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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Die Verwaltung der geistigen Güter

Briganten betrachtete. Um dem Übelstand, der der widerwärtigen Erscheinung
zugrunde liegt, an den Leib zu kommen, schlägt Avenarius nun vor, daß das
Urheberrecht immer nur sür einen bestimmten Zeitraum übertragen werden kann,
etwa für die gewiß ausreichende Spanne von fünfzehn Jahren. Dem geschäft¬
lichen Verwerter würde diese Frist eine breite Basis für seine Operationen geben
und viel Künstlerelend und Künstlerschmach könnte durch diesen Paragraphen
aus der Welt geschafft werden. Es ist ja keineswegs so, daß der erzählte Fall
ein Ausnahmefall ist, er liegt besonders schroff, aber er kehrt in hundertfachen
Variationen immer und immer wieder. Ich selbst vergab in meiner ahnungs¬
losen Jugend das Urheberrecht an meinen Dramen "für die Dauer der Schutzfrist"
an einen Agenten und wäre meinen Arbeiten gegenüber machtlos gewesen, wenn
nicht die Liquidation der Firma sie wieder in meine Hände zurückgegeben hätte.
Und wie ich damals handelte, so handelten die meisten oder gar alle. Wenn
das Gesetz hier bei der ersten Abmachung eine Grenze von fünfzehn und bei
der zweiten eine solche von zehn Jahren festsetzen wollte, so könnte der Künstler
wenigstens niemals ganz um das Recht an seiner Arbeit kommen. Niemals
ganz: denn auch innerhalb einer Frist von fünfzehn Jahren wären noch die
lustigsten Ausbeutungsmöglichkeiten denkbar. Es ist ein ganz bekannter Fall,
daß ein Kunsthändler ein Bild für wenige hundert Mark erwirbt, das er nach
zehn Jahren für dreißig-, vierzig- oder fünfzigtausend Mark verkaufen kann.
Der Künstler mag dann ruhig beim Schwarzbrot sitzen, während die Händler
an seinen Bildern Summen verdienen, die auch eine Pulte Sekt als einen sehr
mäßigen Luxus erscheinen lassen. Um dieses häßliche Bild aus der Welt zu
schaffen, würde die Festsetzung einer bestimmten Frist nicht genügen, weil es,
wie bereits erwähnt, auch sehr wohl innerhalb einer Frist von fünfzehn Jahren
entstehen könnte. Avenarius schlägt darum vor, was wir sowohl sür zweck¬
mäßig wie für billig halten, daß der Künstler auch innerhalb der Frist an dem
Mehrerlös seines Werkes mit einem Viertel beteiligt wird, unter der Voraus¬
setzung, daß er feine Forderung zwei Jahre nach dem Verkauf geltend macht.
Es würde sich kaum vermeiden lassen, daß die Kunsthändler einer solchen
Bestimmung gegenüber ein Geschrei erheben würden, als wenn der Weltuntergang
über sie hereinzubrechen drohte. Wir könnten sie indessen ruhig schreien lassen:
die Welt geht wirklich nicht unter, weil der Künstler so üppig wird, daß er
am Reingewinn seines Kunstwerkes mit einem Viertel beteiligt sein will. Auch
dem Kunsthandel würde dadurch kein Haar gekrümmt werden und der Kunst
wäre immerhin ein Dienst erwiesen.

