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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Einzelheiten aus den Personalverhältnissen der preußischen Verwaltung

klaffen, die in der Hauptsache auf zufälligen Ergebnissen der geschichtlichen Ent¬
wicklung beruhen, keine innere Berechtigung mehr habe und der "modernen"
Auffassung widerspräche, wofür wir uns die Verhältnisse in den Vereinigten
Staaten als Vorbild dienen lassen könnten. Nach moderner Auffassung habe
die Besoldung für die die ganze Person und Arbeitskraft ausfüllende Berufs¬
arbeit des Beamten den Charakter der Alimentation, des standesgemäßen Unter¬
halts. Da aber heute alle Tätigkeit des höhern Beamten mit akademischer
Bildung grundsätzlich als gleichwert anerkannt werden müsse, einerlei, ob sie im
Zentrum oder draußen geleistet werde, so sei sie auch gleichmäßig zu entlohnen.
Es sei dies auch bei der Beratung der preußischen Besoldungsvorlage von 1896
durch viele "beachtenswerte" Anträge anerkannt worden, die darauf abgezielt
hättet!, daß alle akademisch gebildeten Berufsbeamten mit eiuer ähnlichen Ein¬
richtung und Dauer der Studien, des Vorbereitungsdienstes und der Wartezett
bis zur etatsmäßigen Anstellung im allgemeinen in demselben Alter zu denselben
Ehrenrechten und demselben Gehalt aufsteigen könnten, also z. B. die Amts¬
und Landrichter den Regierungsräten, die Präsidenten der übrigen Provinzial-
behörden den Regierungspräsidenten gleichgestellt würden.

Lotz meint, daß die jetzigen Entrichtungen in der Beamtenschaft das Gefühl
der Bevorzugung andrer oder der Zurücksetzung der eignen Person, Mißgunst
und Streberei beförderten. Vor allem sehen aber die drei Kritiker darin einen
Übelstand, daß infolge der eben erwähnten Einrichtungen jetzt die Beamten nicht
zwischen den Zentral- und den Provinzial- und Bezirks- und Kreisbehörden ohne
weiteres ausgetauscht werden könnten. Dadurch wird nach Lotz verhindert, daß
die Erfahrungen der Beamten, die mitten im praktischen Leben oder ihm doch
recht nahe ständen, im Zentrum nutzbar gemacht werden könnten, oder daß
umgekehrt die Anschauungen und Bestrebungen der Zentralstellen auf Provinz,
Bezirk und Kreis anregend, belehrend, befruchtend wirkten. Nur durch einen
solchen Austausch könne aber das Ziel erreicht werden, nicht nur den Behörden
als solchen ihren universalen Charakter zurückzugeben, sondern auch der Mehr¬
zahl der Beamten zu einer gewissen Universalität, einem lückenlosen Überblick
über die staatsrechtlichen und volkswirtschaftlichen Verhältnisse zu verhelfen und
sie so zu geeigneten Trägern politischen Fortschritts zu befähigen. Für die
Ministerien insbesondre sei es nachteilig, daß man ihnen jetzt nicht öfters frisches
Blut zuführen könne und daß die Ministerialräte jetzt keine Gelegenheit hätten,
zeitweilig in die Provinz zurückzukehren, um sich durch die Berührung mit dem
frischen Strom des Lebens vor Unfehlbarkeit glauben, Verknöcherung und Bureau¬
kratismus zu bewahren. Klonau weist in diesem Zusammenhang darauf hin,
daß die meisten Ministerialräte schon in jüngern Jahren in ihre Stellungen
kämen und daß ein großer Teil von ihnen niemals Gelegenheit gehabt habe,
die Kreis- und die Gemeindeverwaltung gründlich kennen zu lernen und zu
beobachten, wie die vielen gutgemeinten Anordnungen von oben in der untersten
Instanz wirkten und welche Arbeit aufgewendet werden müsse, um die fast täglich


