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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Übersctzungskunst der Gegenwart

[Beginn Spaltensatz] 6. äisclains tke tillaige of dei^
liusb"unir^
7. pill be (sachlich einfach) 8. to stop posterit^ (kühn anschau-
liches Bild)
10. natis back (sinnlich nackt) lovel^ (sinnlich) ^prit (dichterisch besondere Ergreifung
des Lebendigen)
11. tkou fuhlt see (einfach sachlich) 12. Desvite ok xvrinKIes (sachlich
gesehn)
14. Die (starke dichterische Ansprache) [Spaltenumbruch]
in Keuschheit deinem Wunsche
widerstrebt (schwächliche Abblassung
des Bildes in einen dünnen Begriff
und Betonung, Heraustreibung des
vermeintlich ethischen Gehalts)
gerne (gemütlich verfärbt) kinderlos (dozierende Verbegrifflichung) erneuen (begrifflich kultiviert)

das Glück (Begriff. Aus dem Ästhetischen
ins Ethische übersetzt)

Mai (die anerzogene konventionell-
liebliche Dichterfloskel)
dein Blick sieht (poetisch tautologische
Umschreibung)
-- (entweder war ihm der Ausdruck
uicht "schön" genng, zu hart, oder er
mußte ihn wegen Raummangels der
"goldenen Frühlingszeit" opfern)
eines Kindes goldene Frühlings¬
zeit (verallgemeinert, konventionell
poetische Floskel)
läßt keine Spuren hier (die übliche
poetische Metapher dafür)
dn stirbst (matte, verständlich sein
sollende Aussage)
[Ende Spaltensatz]
tuis et^ Zolaen time (ans das
individuelle Geschick bezogen, sinn¬
lich starke Einfachheit)

13. rememder'et not to be (sachlich
einfach)

Wolff leidet ein hartes Schicksal. Selten wird ein völlig Verfälschtes
so rasch von dem völlig Echten widerlegt. Er leidet die Not, als letzter
Herold einer aussterbenden Generation dazu bestimmt gewesen zu sein, noch
einmal ihre ganze Fehlbarkeit schmetternd von sich zu geben, obwohl schon reinere
Töne einer neuen Zeit ganz still seine Fanfare Lügen strafen. Vor kurzem erschien
die Umdichtnng der Shakespeare-So nette durch Stefan George (Georg Bondi,
Berlin). Sie wird getragen von der unserer Nation neu errungenen Kraft sinnlich
lebendiger Anschauung und ihrer Bewältigung im dichterisch Visionären. Sie konnte
Shakespeare in seinem innern Kerne, in dem das Ganze seines Werks zusammen¬
haltenden und durchschießenden dichterischen Erleben treffen. Sie konnte es von da
in seine ausstrahlenden Kräfte und Formen verfolgen, konnte zentrifugal diese mit
dem ursprünglichen, gesamtdichterischen Feuer der Mitte nähren und brauchte nicht
zentripetal, wie die Literarischen, die Außenformen oder einzelne Worte cibzugehn
und abzutasten, um durch sprachliche Umsetzung und logische Deutung in das
Zentrum des Dichterischen zu gelangen. Daher Umdichtung, Schöpfung durch
Nachbeschwörung der Visionen des früheren Dichters und ihrer zugeborenen
Bildlichkeit, nicht aber kummervoll besorgte Nachschaffung des einzelnen Worts
ohne wahre, d. h. innere Treue, welcher allein anch die äußere Treue, die


Übersctzungskunst der Gegenwart

[Beginn Spaltensatz] 6. äisclains tke tillaige of dei^
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7. pill be (sachlich einfach) 8. to stop posterit^ (kühn anschau-
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10. natis back (sinnlich nackt) lovel^ (sinnlich) ^prit (dichterisch besondere Ergreifung
des Lebendigen)
11. tkou fuhlt see (einfach sachlich) 12. Desvite ok xvrinKIes (sachlich
gesehn)
14. Die (starke dichterische Ansprache) [Spaltenumbruch]
in Keuschheit deinem Wunsche
widerstrebt (schwächliche Abblassung
des Bildes in einen dünnen Begriff
und Betonung, Heraustreibung des
vermeintlich ethischen Gehalts)
gerne (gemütlich verfärbt) kinderlos (dozierende Verbegrifflichung) erneuen (begrifflich kultiviert)

das Glück (Begriff. Aus dem Ästhetischen
ins Ethische übersetzt)

Mai (die anerzogene konventionell-
liebliche Dichterfloskel)
dein Blick sieht (poetisch tautologische
Umschreibung)
— (entweder war ihm der Ausdruck
uicht „schön" genng, zu hart, oder er
mußte ihn wegen Raummangels der
„goldenen Frühlingszeit" opfern)
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zeit (verallgemeinert, konventionell
poetische Floskel)
läßt keine Spuren hier (die übliche
poetische Metapher dafür)
dn stirbst (matte, verständlich sein
sollende Aussage)
[Ende Spaltensatz]
tuis et^ Zolaen time (ans das
individuelle Geschick bezogen, sinn¬
lich starke Einfachheit)

