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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Der Entwurf eines ^tellenvermittlergesetzes*)
von Geh. Reg.-Rat Dr. Seidel

chon seit längerer Zeit wurde über Mißstände im Stellen¬
vermittelungswesen Klage geführt und gesetzgeberisches Einschreiten
gefordert. Es wurde über die Unzuverlässigkeit vieler
Stellenvermittler geklagt und darüber, daß die Betriebe mit
anderen Berufen verbunden sind. Auch nach Inkrafttreten der
Novelle der Gewerbeordnung vom 30. Juni 1900 (R.G.Bl. S. 321) und
nach Erlaß des Gesetzes, betreffend die Stellenvermittelung der Schiffsleute
vom 2. Juni 1902 (R G.Bl. S. 215), sind diese Klagen nicht verstummt. Die
in diesen Gesetzen, besonders in der Gewerbeordnungsnovelle, getroffene Regelung
des Stellenvermittlergewerbes hat ebensowenig wie die in früheren Novellen
vorgesehenen Verschärfungen ausgereicht, um die Mißstände, deren Bekämpfung
sie dienen sollten, zu beseitigen.

Zahlreiche Interessengruppen, u. a. auch das preußische Landesökonomie-
kollegium, die Landwirtschaftskammern, die Arbeitsnachweisverbände, haben den
dringenden Wunsch nach Änderung der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen
ausgesprochen.

Es ist dies natürlich, denn die Stellenvermittelung hat im Laufe unsrer
Wirtschaftlichen Entwickelung eine außergewöhnliche Bedeutung bekommen,
vornehmlich durch die Freizügigkeit, den Eisenbahnverkehr, die internationalen
Beziehungen mancher Gewerbe, wie beim Gastwirtschaftsgewerbe, die steigende
Nachfrage nach Arbeitskräften von feiten der Industrie, den Mangel an Arbeits¬
kräften in der Landwirtschaft, die Zunahme der Saisonarbeit und ähnliche wirt¬
schaftliche Vorgänge. Alles dies drängte nach einer zusammenfassenden Organisation
der Stellenvermittelung und des Arbeitsnachweises auf öffentlich-recht¬
licher Grundlage unter Leitung und Aufsicht des Staates. Neben den
Stellenvermittlern haben die gemeinnützigen Vereine die Stellenvermittelung
bestimmter Kategorien übernommen, ebenso Kommunen und weitere kommunale
Verbände. Staat und Kommunen sind bestrebt gewesen, aus öffentlichen Mitteln
diese verschiedenen Arten des Arbeitsnachweises zu unterstützen. In letzter Zeit



*) Nach den amtlichen Materialien bearbeitet.


Der Entwurf eines ^tellenvermittlergesetzes*)
von Geh. Reg.-Rat Dr. Seidel

chon seit längerer Zeit wurde über Mißstände im Stellen¬
vermittelungswesen Klage geführt und gesetzgeberisches Einschreiten
gefordert. Es wurde über die Unzuverlässigkeit vieler
Stellenvermittler geklagt und darüber, daß die Betriebe mit
anderen Berufen verbunden sind. Auch nach Inkrafttreten der
Novelle der Gewerbeordnung vom 30. Juni 1900 (R.G.Bl. S. 321) und
nach Erlaß des Gesetzes, betreffend die Stellenvermittelung der Schiffsleute
vom 2. Juni 1902 (R G.Bl. S. 215), sind diese Klagen nicht verstummt. Die
in diesen Gesetzen, besonders in der Gewerbeordnungsnovelle, getroffene Regelung
des Stellenvermittlergewerbes hat ebensowenig wie die in früheren Novellen
vorgesehenen Verschärfungen ausgereicht, um die Mißstände, deren Bekämpfung
sie dienen sollten, zu beseitigen.

Zahlreiche Interessengruppen, u. a. auch das preußische Landesökonomie-
kollegium, die Landwirtschaftskammern, die Arbeitsnachweisverbände, haben den
dringenden Wunsch nach Änderung der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen
ausgesprochen.

