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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Das Reichs-Rnligesetz

Staaten durch erheblichen Besitz an Kalifeldern und Bergwerken interessiert sind,
sich selbst zu überlassen, daß es hohe Zeit ist, dieses Naturmonopol, das einzig
wertvolle, das Deutschland besitzt, vor ausländischer Begehrlichkeit und Ausbeutung
zu schützen. Alle Ackerbauländer der Welt, die eine systematisch kultivierte
Landwirtschaft betreiben, sind für den Bezug von Kalisalzen als wertvolles Dünge¬
mittel auf Deutschland angewiesen und sind uns tributpflichtig. Hier liegt der
wunde Punkt, an dem die Kali-Industrie leidet, und der das Eingreifen der
Gesetzgebung herausgefordert hat. Das klingt paradox, liegt aber in den
eigenartigen Verhältnissen der Kali-Industrie und der Kalianwendung begründet.
Kali ist kein Wunderelixir, das an sich überzeugt und ohne weiteres reißend
abgeht. Seine Anwendung erfordert ein System, praktische Erfahrung und wissen¬
schaftliche Schulung. Es hat viel Zeit gebraucht, ehe der von Natur aus
skeptische deutsche Bauer den Wert der Kalidüngung gelernt und sich dazu bekannt
hat. Selbst in Deutschland, dessen Landwirtschaft so ziemlich auf der Höhe der
wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften steht, gibt es uoch immer nicht
unbeträchtliche Bezirke, in denen die Kalidüngung fast unbekannt ist. Unter diesen
Umstünden ist es einleuchtend, daß die Einführung der Kalidüngung im Ausland
noch viel größere Schwierigkeiten zu überwinden hat.

Die Kalipropaganda ist nun in großem Maßstabe wissenschaftlich, pmktisci-
und kaufmännisch vom Kalisyndikat, zu dem sich die deutschen Kaliwerke
seit 1889 zusammengeschlossen hatten, organisiert worden. Heute bestehen in
Deutschland 12, im gesamten Auslande, in allen Erdteilen iZI Propaganda¬
bureaus, die von der Zentrale in Staßfurt geleitet werden. Durch Versuchs¬
stationen, Wanderredner, zahllose Belehrnngsschrifteu in allen .Kultursprachen,
Kalender u. tgi. ist der Gesamtabsatz an Kalisalzen von rund 1123 000
Doppelzentnern im Wert von 25 Millionen Mark im Jahre 1889 auf etwa
7 Millionen Doppelzentner im Wert von ungefähr 115 Millionen Mark im
Jahre 1909 gestiegen. In zwei Jahrzehnten ist somit der Käliabsatz versechsfacht
worden. Gewiß eine sehr anerkennenswerte Leistung, die aber nur möglich
war auf Grund einer Organisation, die im Syndikat, also in dem Zusammen¬
schluß aller Werke ihre Grundlage und zugleich ihren festen Tragpfeiler hatte. Denn
es ist Kar, daß eine so große und umfassende Propaganda, die ihre Fäden
um die ganze Welt zieht, Mittel beansprucht, die weit über die materielle
Leistungsfähigkeit und das Vermögen eines einzelnen Werkes hinausgehen.
Auch hier dürften einige Zahlen von Interesse Selin Der Wandkalender des
Syndikats mit den Düngungsvorschriftcn wird in 60 000 Exemplaren jährlich
verteilt; von der Zentralstelle werden jährlich 3 Millionen Broschüren und
Flugschriften versandt; von den deutschen Propagandabureaus allein etwa 800000,
von den 14 europäischen 1i/-> Millionen. Die außereuropäischen Schriften sind
nicht a klein in den Weltsprachen abgefaßt, sondern auch in singhalesischer, malayischer,
gujarytischer und tamilischer Sprache, in Idiomen, von denen gemeinhin mir
der gelehrte Sprachforscher eine Vorstellung hat.


Das Reichs-Rnligesetz

Staaten durch erheblichen Besitz an Kalifeldern und Bergwerken interessiert sind,
sich selbst zu überlassen, daß es hohe Zeit ist, dieses Naturmonopol, das einzig
wertvolle, das Deutschland besitzt, vor ausländischer Begehrlichkeit und Ausbeutung
zu schützen. Alle Ackerbauländer der Welt, die eine systematisch kultivierte
Landwirtschaft betreiben, sind für den Bezug von Kalisalzen als wertvolles Dünge¬
mittel auf Deutschland angewiesen und sind uns tributpflichtig. Hier liegt der
wunde Punkt, an dem die Kali-Industrie leidet, und der das Eingreifen der
Gesetzgebung herausgefordert hat. Das klingt paradox, liegt aber in den
eigenartigen Verhältnissen der Kali-Industrie und der Kalianwendung begründet.
Kali ist kein Wunderelixir, das an sich überzeugt und ohne weiteres reißend
abgeht. Seine Anwendung erfordert ein System, praktische Erfahrung und wissen¬
schaftliche Schulung. Es hat viel Zeit gebraucht, ehe der von Natur aus
skeptische deutsche Bauer den Wert der Kalidüngung gelernt und sich dazu bekannt
hat. Selbst in Deutschland, dessen Landwirtschaft so ziemlich auf der Höhe der
wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften steht, gibt es uoch immer nicht
unbeträchtliche Bezirke, in denen die Kalidüngung fast unbekannt ist. Unter diesen
Umstünden ist es einleuchtend, daß die Einführung der Kalidüngung im Ausland
noch viel größere Schwierigkeiten zu überwinden hat.

