Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.Die Verwaltung der geistigen Güter von Erich Schlaikjer s liegt in der Natur der Sache, daß der Künstler in geschäftlichen Grenzboten II 1910 14
Die Verwaltung der geistigen Güter von Erich Schlaikjer s liegt in der Natur der Sache, daß der Künstler in geschäftlichen Grenzboten II 1910 14
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Die Verwaltung der geistigen Güter
von Erich Schlaikjer
s liegt in der Natur der Sache, daß der Künstler in geschäftlichen
Dingen ein Kind, und zwar meistens ein nachlässiges Kind ist.
Es gibt große Künstler, die davon eine Ausnahme machen, aber
erst im reiferen Alter, wenn der erste Rausch der Jugend ver¬
flogen und eine männliche Besonnenheit eingekehrt ist. Solange
der doppelte Rausch der Jugend und der Kunst den Menschen beherrscht, ist
an geschäftliche Erwägungen nicht zu denken; es wäre sogar unästhetisch, wenn
der junge Künstler für die wirtschaftliche Berechnung allzu viel Zeit übrig behielte.
Die vornehme Art, die er von Gnaden seines Talentes besitzt, darf sich sehr
wohl eine weitgehende Geringschätzung der materiellen Güter gestatten. Nur
daß freilich das Mannesalter die Zeit der Besinnung sein sollte, in der er seine
Stellung in der Welt überschlägt und seine Rechte geltend macht. Wird die
natürliche Nonchalance der Jugend in das Mannesalter hinein fortgesetzt, entsteht
ein nachlässiger und versäumter Eindruck, der nicht ohne weiteres sympathisch
ist, oder es entsteht ein Bild der Hilflosigkeit, das nicht recht zum Mannesalter
stimmen will. Indessen nimmt die Natur auf unsere persönliche Geschmacks¬
richtung leider keine Rücksicht und so trifft man oft genug Zigeunertmn und
geschäftliche Ohnmacht auch im reiferen künstlerischen Alter. Wer das für
romantisch halten will, mag es immerhin tun, die notwendige Folge dieser Dinge
wird so leicht kein Mensch mit Romantik verwechseln. Die geschäftliche Interesse¬
losigkeit des Künstlers ruft mit der Sicherheit eines Naturgesetzes eine Aus¬
beutung hervor, die um so roher wirkt, als in ihr der genieine Rechenverstand
(und oft genug die gemeine Habsucht) über eine an sich vornehme menschliche
Natur triumphieren. Wenn es sich um die wirtschaftliche Verwaltung der
geistigen Güter handelt, werden wir daher fast immer finden, daß die geschäft¬
lichen Interessenten ihren Part zu sichern wissen, während das reale Interesse
der Kunst in der Verhandlung gar nicht erst zu Wort kommt. Der Stand der
Schriftsteller hat, um ein Beispiel zu nennen, noch heute keine wirtschaftliche
Organisation von Rang. Er könnte den Zeitungen und Zeitschriften gegenüber
eine eminente Macht bedeuten, er bedeutet als Stand aber gar nichts und
Grenzboten II 1910 14
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