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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Im Kampf gegen die Übermacht

übernommen, um einen der jungen Burschen abzulösen. Und da war denn ganz
plötzlich ein heftiger Windstoß gekommen, und er hatte das Steuer nicht schnell
genug gedreht..,

"Ja, ich danke meinem Schöpfer nun doch -- da ja die Sache gut gegangen
ist--, denn nun haben Sie Ihr Lehrgeld erhalten und werden in Zukunft vor¬
sichtig sein!"

"Ich bin nicht unvorsichtig, Jungfer I"

"Ja, das sind Sie. Das sagen alle. Und gestern den ganzen Tag habe ich
ein Gefühl gehabt, daß Ihnen etwas zugestoßen sei. . . . Wie können Sie auch
nur das Steuer übernehmen --!"

"Aber ich habe doch schon früher ein Boot gesteuert!"

"Aber das werden Sie nun nie wieder tun!"

Er lächelte. Dann fühlte sie seinen Puls und legte ihm die Hand auf die Stirn.

"Jetzt haben Sie aber lange genug geschwatzt! Nun sollen Sie schlafen.
Soll ich Ihnen noch ein Glas bringen?"

"Ja, danke, liebe Jungfer Thorborg! Man schläft so gut danach!"

Sie brachte ihm den Punsch, sagte Gute Nacht und ging auf ihr Zimmer hinauf.




isören Römer schlief nicht. Der starke Punsch machte ihn noch mehr wach.
Er fühlte sich gestärkt und erfrischt! hatte auch wirklich genug geschlafen nach dein
harten Ringen mit dem Tode!

Oben über sich hörte er Thorborg.

Jetzt lag sie im Bett.

Sie hatte die Nuhe und den Schlaf wohl nötig! Die ganze vorige Nacht
hatte sie kein Auge geschlossen. Um seinetwillen!

Wie gut sie war! Pflegte ihn wie seine Mutter... Er erinnerte sich einer
Krankheit aus seiner Kinderzeit. . , . Und der Gedanke kehrte wieder zu Jungfer
Thorborg zurück. Sie hatte ihn allein in die Höhe gehoben, als er kam -- und
auf das Bett gelegt. Sie war stark. . .

Er drehte und wendete sich, verscheuchte die Gedanken, preßte die Augen
zusammen, konnte aber keinen Frieden und keinen Schlaf finden. Er betete zu
Gott, jammerte laut in seiner Not -- ganz wach, ausgeruht, munter. , .

Er fuhr in die Höhe und lauschte.

Thorborg stand da oben aus ihrem Bett auf. Ging durch das Zimmer --
zur Tür hinaus -- sie hatte ihn offenbar gehört und fürchtete, daß er wieder
elend sei!

Da kam sie die Treppe hinab.

Er legte sich auf das Kissen zurück und schloß die Augen.

Vorsichtig öffnete sie die Tür. Mit einem Licht trat sie an das Bett. Er
lag still, als schlafe er. Sie strich ihm leicht über die heiße, feuchte Stirn, zog
das Kissen höher hinauf und setzte sich dann auf einen Stuhl am Fenster, das Licht
vor sich auf dem Waschtisch.

Eine ganze Weile herrschte die tiefste Stille.

Da hob er unmerklich die Augenlider und sah sie um. Sie saß mit der Hand
unter der Wange und las in seiner Bibel. Sie hatte einen Unterrock an und
hatte einen Schal über dem weißen Hemd lose um die Schultern gebunden. Jetzt
sah sie ihn an, und er schloß die Augen wieder.

Es folgte abermals eine lange Stille. Und wieder betrachtete er sie verstohlen.

Sie schlief.


Im Kampf gegen die Übermacht

übernommen, um einen der jungen Burschen abzulösen. Und da war denn ganz
plötzlich ein heftiger Windstoß gekommen, und er hatte das Steuer nicht schnell
genug gedreht..,

„Ja, ich danke meinem Schöpfer nun doch — da ja die Sache gut gegangen
ist—, denn nun haben Sie Ihr Lehrgeld erhalten und werden in Zukunft vor¬
sichtig sein!"

„Ich bin nicht unvorsichtig, Jungfer I"

„Ja, das sind Sie. Das sagen alle. Und gestern den ganzen Tag habe ich
ein Gefühl gehabt, daß Ihnen etwas zugestoßen sei. . . . Wie können Sie auch
nur das Steuer übernehmen —!"

„Aber ich habe doch schon früher ein Boot gesteuert!"

„Aber das werden Sie nun nie wieder tun!"

Er lächelte. Dann fühlte sie seinen Puls und legte ihm die Hand auf die Stirn.

„Jetzt haben Sie aber lange genug geschwatzt! Nun sollen Sie schlafen.
Soll ich Ihnen noch ein Glas bringen?"

„Ja, danke, liebe Jungfer Thorborg! Man schläft so gut danach!"

Sie brachte ihm den Punsch, sagte Gute Nacht und ging auf ihr Zimmer hinauf.




isören Römer schlief nicht. Der starke Punsch machte ihn noch mehr wach.
Er fühlte sich gestärkt und erfrischt! hatte auch wirklich genug geschlafen nach dein
harten Ringen mit dem Tode!

Oben über sich hörte er Thorborg.

Jetzt lag sie im Bett.

Sie hatte die Nuhe und den Schlaf wohl nötig! Die ganze vorige Nacht
hatte sie kein Auge geschlossen. Um seinetwillen!

