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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Die neuere Aolonialpolitik

dann das Reich abfinden. Die Herren irren sich natürlich und von einer für
sie so bequemen Lösung der Angelegenheit kann keine Rede sein. Es wird wohl
auch nicht ernsthaft ihr Wille sein, gewissermaßen unsre Kolonie preiszugeben,
lediglich um sich finanziellen Pflichten zu entziehen. Aber die Marineverwaltung
lvird der Bürgerschaft ebenfalls auf halbem Wege entgegenkommen müssen. Das
Leben besteht nun einmal aus Kompromissen, und man kann im Reichsmarine¬
amt nicht verlangen, daß unsre Kaufleute in Tsinqtau den dortigen öffentlichen
Anlagen, die sie in kommunale Regie übernehmen sollen, denselben Liebhaber¬
wert zuerkennen, der vielleicht übereiltermaßen hineingesteckt ist. Die Marine¬
verwaltung konnte natürlich im Interesse des Ansehens des Reichs der Zeit
etwas vorauseilen und weitausschauend Anlagen schaffen, die über das augen¬
blickliche Bedürfnis von Handel und Wandel hinausgehen. Wird aber die
Kolonie von der Bürgerschaft verwaltet, so muß diese darauf sehen, daß die
Ausgaben mit den von ihr selbst aufzubringenden Mitteln in Einklang stehen.
Ein junges Gemeinwesen muß auf eine gesunde Finanzwirtschaft sehen.

Autokratische Neigungen in der heimischen Verwaltung sind es, wie die
hier geschilderten Vorgänge deutlich zeigen, die der inneren Entwickelung der
Kolonien hinderlich sind. Vornehmlich die Sucht, den Kolonien möglichst viele
Pflichten aufzubürden und möglichst wenig Rechte zu überlassen. Dabei aber
über wichtige Lebensfragen der Kolonien ohne Rücksicht auf deren deutsche
Bevölkerung zu unterscheiden. Am auffälligsten ist dies bei der Diamanten¬
frage in die Erscheinung getreten. Wenn über diese Angelegenheit auch
noch nicht das letzte Wort gesprochen ist, so hat das selbstherrliche Vorgehen
doch schon eine sehr bedauerliche Wirkung gehabt. Sie hat der Kolonie einen
Gouverneur gekostet, wie sie so leicht nicht wieder einen bekommt. Sie hat
weiter die Kolonialwerte zum Gegenstand wüster Spekulation gemacht, während
die Diamantenproduktion Gelegenheit geboten hatte, weitere Kreise auf verhältnis¬
mäßig solider Basis für koloniale Kapitalanlagen zu interessieren. Nun ist es
zwar verständlich, daß Herr Dernburg in kapitalistischer Politik das Heil für
unsere Kolonien sieht, und in mancher Hinsicht hat er ja vielleicht auch recht. Maki
kann ihm nicht bestreiten, daß er manches Gute damit erreicht hat. Aber mau
kann eine solche Wirtschaftsmethode auch übertreiben, und das scheint uns bei
der Dernburgschen der Fall zu sein. Gerade in den Kolonien macht sie die
natürlichen Kräfte des Landes nicht voll nutzbar und schaltet die Arbeit und
das Streben des Einzelnen aus, von denen der Erfolg der Kolonisationsarbeit
letzten Endes abhängt. Wo Angehörige einer Nation ein neues Betätigungsfeld
finden und ein neues Gemeinwesen gründen sollen, da muß diesem Gemeinwesen
ein voller Anteil an dem, was das.Land hervorbringt, vorbehalten werden.
Kolonien werden nicht dazu gegründet, damit die lebende Generation im Raubbau
Reichtümer sammle, sondern damit der Nation Übersee ein Jungbrunnen entstehe
in völkischer und wirtschaftlicher Beziehung. Die Volkskraft, die drüben nach
Betätigung ringt, muß daher sorgfältig gepflegt, sie darf nicht unterdrückt werden!


