum, weil Kali ein deutsches
Naturmonopol ist, konnte jeder Außenseiter sicher sein, zu herabgesetzten
Preisen seine ganze Produktion im Ausland loszuwerden und noch mehr
zu verdienen als im Syndikat. So erklärt sich das oben ausgesprochene scheinbare
Paradoxon.

Es konnte sich also nur darum handeln, ob sich ein deutsches Kaliwerk
findet, das den Wagemut, das Organisationstalent und die erforderlichen
geschäftlichen Verbindungen hatte, unabhängig vom Syndikat sich ein größeres
Absatzgebiet im Ausland zu sichern und demgemäß seine geschäftlichen Operationen
einzurichten. Dann mußte das schon lange latente Mißverhältnis, der Fehler in
der Konstruktion des Kalisyndikats akut werden. Und dieses Werk fand sich, erst
in Sollstedt, dann in Aschersleben, besser gesagt in ihren Haupteigentümern
Hermann Schmidtmann und seinem Sohn Waldemar. In einer längeren
Vorarbeit hatten die Schmidtmanns sich erst für Sollstedt, dann auch für
Aschersleben so ziemlich das ganze nordamerikanische Absatzgebiet gesichert; es
würde zu weit führen, hier die unleugbaren Fehler der Syndikatsverwaltung
und der geschäftlichen Syndikatstaktik zu erörtern, die in einer gewissen Methode
des laisser taire, laisser aller ihrem schärfsten Gegner den Spielraum und


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Es ist demnach eine erhebliche Kulturarbeit, die in dieser Kalipropagcmda
geleistet wird. Aber daraus ergibt sich auch, daß der Absatz, so erfreuliche und
anerkennenswerte Fortschritte er gemacht hat, nicht so rapid steigen kann, wie
es beispielsweise in der viel jüngeren Elektrizitäts-Jndustrie möglich war. Auch
mit der Vermehrung neuer Produktionsstätten kaun er nicht gleichen Schritt halten;
er kann nicht wachsen im gleichen Verhältnis zum Entstehen neuer Kali¬
werke, die, durch die Aussicht auf reiche und verhältnismäßig mühelose, wenn
auch mit dem bergmännischen Risiko verbundene Gewinne geblendet, sich an die
Syndikatstafel drängten und zeitweilig eine Ära fieberhaften Gründungstaumels
inaugurierten. Dies Mißverhältnis, das von Jahr zu Jahr stärker fühlbar
wurde, konnte zur Not ausgeglichen werden, solange der Syndikatsgedanke
dominierte und die verschiedenen Kaliwerke zu einer wirtschaftlichen Gemeinschaft
zusammenführte, die die Produktion beschränkte, d. h. auf die einzelnen Syndikats¬
merke nach einen: bestimmten Verhältnis verteilte und die notwendige Spannung
zwischen Inland- und Auslandpreisen aufrecht erhielt. Dadurch konnte jedes
Kaliwerk auch bei beschränkter Förderung einen, wenn auch nicht reichlichen,
doch immerhin befriedigenden Nutzen abwerfen. Der Syndikatsgedanke erfordert
aber als erste und unerläßlichste Voraussetzung die Selbstbeschränkung; es
ist ganz klar, daß es für jedes neu entstehende Werk eine Kleinigkeit war, das
Syndikat zu gefährden, ja sogar zu sprengen, wenn es auf Kosten der All¬
gemeinheit mit seinem Kali zu billigeren als den Syndikatspreisen ins Ausland
ging. Für den Preisausfall kounte es ja überreichlicher Ersatz in einer
gesteigerten Förderung finden, die nicht unwesentlich die Selbstkosten verringert.
Weil Kali ein deutsches Naturmonopol ist, konnte das Syndikat die Aus¬
landspreise relativ hoch bemessen; und wiederum, weil Kali ein deutsches
Naturmonopol ist, konnte jeder Außenseiter sicher sein, zu herabgesetzten
Preisen seine ganze Produktion im Ausland loszuwerden und noch mehr
zu verdienen als im Syndikat. So erklärt sich das oben ausgesprochene scheinbare
Paradoxon.

Es konnte sich also nur darum handeln, ob sich ein deutsches Kaliwerk
findet, das den Wagemut, das Organisationstalent und die erforderlichen
geschäftlichen Verbindungen hatte, unabhängig vom Syndikat sich ein größeres
Absatzgebiet im Ausland zu sichern und demgemäß seine geschäftlichen Operationen
einzurichten. Dann mußte das schon lange latente Mißverhältnis, der Fehler in
der Konstruktion des Kalisyndikats akut werden. Und dieses Werk fand sich, erst
in Sollstedt, dann in Aschersleben, besser gesagt in ihren Haupteigentümern
Hermann Schmidtmann und seinem Sohn Waldemar. In einer längeren
Vorarbeit hatten die Schmidtmanns sich erst für Sollstedt, dann auch für
Aschersleben so ziemlich das ganze nordamerikanische Absatzgebiet gesichert; es
würde zu weit führen, hier die unleugbaren Fehler der Syndikatsverwaltung
und der geschäftlichen Syndikatstaktik zu erörtern, die in einer gewissen Methode
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/225>, abgerufen am 29.06.2024.