Einzelheiten aus den Personalverhältnissen der preußischen Verwaltung

klaffen, die in der Hauptsache auf zufälligen Ergebnissen der geschichtlichen Ent¬
wicklung beruhen, keine innere Berechtigung mehr habe und der „modernen"
Auffassung widerspräche, wofür wir uns die Verhältnisse in den Vereinigten
Staaten als Vorbild dienen lassen könnten. Nach moderner Auffassung habe
die Besoldung für die die ganze Person und Arbeitskraft ausfüllende Berufs¬
arbeit des Beamten den Charakter der Alimentation, des standesgemäßen Unter¬
halts. Da aber heute alle Tätigkeit des höhern Beamten mit akademischer
Bildung grundsätzlich als gleichwert anerkannt werden müsse, einerlei, ob sie im
Zentrum oder draußen geleistet werde, so sei sie auch gleichmäßig zu entlohnen.
Es sei dies auch bei der Beratung der preußischen Besoldungsvorlage von 1896
durch viele „beachtenswerte" Anträge anerkannt worden, die darauf abgezielt
hättet!, daß alle akademisch gebildeten Berufsbeamten mit eiuer ähnlichen Ein¬
richtung und Dauer der Studien, des Vorbereitungsdienstes und der Wartezett
bis zur etatsmäßigen Anstellung im allgemeinen in demselben Alter zu denselben
Ehrenrechten und demselben Gehalt aufsteigen könnten, also z. B. die Amts¬
und Landrichter den Regierungsräten, die Präsidenten der übrigen Provinzial-
behörden den Regierungspräsidenten gleichgestellt würden.

Lotz meint, daß die jetzigen Entrichtungen in der Beamtenschaft das Gefühl
der Bevorzugung andrer oder der Zurücksetzung der eignen Person, Mißgunst
und Streberei beförderten. Vor allem sehen aber die drei Kritiker darin einen
Übelstand, daß infolge der eben erwähnten Einrichtungen jetzt die Beamten nicht
zwischen den Zentral- und den Provinzial- und Bezirks- und Kreisbehörden ohne
weiteres ausgetauscht werden könnten. Dadurch wird nach Lotz verhindert, daß
die Erfahrungen der Beamten, die mitten im praktischen Leben oder ihm doch
recht nahe ständen, im Zentrum nutzbar gemacht werden könnten, oder daß
umgekehrt die Anschauungen und Bestrebungen der Zentralstellen auf Provinz,
Bezirk und Kreis anregend, belehrend, befruchtend wirkten. Nur durch einen
solchen Austausch könne aber das Ziel erreicht werden, nicht nur den Behörden
als solchen ihren universalen Charakter zurückzugeben, sondern auch der Mehr¬
zahl der Beamten zu einer gewissen Universalität, einem lückenlosen Überblick
über die staatsrechtlichen und volkswirtschaftlichen Verhältnisse zu verhelfen und
sie so zu geeigneten Trägern politischen Fortschritts zu befähigen. Für die
Ministerien insbesondre sei es nachteilig, daß man ihnen jetzt nicht öfters frisches
Blut zuführen könne und daß die Ministerialräte jetzt keine Gelegenheit hätten,
zeitweilig in die Provinz zurückzukehren, um sich durch die Berührung mit dem
frischen Strom des Lebens vor Unfehlbarkeit glauben, Verknöcherung und Bureau¬
kratismus zu bewahren. Klonau weist in diesem Zusammenhang darauf hin,
daß die meisten Ministerialräte schon in jüngern Jahren in ihre Stellungen
kämen und daß ein großer Teil von ihnen niemals Gelegenheit gehabt habe,
die Kreis- und die Gemeindeverwaltung gründlich kennen zu lernen und zu
beobachten, wie die vielen gutgemeinten Anordnungen von oben in der untersten
Instanz wirkten und welche Arbeit aufgewendet werden müsse, um die fast täglich


