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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Einzelheiten aus den personalverhältnissen der preußischen Verwaltung

die Neigung zu unnützer Vielschreiberei gefördert werde. Den Staat endlich
koste die jetzige Einrichtung unnötig viel Geld. Außerdem erwähnt Klonau
flüchtig die jetzt übliche Günstlingswirtschaft, die darauf beruhe, daß die
Personalien der Verwaltungsbeamten nicht ähnlich den militärischen Personalien
im Zivilkabinett bearbeitet würden.

Nun wird man Klonau darin zustimmen müssen, daß in der Tat mancher
höhere Regierungsbeamte nicht voll beschäftigt ist. Daraus folgt aber noch
nicht, daß es zu viel höhere Beamte bei den Regierungen gibt; den nicht aus¬
reichend beschäftigten Beamten stehen hier genug andere gegenüber, die über¬
lastet sind. Überdies hebt Lotz gegenüber Klonau zutreffend hervor, daß die
Zahl der Stunden, die ein Beamter auf der Behörde zubringt, keinen Maßstab
für seine Arbeitsleistung geben kann. Grade der höhere Verwaltungsbeamte
muß neben der Erledigung der praktischen Bureauarbeit noch die Zeit haben,
nicht nur auf den Gebieten, mit denen er dienstlich befaßt ist, theoretisch weiter
zu arbeiten, sondern auch seine allgemeine Bildung zu fördern, damit er stets
über den Dingen steht. Dadurch unterscheidet sich seine Tätigkeit von der des
Bureaubeamten. Namentlich muß er auch an den: Leben seines Volkes teil¬
nehmen können, damit er dessen Bedürfnisse kennen lernt und nicht ein Fremd¬
ling in dem Lande bleibt, dem er dienen soll.

Übrigens irrt auch Klonau darin, daß es die ungenügende Beschäftigung
sei, die die Beamten zu unnötiger Vielschreiberei verführe. Psychologisch
dürfte das Gegenteil richtig sein. Vielschreiberei hat vielmehr ihre Ursache in
einer falschen, unpraktischen Dienstführung überhaupt oder in dem Bestreben,
sich hervorzutun. Insofern hängt sie mit der Günstlingswirtschaft zusammen,
die jetzt bei uns herrscht. Damit hat Klonau einen wunden Punkt berührt.
Ob freilich sein Vorschlag, diese Wirtschaft durch Übertragung der Personalien
an das Zivilkabinett zu beseitigen, praktisch durchführbar wäre, scheint mir
zweifelhaft. --

Freiherr von Zedlitz erwähnt, daß der verstorbene Minister von Miquel
die Ursache der ungenügenden Leistungen der Verwaltung vornehmlich in der
unzureichenden Vorbildung der Verwaltungsbeamten gesucht habe. Seine eigene
Meinung ist, daß die Vorbildung der Verwaltungsbeamten durch das neue
Gesetz, über das ich mich in meinem zweiten Artikel gründlich ausgesprochen
habe, nunmehr befriedigend geregelt sei. Ich bin seit der Niederschrift meines
Artikels immer mehr in der Ansicht befestigt worden, daß die neue Ausbildung
schlechter ist als die frühere, und auf die Dauer verhängnisvoll wirken muß --
namentlich dann, wenn man allerhand weitere Pläne, von denen ich gehört
habe, ausführen sollte. Ich komme hierauf noch zurück. --

Mehrere Kritiker, von Massow, Klonau und Lotz, bezeichnen es überein¬
stimmend als einen Mangel, daß die Verwaltungsbeamten jetzt durch Rang und
Gehalt an die ihnen einmal verliehenen Stellen gefesselt seien. Lotz insbesondere
findet, daß die "ungeheuer" verschiedene Besoldung unsrer einzelnen Beamten-


Einzelheiten aus den personalverhältnissen der preußischen Verwaltung

die Neigung zu unnützer Vielschreiberei gefördert werde. Den Staat endlich
koste die jetzige Einrichtung unnötig viel Geld. Außerdem erwähnt Klonau
flüchtig die jetzt übliche Günstlingswirtschaft, die darauf beruhe, daß die
Personalien der Verwaltungsbeamten nicht ähnlich den militärischen Personalien
im Zivilkabinett bearbeitet würden.

Nun wird man Klonau darin zustimmen müssen, daß in der Tat mancher
höhere Regierungsbeamte nicht voll beschäftigt ist. Daraus folgt aber noch
nicht, daß es zu viel höhere Beamte bei den Regierungen gibt; den nicht aus¬
reichend beschäftigten Beamten stehen hier genug andere gegenüber, die über¬
lastet sind. Überdies hebt Lotz gegenüber Klonau zutreffend hervor, daß die
Zahl der Stunden, die ein Beamter auf der Behörde zubringt, keinen Maßstab
für seine Arbeitsleistung geben kann. Grade der höhere Verwaltungsbeamte
muß neben der Erledigung der praktischen Bureauarbeit noch die Zeit haben,
nicht nur auf den Gebieten, mit denen er dienstlich befaßt ist, theoretisch weiter
zu arbeiten, sondern auch seine allgemeine Bildung zu fördern, damit er stets
über den Dingen steht. Dadurch unterscheidet sich seine Tätigkeit von der des
Bureaubeamten. Namentlich muß er auch an den: Leben seines Volkes teil¬
nehmen können, damit er dessen Bedürfnisse kennen lernt und nicht ein Fremd¬
ling in dem Lande bleibt, dem er dienen soll.