Die Kalipropaganda ist nun in großem Maßstabe wissenschaftlich, pmktisci-
und kaufmännisch vom Kalisyndikat, zu dem sich die deutschen Kaliwerke
seit 1889 zusammengeschlossen hatten, organisiert worden. Heute bestehen in
Deutschland 12, im gesamten Auslande, in allen Erdteilen iZI Propaganda¬
bureaus, die von der Zentrale in Staßfurt geleitet werden. Durch Versuchs¬
stationen, Wanderredner, zahllose Belehrnngsschrifteu in allen .Kultursprachen,
Kalender u. tgi. ist der Gesamtabsatz an Kalisalzen von rund 1123 000
Doppelzentnern im Wert von 25 Millionen Mark im Jahre 1889 auf etwa
7 Millionen Doppelzentner im Wert von ungefähr 115 Millionen Mark im
Jahre 1909 gestiegen. In zwei Jahrzehnten ist somit der Käliabsatz versechsfacht
worden. Gewiß eine sehr anerkennenswerte Leistung, die aber nur möglich
war auf Grund einer Organisation, die im Syndikat, also in dem Zusammen¬
schluß aller Werke ihre Grundlage und zugleich ihren festen Tragpfeiler hatte. Denn
es ist Kar, daß eine so große und umfassende Propaganda, die ihre Fäden
um die ganze Welt zieht, Mittel beansprucht, die weit über die materielle
Leistungsfähigkeit und das Vermögen eines einzelnen Werkes hinausgehen.
Auch hier dürften einige Zahlen von Interesse Selin Der Wandkalender des
Syndikats mit den Düngungsvorschriftcn wird in 60 000 Exemplaren jährlich
verteilt; von der Zentralstelle werden jährlich 3 Millionen Broschüren und
Flugschriften versandt; von den deutschen Propagandabureaus allein etwa 800000,
von den 14 europäischen 1i/-> Millionen. Die außereuropäischen Schriften sind
nicht a klein in den Weltsprachen abgefaßt, sondern auch in singhalesischer, malayischer,
gujarytischer und tamilischer Sprache, in Idiomen, von denen gemeinhin mir
der gelehrte Sprachforscher eine Vorstellung hat.


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[0224] Das Reichs-Rnligesetz Staaten durch erheblichen Besitz an Kalifeldern und Bergwerken interessiert sind, sich selbst zu überlassen, daß es hohe Zeit ist, dieses Naturmonopol, das einzig wertvolle, das Deutschland besitzt, vor ausländischer Begehrlichkeit und Ausbeutung zu schützen. Alle Ackerbauländer der Welt, die eine systematisch kultivierte Landwirtschaft betreiben, sind für den Bezug von Kalisalzen als wertvolles Dünge¬ mittel auf Deutschland angewiesen und sind uns tributpflichtig. Hier liegt der wunde Punkt, an dem die Kali-Industrie leidet, und der das Eingreifen der Gesetzgebung herausgefordert hat. Das klingt paradox, liegt aber in den eigenartigen Verhältnissen der Kali-Industrie und der Kalianwendung begründet. Kali ist kein Wunderelixir, das an sich überzeugt und ohne weiteres reißend abgeht. Seine Anwendung erfordert ein System, praktische Erfahrung und wissen¬ schaftliche Schulung. Es hat viel Zeit gebraucht, ehe der von Natur aus skeptische deutsche Bauer den Wert der Kalidüngung gelernt und sich dazu bekannt hat. Selbst in Deutschland, dessen Landwirtschaft so ziemlich auf der Höhe der wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften steht, gibt es uoch immer nicht unbeträchtliche Bezirke, in denen die Kalidüngung fast unbekannt ist. Unter diesen Umstünden ist es einleuchtend, daß die Einführung der Kalidüngung im Ausland noch viel größere Schwierigkeiten zu überwinden hat. Die Kalipropaganda ist nun in großem Maßstabe wissenschaftlich, pmktisci- und kaufmännisch vom Kalisyndikat, zu dem sich die deutschen Kaliwerke seit 1889 zusammengeschlossen hatten, organisiert worden. Heute bestehen in Deutschland 12, im gesamten Auslande, in allen Erdteilen iZI Propaganda¬ bureaus, die von der Zentrale in Staßfurt geleitet werden. Durch Versuchs¬ stationen, Wanderredner, zahllose Belehrnngsschrifteu in allen .Kultursprachen, Kalender u. tgi. ist der Gesamtabsatz an Kalisalzen von rund 1123 000 Doppelzentnern im Wert von 25 Millionen Mark im Jahre 1889 auf etwa 7 Millionen Doppelzentner im Wert von ungefähr 115 Millionen Mark im Jahre 1909 gestiegen. In zwei Jahrzehnten ist somit der Käliabsatz versechsfacht worden. Gewiß eine sehr anerkennenswerte Leistung, die aber nur möglich war auf Grund einer Organisation, die im Syndikat, also in dem Zusammen¬ schluß aller Werke ihre Grundlage und zugleich ihren festen Tragpfeiler hatte. Denn es ist Kar, daß eine so große und umfassende Propaganda, die ihre Fäden um die ganze Welt zieht, Mittel beansprucht, die weit über die materielle Leistungsfähigkeit und das Vermögen eines einzelnen Werkes hinausgehen. Auch hier dürften einige Zahlen von Interesse Selin Der Wandkalender des Syndikats mit den Düngungsvorschriftcn wird in 60 000 Exemplaren jährlich verteilt; von der Zentralstelle werden jährlich 3 Millionen Broschüren und Flugschriften versandt; von den deutschen Propagandabureaus allein etwa 800000, von den 14 europäischen 1i/-> Millionen. Die außereuropäischen Schriften sind nicht a klein in den Weltsprachen abgefaßt, sondern auch in singhalesischer, malayischer, gujarytischer und tamilischer Sprache, in Idiomen, von denen gemeinhin mir der gelehrte Sprachforscher eine Vorstellung hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/224>, abgerufen am 29.06.2024.