Die neuere Aolonialpolitik

dann das Reich abfinden. Die Herren irren sich natürlich und von einer für
sie so bequemen Lösung der Angelegenheit kann keine Rede sein. Es wird wohl
auch nicht ernsthaft ihr Wille sein, gewissermaßen unsre Kolonie preiszugeben,
lediglich um sich finanziellen Pflichten zu entziehen. Aber die Marineverwaltung
lvird der Bürgerschaft ebenfalls auf halbem Wege entgegenkommen müssen. Das
Leben besteht nun einmal aus Kompromissen, und man kann im Reichsmarine¬
amt nicht verlangen, daß unsre Kaufleute in Tsinqtau den dortigen öffentlichen
Anlagen, die sie in kommunale Regie übernehmen sollen, denselben Liebhaber¬
wert zuerkennen, der vielleicht übereiltermaßen hineingesteckt ist. Die Marine¬
verwaltung konnte natürlich im Interesse des Ansehens des Reichs der Zeit
etwas vorauseilen und weitausschauend Anlagen schaffen, die über das augen¬
blickliche Bedürfnis von Handel und Wandel hinausgehen. Wird aber die
Kolonie von der Bürgerschaft verwaltet, so muß diese darauf sehen, daß die
Ausgaben mit den von ihr selbst aufzubringenden Mitteln in Einklang stehen.
Ein junges Gemeinwesen muß auf eine gesunde Finanzwirtschaft sehen.

Autokratische Neigungen in der heimischen Verwaltung sind es, wie die
hier geschilderten Vorgänge deutlich zeigen, die der inneren Entwickelung der
Kolonien hinderlich sind. Vornehmlich die Sucht, den Kolonien möglichst viele
Pflichten aufzubürden und möglichst wenig Rechte zu überlassen. Dabei aber
über wichtige Lebensfragen der Kolonien ohne Rücksicht auf deren deutsche
Bevölkerung zu unterscheiden. Am auffälligsten ist dies bei der Diamanten¬
frage in die Erscheinung getreten. Wenn über diese Angelegenheit auch
noch nicht das letzte Wort gesprochen ist, so hat das selbstherrliche Vorgehen
doch schon eine sehr bedauerliche Wirkung gehabt. Sie hat der Kolonie einen
Gouverneur gekostet, wie sie so leicht nicht wieder einen bekommt. Sie hat
weiter die Kolonialwerte zum Gegenstand wüster Spekulation gemacht, während
die Diamantenproduktion Gelegenheit geboten hatte, weitere Kreise auf verhältnis¬
mäßig solider Basis für koloniale Kapitalanlagen zu interessieren. Nun ist es
zwar verständlich, daß Herr Dernburg in kapitalistischer Politik das Heil für
unsere Kolonien sieht, und in mancher Hinsicht hat er ja vielleicht auch recht. Maki
kann ihm nicht bestreiten, daß er manches Gute damit erreicht hat. Aber mau
kann eine solche Wirtschaftsmethode auch übertreiben, und das scheint uns bei
der Dernburgschen der Fall zu sein. Gerade in den Kolonien macht sie die
natürlichen Kräfte des Landes nicht voll nutzbar und schaltet die Arbeit und
das Streben des Einzelnen aus, von denen der Erfolg der Kolonisationsarbeit
letzten Endes abhängt. Wo Angehörige einer Nation ein neues Betätigungsfeld
finden und ein neues Gemeinwesen gründen sollen, da muß diesem Gemeinwesen
ein voller Anteil an dem, was das.Land hervorbringt, vorbehalten werden.
Kolonien werden nicht dazu gegründet, damit die lebende Generation im Raubbau
Reichtümer sammle, sondern damit der Nation Übersee ein Jungbrunnen entstehe
in völkischer und wirtschaftlicher Beziehung. Die Volkskraft, die drüben nach
Betätigung ringt, muß daher sorgfältig gepflegt, sie darf nicht unterdrückt werden!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/116>, abgerufen am 23.07.2024.