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[0207] Einzelheiten aus den Personalverhältnissen der preußischen Verwaltung klaffen, die in der Hauptsache auf zufälligen Ergebnissen der geschichtlichen Ent¬ wicklung beruhen, keine innere Berechtigung mehr habe und der „modernen" Auffassung widerspräche, wofür wir uns die Verhältnisse in den Vereinigten Staaten als Vorbild dienen lassen könnten. Nach moderner Auffassung habe die Besoldung für die die ganze Person und Arbeitskraft ausfüllende Berufs¬ arbeit des Beamten den Charakter der Alimentation, des standesgemäßen Unter¬ halts. Da aber heute alle Tätigkeit des höhern Beamten mit akademischer Bildung grundsätzlich als gleichwert anerkannt werden müsse, einerlei, ob sie im Zentrum oder draußen geleistet werde, so sei sie auch gleichmäßig zu entlohnen. Es sei dies auch bei der Beratung der preußischen Besoldungsvorlage von 1896 durch viele „beachtenswerte" Anträge anerkannt worden, die darauf abgezielt hättet!, daß alle akademisch gebildeten Berufsbeamten mit eiuer ähnlichen Ein¬ richtung und Dauer der Studien, des Vorbereitungsdienstes und der Wartezett bis zur etatsmäßigen Anstellung im allgemeinen in demselben Alter zu denselben Ehrenrechten und demselben Gehalt aufsteigen könnten, also z. B. die Amts¬ und Landrichter den Regierungsräten, die Präsidenten der übrigen Provinzial- behörden den Regierungspräsidenten gleichgestellt würden. Lotz meint, daß die jetzigen Entrichtungen in der Beamtenschaft das Gefühl der Bevorzugung andrer oder der Zurücksetzung der eignen Person, Mißgunst und Streberei beförderten. Vor allem sehen aber die drei Kritiker darin einen Übelstand, daß infolge der eben erwähnten Einrichtungen jetzt die Beamten nicht zwischen den Zentral- und den Provinzial- und Bezirks- und Kreisbehörden ohne weiteres ausgetauscht werden könnten. Dadurch wird nach Lotz verhindert, daß die Erfahrungen der Beamten, die mitten im praktischen Leben oder ihm doch recht nahe ständen, im Zentrum nutzbar gemacht werden könnten, oder daß umgekehrt die Anschauungen und Bestrebungen der Zentralstellen auf Provinz, Bezirk und Kreis anregend, belehrend, befruchtend wirkten. Nur durch einen solchen Austausch könne aber das Ziel erreicht werden, nicht nur den Behörden als solchen ihren universalen Charakter zurückzugeben, sondern auch der Mehr¬ zahl der Beamten zu einer gewissen Universalität, einem lückenlosen Überblick über die staatsrechtlichen und volkswirtschaftlichen Verhältnisse zu verhelfen und sie so zu geeigneten Trägern politischen Fortschritts zu befähigen. Für die Ministerien insbesondre sei es nachteilig, daß man ihnen jetzt nicht öfters frisches Blut zuführen könne und daß die Ministerialräte jetzt keine Gelegenheit hätten, zeitweilig in die Provinz zurückzukehren, um sich durch die Berührung mit dem frischen Strom des Lebens vor Unfehlbarkeit glauben, Verknöcherung und Bureau¬ kratismus zu bewahren. Klonau weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die meisten Ministerialräte schon in jüngern Jahren in ihre Stellungen kämen und daß ein großer Teil von ihnen niemals Gelegenheit gehabt habe, die Kreis- und die Gemeindeverwaltung gründlich kennen zu lernen und zu beobachten, wie die vielen gutgemeinten Anordnungen von oben in der untersten Instanz wirkten und welche Arbeit aufgewendet werden müsse, um die fast täglich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/207>, abgerufen am 28.09.2024.