Was Avenarius sonst noch an Vorschlägen macht, kann hier nicht in: ein¬
zelnen durchgenommen werden und braucht es auch nicht. Wenn unsere Arbeit
nur den Blick für den Ernst des Problems geöffnet, wenn sie die jammervolle
Halbheit des heutigen "Urheber"-Schutzes dem Gewissen eingebrannt hat, mag
alles übrige der speziellen Beratung und der Diskussion überlassen bleiben. Es
sei nur kurz darauf hingewiesen, daß das Gesetz die Reproduktions-


Grenzboien II t910 Is
Die Verwaltung der geistigen Güter

Briganten betrachtete. Um dem Übelstand, der der widerwärtigen Erscheinung
zugrunde liegt, an den Leib zu kommen, schlägt Avenarius nun vor, daß das
Urheberrecht immer nur sür einen bestimmten Zeitraum übertragen werden kann,
etwa für die gewiß ausreichende Spanne von fünfzehn Jahren. Dem geschäft¬
lichen Verwerter würde diese Frist eine breite Basis für seine Operationen geben
und viel Künstlerelend und Künstlerschmach könnte durch diesen Paragraphen
aus der Welt geschafft werden. Es ist ja keineswegs so, daß der erzählte Fall
ein Ausnahmefall ist, er liegt besonders schroff, aber er kehrt in hundertfachen
Variationen immer und immer wieder. Ich selbst vergab in meiner ahnungs¬
losen Jugend das Urheberrecht an meinen Dramen „für die Dauer der Schutzfrist"
an einen Agenten und wäre meinen Arbeiten gegenüber machtlos gewesen, wenn
nicht die Liquidation der Firma sie wieder in meine Hände zurückgegeben hätte.
Und wie ich damals handelte, so handelten die meisten oder gar alle. Wenn
das Gesetz hier bei der ersten Abmachung eine Grenze von fünfzehn und bei
der zweiten eine solche von zehn Jahren festsetzen wollte, so könnte der Künstler
wenigstens niemals ganz um das Recht an seiner Arbeit kommen. Niemals
ganz: denn auch innerhalb einer Frist von fünfzehn Jahren wären noch die
lustigsten Ausbeutungsmöglichkeiten denkbar. Es ist ein ganz bekannter Fall,
daß ein Kunsthändler ein Bild für wenige hundert Mark erwirbt, das er nach
zehn Jahren für dreißig-, vierzig- oder fünfzigtausend Mark verkaufen kann.
Der Künstler mag dann ruhig beim Schwarzbrot sitzen, während die Händler
an seinen Bildern Summen verdienen, die auch eine Pulte Sekt als einen sehr
mäßigen Luxus erscheinen lassen. Um dieses häßliche Bild aus der Welt zu
schaffen, würde die Festsetzung einer bestimmten Frist nicht genügen, weil es,
wie bereits erwähnt, auch sehr wohl innerhalb einer Frist von fünfzehn Jahren
entstehen könnte. Avenarius schlägt darum vor, was wir sowohl sür zweck¬
mäßig wie für billig halten, daß der Künstler auch innerhalb der Frist an dem
Mehrerlös seines Werkes mit einem Viertel beteiligt wird, unter der Voraus¬
setzung, daß er feine Forderung zwei Jahre nach dem Verkauf geltend macht.
Es würde sich kaum vermeiden lassen, daß die Kunsthändler einer solchen
Bestimmung gegenüber ein Geschrei erheben würden, als wenn der Weltuntergang
über sie hereinzubrechen drohte. Wir könnten sie indessen ruhig schreien lassen:
die Welt geht wirklich nicht unter, weil der Künstler so üppig wird, daß er
am Reingewinn seines Kunstwerkes mit einem Viertel beteiligt sein will. Auch
dem Kunsthandel würde dadurch kein Haar gekrümmt werden und der Kunst
wäre immerhin ein Dienst erwiesen.