13. rememder'et not to be (sachlich
einfach)

Wolff leidet ein hartes Schicksal. Selten wird ein völlig Verfälschtes
so rasch von dem völlig Echten widerlegt. Er leidet die Not, als letzter
Herold einer aussterbenden Generation dazu bestimmt gewesen zu sein, noch
einmal ihre ganze Fehlbarkeit schmetternd von sich zu geben, obwohl schon reinere
Töne einer neuen Zeit ganz still seine Fanfare Lügen strafen. Vor kurzem erschien
die Umdichtnng der Shakespeare-So nette durch Stefan George (Georg Bondi,
Berlin). Sie wird getragen von der unserer Nation neu errungenen Kraft sinnlich
lebendiger Anschauung und ihrer Bewältigung im dichterisch Visionären. Sie konnte
Shakespeare in seinem innern Kerne, in dem das Ganze seines Werks zusammen¬
haltenden und durchschießenden dichterischen Erleben treffen. Sie konnte es von da
in seine ausstrahlenden Kräfte und Formen verfolgen, konnte zentrifugal diese mit
dem ursprünglichen, gesamtdichterischen Feuer der Mitte nähren und brauchte nicht
zentripetal, wie die Literarischen, die Außenformen oder einzelne Worte cibzugehn
und abzutasten, um durch sprachliche Umsetzung und logische Deutung in das
Zentrum des Dichterischen zu gelangen. Daher Umdichtung, Schöpfung durch
Nachbeschwörung der Visionen des früheren Dichters und ihrer zugeborenen
Bildlichkeit, nicht aber kummervoll besorgte Nachschaffung des einzelnen Worts
ohne wahre, d. h. innere Treue, welcher allein anch die äußere Treue, die


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[0566] Übersctzungskunst der Gegenwart 6. äisclains tke tillaige of dei^ liusb»unir^ 7. pill be (sachlich einfach) 8. to stop posterit^ (kühn anschau- liches Bild) 10. natis back (sinnlich nackt) lovel^ (sinnlich) ^prit (dichterisch besondere Ergreifung des Lebendigen) 11. tkou fuhlt see (einfach sachlich) 12. Desvite ok xvrinKIes (sachlich gesehn) 14. Die (starke dichterische Ansprache) in Keuschheit deinem Wunsche widerstrebt (schwächliche Abblassung des Bildes in einen dünnen Begriff und Betonung, Heraustreibung des vermeintlich ethischen Gehalts) gerne (gemütlich verfärbt) kinderlos (dozierende Verbegrifflichung) erneuen (begrifflich kultiviert) das Glück (Begriff. Aus dem Ästhetischen ins Ethische übersetzt) Mai (die anerzogene konventionell- liebliche Dichterfloskel) dein Blick sieht (poetisch tautologische Umschreibung) — (entweder war ihm der Ausdruck uicht „schön" genng, zu hart, oder er mußte ihn wegen Raummangels der „goldenen Frühlingszeit" opfern) eines Kindes goldene Frühlings¬ zeit (verallgemeinert, konventionell poetische Floskel) läßt keine Spuren hier (die übliche poetische Metapher dafür) dn stirbst (matte, verständlich sein sollende Aussage) tuis et^ Zolaen time (ans das individuelle Geschick bezogen, sinn¬ lich starke Einfachheit) 13. rememder'et not to be (sachlich einfach) Wolff leidet ein hartes Schicksal. Selten wird ein völlig Verfälschtes so rasch von dem völlig Echten widerlegt. Er leidet die Not, als letzter Herold einer aussterbenden Generation dazu bestimmt gewesen zu sein, noch einmal ihre ganze Fehlbarkeit schmetternd von sich zu geben, obwohl schon reinere Töne einer neuen Zeit ganz still seine Fanfare Lügen strafen. Vor kurzem erschien die Umdichtnng der Shakespeare-So nette durch Stefan George (Georg Bondi, Berlin). Sie wird getragen von der unserer Nation neu errungenen Kraft sinnlich lebendiger Anschauung und ihrer Bewältigung im dichterisch Visionären. Sie konnte Shakespeare in seinem innern Kerne, in dem das Ganze seines Werks zusammen¬ haltenden und durchschießenden dichterischen Erleben treffen. Sie konnte es von da in seine ausstrahlenden Kräfte und Formen verfolgen, konnte zentrifugal diese mit dem ursprünglichen, gesamtdichterischen Feuer der Mitte nähren und brauchte nicht zentripetal, wie die Literarischen, die Außenformen oder einzelne Worte cibzugehn und abzutasten, um durch sprachliche Umsetzung und logische Deutung in das Zentrum des Dichterischen zu gelangen. Daher Umdichtung, Schöpfung durch Nachbeschwörung der Visionen des früheren Dichters und ihrer zugeborenen Bildlichkeit, nicht aber kummervoll besorgte Nachschaffung des einzelnen Worts ohne wahre, d. h. innere Treue, welcher allein anch die äußere Treue, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/566>, abgerufen am 24.07.2024.