Wie gut sie war! Pflegte ihn wie seine Mutter... Er erinnerte sich einer
Krankheit aus seiner Kinderzeit. . , . Und der Gedanke kehrte wieder zu Jungfer
Thorborg zurück. Sie hatte ihn allein in die Höhe gehoben, als er kam — und
auf das Bett gelegt. Sie war stark. . .

Er drehte und wendete sich, verscheuchte die Gedanken, preßte die Augen
zusammen, konnte aber keinen Frieden und keinen Schlaf finden. Er betete zu
Gott, jammerte laut in seiner Not — ganz wach, ausgeruht, munter. , .

Er fuhr in die Höhe und lauschte.

Thorborg stand da oben aus ihrem Bett auf. Ging durch das Zimmer —
zur Tür hinaus — sie hatte ihn offenbar gehört und fürchtete, daß er wieder
elend sei!

Da kam sie die Treppe hinab.

Er legte sich auf das Kissen zurück und schloß die Augen.

Vorsichtig öffnete sie die Tür. Mit einem Licht trat sie an das Bett. Er
lag still, als schlafe er. Sie strich ihm leicht über die heiße, feuchte Stirn, zog
das Kissen höher hinauf und setzte sich dann auf einen Stuhl am Fenster, das Licht
vor sich auf dem Waschtisch.

Eine ganze Weile herrschte die tiefste Stille.

Da hob er unmerklich die Augenlider und sah sie um. Sie saß mit der Hand
unter der Wange und las in seiner Bibel. Sie hatte einen Unterrock an und
hatte einen Schal über dem weißen Hemd lose um die Schultern gebunden. Jetzt
sah sie ihn an, und er schloß die Augen wieder.

Es folgte abermals eine lange Stille. Und wieder betrachtete er sie verstohlen.

Sie schlief.


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[0188] Im Kampf gegen die Übermacht übernommen, um einen der jungen Burschen abzulösen. Und da war denn ganz plötzlich ein heftiger Windstoß gekommen, und er hatte das Steuer nicht schnell genug gedreht.., „Ja, ich danke meinem Schöpfer nun doch — da ja die Sache gut gegangen ist—, denn nun haben Sie Ihr Lehrgeld erhalten und werden in Zukunft vor¬ sichtig sein!" „Ich bin nicht unvorsichtig, Jungfer I" „Ja, das sind Sie. Das sagen alle. Und gestern den ganzen Tag habe ich ein Gefühl gehabt, daß Ihnen etwas zugestoßen sei. . . . Wie können Sie auch nur das Steuer übernehmen —!" „Aber ich habe doch schon früher ein Boot gesteuert!" „Aber das werden Sie nun nie wieder tun!" Er lächelte. Dann fühlte sie seinen Puls und legte ihm die Hand auf die Stirn. „Jetzt haben Sie aber lange genug geschwatzt! Nun sollen Sie schlafen. Soll ich Ihnen noch ein Glas bringen?" „Ja, danke, liebe Jungfer Thorborg! Man schläft so gut danach!" Sie brachte ihm den Punsch, sagte Gute Nacht und ging auf ihr Zimmer hinauf. isören Römer schlief nicht. Der starke Punsch machte ihn noch mehr wach. Er fühlte sich gestärkt und erfrischt! hatte auch wirklich genug geschlafen nach dein harten Ringen mit dem Tode! Oben über sich hörte er Thorborg. Jetzt lag sie im Bett. Sie hatte die Nuhe und den Schlaf wohl nötig! Die ganze vorige Nacht hatte sie kein Auge geschlossen. Um seinetwillen! Wie gut sie war! Pflegte ihn wie seine Mutter... Er erinnerte sich einer Krankheit aus seiner Kinderzeit. . , . Und der Gedanke kehrte wieder zu Jungfer Thorborg zurück. Sie hatte ihn allein in die Höhe gehoben, als er kam — und auf das Bett gelegt. Sie war stark. . . Er drehte und wendete sich, verscheuchte die Gedanken, preßte die Augen zusammen, konnte aber keinen Frieden und keinen Schlaf finden. Er betete zu Gott, jammerte laut in seiner Not — ganz wach, ausgeruht, munter. , . Er fuhr in die Höhe und lauschte. Thorborg stand da oben aus ihrem Bett auf. Ging durch das Zimmer — zur Tür hinaus — sie hatte ihn offenbar gehört und fürchtete, daß er wieder elend sei! Da kam sie die Treppe hinab. Er legte sich auf das Kissen zurück und schloß die Augen. Vorsichtig öffnete sie die Tür. Mit einem Licht trat sie an das Bett. Er lag still, als schlafe er. Sie strich ihm leicht über die heiße, feuchte Stirn, zog das Kissen höher hinauf und setzte sich dann auf einen Stuhl am Fenster, das Licht vor sich auf dem Waschtisch. Eine ganze Weile herrschte die tiefste Stille. Da hob er unmerklich die Augenlider und sah sie um. Sie saß mit der Hand unter der Wange und las in seiner Bibel. Sie hatte einen Unterrock an und hatte einen Schal über dem weißen Hemd lose um die Schultern gebunden. Jetzt sah sie ihn an, und er schloß die Augen wieder. Es folgte abermals eine lange Stille. Und wieder betrachtete er sie verstohlen. Sie schlief.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/188>, abgerufen am 29.06.2024.