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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Die Verwaltung der geistigen Güter

jedem einzelnen wird es überlassen, sich auf eigene Faust eine bestimmte Geltung
zu erringen. Nicht als ob das im Stand selber nicht empfunden würde, aber
es scheint uns angeboren zu sein, daß wir als Schriftsteller nicht über die
Anregung durch das Wort hinauskommen. Dann und wann entsteigt unserem
Busen ein melancholischer Seufzer oder wir glossieren die Zustände durch einen
bitteren Witz oder wir führen einen eleganten ironischen Degenstoß nach den?
Gegner -- und wenn wir das getan haben, gehen wir auch weiter unseren
eigenen Gedanken nach und lassen den Dingen den alten schiefen Gang. Es
gibt keine Frage, die für die Schriftsteller und für die Künstler überhaupt so
wichtig wäre wie die Frage des Urheberschutzes; es ist der Kern aller ihrer
Rechte und alle anderen Fragen sind ihr gegenüber zweiten Ranges und unter¬
geordnet. Nichtsdestoweniger hat die Frage des Urheberschutzes im Schriftsteller¬
stand keine tiefgehende Bewegung hervorrufen können. Unsere politischen Kollegen
leitartikeln über die Interessen aller möglichen Stände und verteidigen sie mit
feurigem Eifer, über die Interessen des eigenen Standes aber wird so leicht
kein Leitartikel geschrieben, und wird er geschrieben, ist auch noch zehn gegen
eins zu wetten, daß er mehr dem Verleger als dem Schriftsteller dient. Unsere
literarischen Kollegen schreiben über alle möglichen Bücher und erweisen bald
diesem und bald jenem Verleger einen Dienst, dem eigenen Stand aber erweisen
sie auch dann keinen, wenn er noch so dringend danach verlangt. Es ist das
sür den Stand der Schriftsteller nicht unbedingt ein schlechtes Zeugnis. Es steckt
in jedem ideellen Stand eine notwendige Verachtung des Materiellen, die wir
ja bereits oben erwähnten. Wir müssen uns aber nachgerade darüber klar
werden, daß in uns eine geschäftliche Untüchtigkeit steckt, die die Grenzen des
Zulässigen weit überschreitet und der idealen Sache des Schrifttums schweren
Schaden zufügt. Wir müssen uns darauf um so mehr besinnen, als uns in der
Frage des Urheberschutzes von der Seite eines Standesgenossen eine Hilfe
widerfahren ist. die wir wenigstens bis jetzt durch unseren eigenen Eifer in keiner
Weise verdient haben. Ferdinand Avenarius hat die alte künstlerische Lässig¬
keit gründlich von sich abgetan und hat eine rege Agitation eingeleitet, um
weiteren Kreisen der Künstler und des Publikums die Augen über die wahre
Natur des Urheberschutzes zu öffnen. Er hat seine Ideen in zahlreichen Leit¬
artikeln des "Kunstwarts" vertreten, er hat sie in Flugschriften im Lande ver¬
breitet und er hat Eingaben an den Reichstag veranlaßt. Was ihm bis jetzt
gefehlt hat, ist der starke Rückhalt einer sozusagen intellektuellen Volksbewegung,
das Echo der öffentlichen Meinung, das Gewicht der Masse. Es würde für
unseren Stand aber eine sehr peinliche Schande sein, wenn ihm das alles auf
die Dauer auch weiter fehlen sollte, und so wollen wir an unserem Teil ver¬
suchen, dem Problem des Urheberschutzes einen neuen Weg ins Publikum
zu bahnen.

Avenarius denkt den Gedanken des Urheberschutzes unter sehr großen Gesichts¬
punkten. Er träumt von einer nationalen Geistesökonomie, die den Zweck hat,


Die Verwaltung der geistigen Güter

jedem einzelnen wird es überlassen, sich auf eigene Faust eine bestimmte Geltung
zu erringen. Nicht als ob das im Stand selber nicht empfunden würde, aber
es scheint uns angeboren zu sein, daß wir als Schriftsteller nicht über die
Anregung durch das Wort hinauskommen. Dann und wann entsteigt unserem
Busen ein melancholischer Seufzer oder wir glossieren die Zustände durch einen
bitteren Witz oder wir führen einen eleganten ironischen Degenstoß nach den?
Gegner — und wenn wir das getan haben, gehen wir auch weiter unseren
eigenen Gedanken nach und lassen den Dingen den alten schiefen Gang. Es
gibt keine Frage, die für die Schriftsteller und für die Künstler überhaupt so
wichtig wäre wie die Frage des Urheberschutzes; es ist der Kern aller ihrer
Rechte und alle anderen Fragen sind ihr gegenüber zweiten Ranges und unter¬
geordnet. Nichtsdestoweniger hat die Frage des Urheberschutzes im Schriftsteller¬
stand keine tiefgehende Bewegung hervorrufen können. Unsere politischen Kollegen
leitartikeln über die Interessen aller möglichen Stände und verteidigen sie mit
feurigem Eifer, über die Interessen des eigenen Standes aber wird so leicht
kein Leitartikel geschrieben, und wird er geschrieben, ist auch noch zehn gegen
eins zu wetten, daß er mehr dem Verleger als dem Schriftsteller dient. Unsere
literarischen Kollegen schreiben über alle möglichen Bücher und erweisen bald
diesem und bald jenem Verleger einen Dienst, dem eigenen Stand aber erweisen
sie auch dann keinen, wenn er noch so dringend danach verlangt. Es ist das
sür den Stand der Schriftsteller nicht unbedingt ein schlechtes Zeugnis. Es steckt
in jedem ideellen Stand eine notwendige Verachtung des Materiellen, die wir
ja bereits oben erwähnten. Wir müssen uns aber nachgerade darüber klar
werden, daß in uns eine geschäftliche Untüchtigkeit steckt, die die Grenzen des
Zulässigen weit überschreitet und der idealen Sache des Schrifttums schweren
Schaden zufügt. Wir müssen uns darauf um so mehr besinnen, als uns in der
Frage des Urheberschutzes von der Seite eines Standesgenossen eine Hilfe
widerfahren ist. die wir wenigstens bis jetzt durch unseren eigenen Eifer in keiner
Weise verdient haben. Ferdinand Avenarius hat die alte künstlerische Lässig¬
keit gründlich von sich abgetan und hat eine rege Agitation eingeleitet, um
weiteren Kreisen der Künstler und des Publikums die Augen über die wahre
Natur des Urheberschutzes zu öffnen. Er hat seine Ideen in zahlreichen Leit¬
artikeln des „Kunstwarts" vertreten, er hat sie in Flugschriften im Lande ver¬
breitet und er hat Eingaben an den Reichstag veranlaßt. Was ihm bis jetzt
gefehlt hat, ist der starke Rückhalt einer sozusagen intellektuellen Volksbewegung,
das Echo der öffentlichen Meinung, das Gewicht der Masse. Es würde für
unseren Stand aber eine sehr peinliche Schande sein, wenn ihm das alles auf
die Dauer auch weiter fehlen sollte, und so wollen wir an unserem Teil ver¬
suchen, dem Problem des Urheberschutzes einen neuen Weg ins Publikum
zu bahnen.

Avenarius denkt den Gedanken des Urheberschutzes unter sehr großen Gesichts¬
punkten. Er träumt von einer nationalen Geistesökonomie, die den Zweck hat,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/118>, abgerufen am 22.07.2024.