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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Die preußische verwaltuiigsorgamsation jetzt

Behörde erster Instanz zu sein, die sich als solche immer noch der Landräte als
ihrer Organe bediene und gegen deren Verfügungen die Beschwerde, wenn auch
zum Teil durch die Hand der Oberpräsidenten, an die Minister gehe, so habe
die neue Gesetzgebung dahin geführt, daß über den Ortsbehörden nicht weniger
als vier Oberiustanzen aufgebaut seien und daß wir nicht mehr, wie früher,
zwei, sondern vier Brennpunkte der innern Verwaltung hätten. Außerdem habe
man aber das Gefüge der Bezirksbehörde selbst gesprengt, indem man einen
Teil der Regierung unter dem Regierungspräsidenten bureaukratisch eingerichtet
habe -- wie Freiherr von Zedlitz meint, in richtigerer Würdigung der Ver¬
waltung durch Einzelbeamte, während Lotz darin den Ausdruck einer Ideologie
erblickt. Als eine nachteilige Folge dieser Maßnahme hebt Freiherr v. Zedlitz
allerdings hervor, daß bei den Bezirksregierungen nunmehr zwei Garnituren
von Räten vorhanden seien, selbständige Dezernenten der Kollegialabteilungen,
die sachlich nur den Kollegialbeschlüssen unterstünden, und unselbständige Hilfs¬
arbeiter der Regierungspräsidenten. Die Zerstörung der Universalität der
Regierungen, in der von Haus aus nicht zum wenigsten deren Stärke gelegen
habe, ist nach Lotz außer in den bisher berührten Änderungen noch darin zu
erblicken, daß man wichtige Landeskultursachen den Generalkommissionen über¬
tragen habe.

Von diesen Behauptungen der Kritiker ist nach meinen früheren Aus¬
führungen zunächst die unzutreffend, daß die Zahl der Instanzen vermehrt
worden sei. Wie wir gesehen haben, gab es vielmehr früher über der Gemeinde
tatsächlich ebenfalls schon vier Instanzen und ebenfalls schon vier Brennpunkte
der Verwaltung, denn die frühern Oberpräsidenten und Landräte waren keines¬
wegs bloße Statisten.

Richtig ist allerdings, daß der Instanzenzug heute recht bunt, verwickelt
und unklar ist. Früher ging er immer an die nächste höhere Stelle bis zum
Ministerium. Diese einfache Regel ist nur beibehalten für die Sachen, wo die
form- und fristlose Beschwerde im Aufsichtswege noch zulässig ist. Sonst endigt
er bald in der Bezirksinstanz, bald in der Provinzialinstcmz, bald beim
Ministerium. Dazu kommen dann die bereits erwähnten besondern Ausnahmen.
Die Behördengliederung und der Instanzenzug für Berlin sind einfach ungeheuer¬
lich. Aber auch andres auf diesem Gebiet ist entzückend. So darf der Landrat
die größte Landgemeinde -- und wir haben allein sechzehn, die sofort Stadt¬
kreise werden und dann aus dem Kreis überhaupt ausscheiden würden, wenn
sie die Stadtverfassung erhielten -- ohne weiteres beaufsichtigen, aber er ist
unfähig, die Aufsicht über ein kleines Ackerstädtchen von einigen hundert Ein¬
wohnern zu führen. Und während er nicht geeignet ist, die Gemeindeverwaltung
der städtischen Bürgermeister seines Kreises zu überwachen, kann er doch wieder
die allgemeine Dienstaufsicht über die Polizeiverwaltung derselben Selbst¬
verwaltungsbeamten führen. Wer Beschwerden gegen Verfügungen der städtischen
Polizeiverwalter seines Kreises darf er jedoch nur entscheiden, wenn die Stadt


Die preußische verwaltuiigsorgamsation jetzt

Behörde erster Instanz zu sein, die sich als solche immer noch der Landräte als
ihrer Organe bediene und gegen deren Verfügungen die Beschwerde, wenn auch
zum Teil durch die Hand der Oberpräsidenten, an die Minister gehe, so habe
die neue Gesetzgebung dahin geführt, daß über den Ortsbehörden nicht weniger
als vier Oberiustanzen aufgebaut seien und daß wir nicht mehr, wie früher,
zwei, sondern vier Brennpunkte der innern Verwaltung hätten. Außerdem habe
man aber das Gefüge der Bezirksbehörde selbst gesprengt, indem man einen
Teil der Regierung unter dem Regierungspräsidenten bureaukratisch eingerichtet
habe — wie Freiherr von Zedlitz meint, in richtigerer Würdigung der Ver¬
waltung durch Einzelbeamte, während Lotz darin den Ausdruck einer Ideologie
erblickt. Als eine nachteilige Folge dieser Maßnahme hebt Freiherr v. Zedlitz
allerdings hervor, daß bei den Bezirksregierungen nunmehr zwei Garnituren
von Räten vorhanden seien, selbständige Dezernenten der Kollegialabteilungen,
die sachlich nur den Kollegialbeschlüssen unterstünden, und unselbständige Hilfs¬
arbeiter der Regierungspräsidenten. Die Zerstörung der Universalität der
Regierungen, in der von Haus aus nicht zum wenigsten deren Stärke gelegen
habe, ist nach Lotz außer in den bisher berührten Änderungen noch darin zu
erblicken, daß man wichtige Landeskultursachen den Generalkommissionen über¬
tragen habe.