Was Avenarius sonst noch an Vorschlägen macht, kann hier nicht in: ein¬
zelnen durchgenommen werden und braucht es auch nicht. Wenn unsere Arbeit
nur den Blick für den Ernst des Problems geöffnet, wenn sie die jammervolle
Halbheit des heutigen „Urheber"-Schutzes dem Gewissen eingebrannt hat, mag
alles übrige der speziellen Beratung und der Diskussion überlassen bleiben. Es
sei nur kurz darauf hingewiesen, daß das Gesetz die Reproduktions-


Grenzboien II t910 Is
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[0125] Die Verwaltung der geistigen Güter Briganten betrachtete. Um dem Übelstand, der der widerwärtigen Erscheinung zugrunde liegt, an den Leib zu kommen, schlägt Avenarius nun vor, daß das Urheberrecht immer nur sür einen bestimmten Zeitraum übertragen werden kann, etwa für die gewiß ausreichende Spanne von fünfzehn Jahren. Dem geschäft¬ lichen Verwerter würde diese Frist eine breite Basis für seine Operationen geben und viel Künstlerelend und Künstlerschmach könnte durch diesen Paragraphen aus der Welt geschafft werden. Es ist ja keineswegs so, daß der erzählte Fall ein Ausnahmefall ist, er liegt besonders schroff, aber er kehrt in hundertfachen Variationen immer und immer wieder. Ich selbst vergab in meiner ahnungs¬ losen Jugend das Urheberrecht an meinen Dramen „für die Dauer der Schutzfrist" an einen Agenten und wäre meinen Arbeiten gegenüber machtlos gewesen, wenn nicht die Liquidation der Firma sie wieder in meine Hände zurückgegeben hätte. Und wie ich damals handelte, so handelten die meisten oder gar alle. Wenn das Gesetz hier bei der ersten Abmachung eine Grenze von fünfzehn und bei der zweiten eine solche von zehn Jahren festsetzen wollte, so könnte der Künstler wenigstens niemals ganz um das Recht an seiner Arbeit kommen. Niemals ganz: denn auch innerhalb einer Frist von fünfzehn Jahren wären noch die lustigsten Ausbeutungsmöglichkeiten denkbar. Es ist ein ganz bekannter Fall, daß ein Kunsthändler ein Bild für wenige hundert Mark erwirbt, das er nach zehn Jahren für dreißig-, vierzig- oder fünfzigtausend Mark verkaufen kann. Der Künstler mag dann ruhig beim Schwarzbrot sitzen, während die Händler an seinen Bildern Summen verdienen, die auch eine Pulte Sekt als einen sehr mäßigen Luxus erscheinen lassen. Um dieses häßliche Bild aus der Welt zu schaffen, würde die Festsetzung einer bestimmten Frist nicht genügen, weil es, wie bereits erwähnt, auch sehr wohl innerhalb einer Frist von fünfzehn Jahren entstehen könnte. Avenarius schlägt darum vor, was wir sowohl sür zweck¬ mäßig wie für billig halten, daß der Künstler auch innerhalb der Frist an dem Mehrerlös seines Werkes mit einem Viertel beteiligt wird, unter der Voraus¬ setzung, daß er feine Forderung zwei Jahre nach dem Verkauf geltend macht. Es würde sich kaum vermeiden lassen, daß die Kunsthändler einer solchen Bestimmung gegenüber ein Geschrei erheben würden, als wenn der Weltuntergang über sie hereinzubrechen drohte. Wir könnten sie indessen ruhig schreien lassen: die Welt geht wirklich nicht unter, weil der Künstler so üppig wird, daß er am Reingewinn seines Kunstwerkes mit einem Viertel beteiligt sein will. Auch dem Kunsthandel würde dadurch kein Haar gekrümmt werden und der Kunst wäre immerhin ein Dienst erwiesen. Was Avenarius sonst noch an Vorschlägen macht, kann hier nicht in: ein¬ zelnen durchgenommen werden und braucht es auch nicht. Wenn unsere Arbeit nur den Blick für den Ernst des Problems geöffnet, wenn sie die jammervolle Halbheit des heutigen „Urheber"-Schutzes dem Gewissen eingebrannt hat, mag alles übrige der speziellen Beratung und der Diskussion überlassen bleiben. Es sei nur kurz darauf hingewiesen, daß das Gesetz die Reproduktions- Grenzboien II t910 Is

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/125>, abgerufen am 03.07.2024.