Übrigens irrt auch Klonau darin, daß es die ungenügende Beschäftigung
sei, die die Beamten zu unnötiger Vielschreiberei verführe. Psychologisch
dürfte das Gegenteil richtig sein. Vielschreiberei hat vielmehr ihre Ursache in
einer falschen, unpraktischen Dienstführung überhaupt oder in dem Bestreben,
sich hervorzutun. Insofern hängt sie mit der Günstlingswirtschaft zusammen,
die jetzt bei uns herrscht. Damit hat Klonau einen wunden Punkt berührt.
Ob freilich sein Vorschlag, diese Wirtschaft durch Übertragung der Personalien
an das Zivilkabinett zu beseitigen, praktisch durchführbar wäre, scheint mir
zweifelhaft. —

Freiherr von Zedlitz erwähnt, daß der verstorbene Minister von Miquel
die Ursache der ungenügenden Leistungen der Verwaltung vornehmlich in der
unzureichenden Vorbildung der Verwaltungsbeamten gesucht habe. Seine eigene
Meinung ist, daß die Vorbildung der Verwaltungsbeamten durch das neue
Gesetz, über das ich mich in meinem zweiten Artikel gründlich ausgesprochen
habe, nunmehr befriedigend geregelt sei. Ich bin seit der Niederschrift meines
Artikels immer mehr in der Ansicht befestigt worden, daß die neue Ausbildung
schlechter ist als die frühere, und auf die Dauer verhängnisvoll wirken muß —
namentlich dann, wenn man allerhand weitere Pläne, von denen ich gehört
habe, ausführen sollte. Ich komme hierauf noch zurück. —

Mehrere Kritiker, von Massow, Klonau und Lotz, bezeichnen es überein¬
stimmend als einen Mangel, daß die Verwaltungsbeamten jetzt durch Rang und
Gehalt an die ihnen einmal verliehenen Stellen gefesselt seien. Lotz insbesondere
findet, daß die „ungeheuer" verschiedene Besoldung unsrer einzelnen Beamten-


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[0206] Einzelheiten aus den personalverhältnissen der preußischen Verwaltung die Neigung zu unnützer Vielschreiberei gefördert werde. Den Staat endlich koste die jetzige Einrichtung unnötig viel Geld. Außerdem erwähnt Klonau flüchtig die jetzt übliche Günstlingswirtschaft, die darauf beruhe, daß die Personalien der Verwaltungsbeamten nicht ähnlich den militärischen Personalien im Zivilkabinett bearbeitet würden. Nun wird man Klonau darin zustimmen müssen, daß in der Tat mancher höhere Regierungsbeamte nicht voll beschäftigt ist. Daraus folgt aber noch nicht, daß es zu viel höhere Beamte bei den Regierungen gibt; den nicht aus¬ reichend beschäftigten Beamten stehen hier genug andere gegenüber, die über¬ lastet sind. Überdies hebt Lotz gegenüber Klonau zutreffend hervor, daß die Zahl der Stunden, die ein Beamter auf der Behörde zubringt, keinen Maßstab für seine Arbeitsleistung geben kann. Grade der höhere Verwaltungsbeamte muß neben der Erledigung der praktischen Bureauarbeit noch die Zeit haben, nicht nur auf den Gebieten, mit denen er dienstlich befaßt ist, theoretisch weiter zu arbeiten, sondern auch seine allgemeine Bildung zu fördern, damit er stets über den Dingen steht. Dadurch unterscheidet sich seine Tätigkeit von der des Bureaubeamten. Namentlich muß er auch an den: Leben seines Volkes teil¬ nehmen können, damit er dessen Bedürfnisse kennen lernt und nicht ein Fremd¬ ling in dem Lande bleibt, dem er dienen soll. Übrigens irrt auch Klonau darin, daß es die ungenügende Beschäftigung sei, die die Beamten zu unnötiger Vielschreiberei verführe. Psychologisch dürfte das Gegenteil richtig sein. Vielschreiberei hat vielmehr ihre Ursache in einer falschen, unpraktischen Dienstführung überhaupt oder in dem Bestreben, sich hervorzutun. Insofern hängt sie mit der Günstlingswirtschaft zusammen, die jetzt bei uns herrscht. Damit hat Klonau einen wunden Punkt berührt. Ob freilich sein Vorschlag, diese Wirtschaft durch Übertragung der Personalien an das Zivilkabinett zu beseitigen, praktisch durchführbar wäre, scheint mir zweifelhaft. — Freiherr von Zedlitz erwähnt, daß der verstorbene Minister von Miquel die Ursache der ungenügenden Leistungen der Verwaltung vornehmlich in der unzureichenden Vorbildung der Verwaltungsbeamten gesucht habe. Seine eigene Meinung ist, daß die Vorbildung der Verwaltungsbeamten durch das neue Gesetz, über das ich mich in meinem zweiten Artikel gründlich ausgesprochen habe, nunmehr befriedigend geregelt sei. Ich bin seit der Niederschrift meines Artikels immer mehr in der Ansicht befestigt worden, daß die neue Ausbildung schlechter ist als die frühere, und auf die Dauer verhängnisvoll wirken muß — namentlich dann, wenn man allerhand weitere Pläne, von denen ich gehört habe, ausführen sollte. Ich komme hierauf noch zurück. — Mehrere Kritiker, von Massow, Klonau und Lotz, bezeichnen es überein¬ stimmend als einen Mangel, daß die Verwaltungsbeamten jetzt durch Rang und Gehalt an die ihnen einmal verliehenen Stellen gefesselt seien. Lotz insbesondere findet, daß die „ungeheuer" verschiedene Besoldung unsrer einzelnen Beamten-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/206>, abgerufen am 29.06.2024.