Es ist dies natürlich, denn die Stellenvermittelung hat im Laufe unsrer
Wirtschaftlichen Entwickelung eine außergewöhnliche Bedeutung bekommen,
vornehmlich durch die Freizügigkeit, den Eisenbahnverkehr, die internationalen
Beziehungen mancher Gewerbe, wie beim Gastwirtschaftsgewerbe, die steigende
Nachfrage nach Arbeitskräften von feiten der Industrie, den Mangel an Arbeits¬
kräften in der Landwirtschaft, die Zunahme der Saisonarbeit und ähnliche wirt¬
schaftliche Vorgänge. Alles dies drängte nach einer zusammenfassenden Organisation
der Stellenvermittelung und des Arbeitsnachweises auf öffentlich-recht¬
licher Grundlage unter Leitung und Aufsicht des Staates. Neben den
Stellenvermittlern haben die gemeinnützigen Vereine die Stellenvermittelung
bestimmter Kategorien übernommen, ebenso Kommunen und weitere kommunale
Verbände. Staat und Kommunen sind bestrebt gewesen, aus öffentlichen Mitteln
diese verschiedenen Arten des Arbeitsnachweises zu unterstützen. In letzter Zeit



*) Nach den amtlichen Materialien bearbeitet.
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[0218] [Abbildung] Der Entwurf eines ^tellenvermittlergesetzes*) von Geh. Reg.-Rat Dr. Seidel chon seit längerer Zeit wurde über Mißstände im Stellen¬ vermittelungswesen Klage geführt und gesetzgeberisches Einschreiten gefordert. Es wurde über die Unzuverlässigkeit vieler Stellenvermittler geklagt und darüber, daß die Betriebe mit anderen Berufen verbunden sind. Auch nach Inkrafttreten der Novelle der Gewerbeordnung vom 30. Juni 1900 (R.G.Bl. S. 321) und nach Erlaß des Gesetzes, betreffend die Stellenvermittelung der Schiffsleute vom 2. Juni 1902 (R G.Bl. S. 215), sind diese Klagen nicht verstummt. Die in diesen Gesetzen, besonders in der Gewerbeordnungsnovelle, getroffene Regelung des Stellenvermittlergewerbes hat ebensowenig wie die in früheren Novellen vorgesehenen Verschärfungen ausgereicht, um die Mißstände, deren Bekämpfung sie dienen sollten, zu beseitigen. Zahlreiche Interessengruppen, u. a. auch das preußische Landesökonomie- kollegium, die Landwirtschaftskammern, die Arbeitsnachweisverbände, haben den dringenden Wunsch nach Änderung der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen ausgesprochen. Es ist dies natürlich, denn die Stellenvermittelung hat im Laufe unsrer Wirtschaftlichen Entwickelung eine außergewöhnliche Bedeutung bekommen, vornehmlich durch die Freizügigkeit, den Eisenbahnverkehr, die internationalen Beziehungen mancher Gewerbe, wie beim Gastwirtschaftsgewerbe, die steigende Nachfrage nach Arbeitskräften von feiten der Industrie, den Mangel an Arbeits¬ kräften in der Landwirtschaft, die Zunahme der Saisonarbeit und ähnliche wirt¬ schaftliche Vorgänge. Alles dies drängte nach einer zusammenfassenden Organisation der Stellenvermittelung und des Arbeitsnachweises auf öffentlich-recht¬ licher Grundlage unter Leitung und Aufsicht des Staates. Neben den Stellenvermittlern haben die gemeinnützigen Vereine die Stellenvermittelung bestimmter Kategorien übernommen, ebenso Kommunen und weitere kommunale Verbände. Staat und Kommunen sind bestrebt gewesen, aus öffentlichen Mitteln diese verschiedenen Arten des Arbeitsnachweises zu unterstützen. In letzter Zeit *) Nach den amtlichen Materialien bearbeitet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/218>, abgerufen am 29.06.2024.