Von diesen Behauptungen der Kritiker ist nach meinen früheren Aus¬
führungen zunächst die unzutreffend, daß die Zahl der Instanzen vermehrt
worden sei. Wie wir gesehen haben, gab es vielmehr früher über der Gemeinde
tatsächlich ebenfalls schon vier Instanzen und ebenfalls schon vier Brennpunkte
der Verwaltung, denn die frühern Oberpräsidenten und Landräte waren keines¬
wegs bloße Statisten.

Richtig ist allerdings, daß der Instanzenzug heute recht bunt, verwickelt
und unklar ist. Früher ging er immer an die nächste höhere Stelle bis zum
Ministerium. Diese einfache Regel ist nur beibehalten für die Sachen, wo die
form- und fristlose Beschwerde im Aufsichtswege noch zulässig ist. Sonst endigt
er bald in der Bezirksinstanz, bald in der Provinzialinstcmz, bald beim
Ministerium. Dazu kommen dann die bereits erwähnten besondern Ausnahmen.
Die Behördengliederung und der Instanzenzug für Berlin sind einfach ungeheuer¬
lich. Aber auch andres auf diesem Gebiet ist entzückend. So darf der Landrat
die größte Landgemeinde — und wir haben allein sechzehn, die sofort Stadt¬
kreise werden und dann aus dem Kreis überhaupt ausscheiden würden, wenn
sie die Stadtverfassung erhielten — ohne weiteres beaufsichtigen, aber er ist
unfähig, die Aufsicht über ein kleines Ackerstädtchen von einigen hundert Ein¬
wohnern zu führen. Und während er nicht geeignet ist, die Gemeindeverwaltung
der städtischen Bürgermeister seines Kreises zu überwachen, kann er doch wieder
die allgemeine Dienstaufsicht über die Polizeiverwaltung derselben Selbst¬
verwaltungsbeamten führen. Wer Beschwerden gegen Verfügungen der städtischen
Polizeiverwalter seines Kreises darf er jedoch nur entscheiden, wenn die Stadt


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[0130] Die preußische verwaltuiigsorgamsation jetzt Behörde erster Instanz zu sein, die sich als solche immer noch der Landräte als ihrer Organe bediene und gegen deren Verfügungen die Beschwerde, wenn auch zum Teil durch die Hand der Oberpräsidenten, an die Minister gehe, so habe die neue Gesetzgebung dahin geführt, daß über den Ortsbehörden nicht weniger als vier Oberiustanzen aufgebaut seien und daß wir nicht mehr, wie früher, zwei, sondern vier Brennpunkte der innern Verwaltung hätten. Außerdem habe man aber das Gefüge der Bezirksbehörde selbst gesprengt, indem man einen Teil der Regierung unter dem Regierungspräsidenten bureaukratisch eingerichtet habe — wie Freiherr von Zedlitz meint, in richtigerer Würdigung der Ver¬ waltung durch Einzelbeamte, während Lotz darin den Ausdruck einer Ideologie erblickt. Als eine nachteilige Folge dieser Maßnahme hebt Freiherr v. Zedlitz allerdings hervor, daß bei den Bezirksregierungen nunmehr zwei Garnituren von Räten vorhanden seien, selbständige Dezernenten der Kollegialabteilungen, die sachlich nur den Kollegialbeschlüssen unterstünden, und unselbständige Hilfs¬ arbeiter der Regierungspräsidenten. Die Zerstörung der Universalität der Regierungen, in der von Haus aus nicht zum wenigsten deren Stärke gelegen habe, ist nach Lotz außer in den bisher berührten Änderungen noch darin zu erblicken, daß man wichtige Landeskultursachen den Generalkommissionen über¬ tragen habe. Von diesen Behauptungen der Kritiker ist nach meinen früheren Aus¬ führungen zunächst die unzutreffend, daß die Zahl der Instanzen vermehrt worden sei. Wie wir gesehen haben, gab es vielmehr früher über der Gemeinde tatsächlich ebenfalls schon vier Instanzen und ebenfalls schon vier Brennpunkte der Verwaltung, denn die frühern Oberpräsidenten und Landräte waren keines¬ wegs bloße Statisten. Richtig ist allerdings, daß der Instanzenzug heute recht bunt, verwickelt und unklar ist. Früher ging er immer an die nächste höhere Stelle bis zum Ministerium. Diese einfache Regel ist nur beibehalten für die Sachen, wo die form- und fristlose Beschwerde im Aufsichtswege noch zulässig ist. Sonst endigt er bald in der Bezirksinstanz, bald in der Provinzialinstcmz, bald beim Ministerium. Dazu kommen dann die bereits erwähnten besondern Ausnahmen. Die Behördengliederung und der Instanzenzug für Berlin sind einfach ungeheuer¬ lich. Aber auch andres auf diesem Gebiet ist entzückend. So darf der Landrat die größte Landgemeinde — und wir haben allein sechzehn, die sofort Stadt¬ kreise werden und dann aus dem Kreis überhaupt ausscheiden würden, wenn sie die Stadtverfassung erhielten — ohne weiteres beaufsichtigen, aber er ist unfähig, die Aufsicht über ein kleines Ackerstädtchen von einigen hundert Ein¬ wohnern zu führen. Und während er nicht geeignet ist, die Gemeindeverwaltung der städtischen Bürgermeister seines Kreises zu überwachen, kann er doch wieder die allgemeine Dienstaufsicht über die Polizeiverwaltung derselben Selbst¬ verwaltungsbeamten führen. Wer Beschwerden gegen Verfügungen der städtischen Polizeiverwalter seines Kreises darf er jedoch nur entscheiden, wenn die Stadt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/130>, abgerufen am 22.07.2024.