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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Die deutschen Schiffahrtsabgaben und das Ausland

11. Februar d. Is., die von einem früheren Eisenbahn-Generaldirektor stammt,
wird die Unkündbarkeit jedoch mit Nachdruck betont, so daß also auf beiden
Seiten Übereinstimmung darin besteht, daß der deutschen Reichsregierung gegen¬
über Österreich und den Niederlanden nnr der Weg des gütlichen Über¬
einkommens bleibt.

Für eine Neuordnung des vertraglichen Zustandes zwischen dem Reich und
den beiden in Bettacht kommenden Nachbarstaaten ergeben sich nun zwei
Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit ist die. daß Österreich und Holland in der
Gemeinschaft der Uferstaaten auf Grundlage der Bildung des Zweckverbands
und der Stromkasse mit eintreten. Eine solche Regelung entspräche in voll¬
kommensten Maße den preußischen Wünschen.

Aber es ist nicht an den Eintritt Hollands in einen Zweckverband zu
denken, da man hierin eine Einengung der staatlichen Selbständigkeit der
Niederlande erblickt, eine Auffassung, die besonders in der Zweiten Kammer
am 3. März v. Is. stark betont wurde (Handelingen der Skalen-Generaal.
1908/09. S. 1676 ff.). Daß auch Österreich sich von dein Eintritt in einen
Zweckverband unter allen Umständen fernhalten müsse, haben die dortigen
Schiffahrtsvereine, allen voran der Elbeverein, die Handelskammern von
Reichenberg und Wien, denen sich hinterher die meisten anderen österreichischen
Handelskammern anschlössen, der Zenttalverband der Industriellen Österreichs
und ähnliche wirtschaftliche Körperschaften in ausführlichen Eingaben an die
Regierung begründet. Einen besonders scharfen Standpunkt in dieser Angelegenheit
haben die am Elbverkehr beteiligten Eisenbahnen in einer Denkschrift an das
Ministerium eingenommen. Es bliebe sonnt nur der zweite Weg, und zwar der,
daß Holland und Österreich einer Änderung der Dinge in dem Sinne zustimmen,
daß Deutschland auf seinein Gebiete die Neuordnung dem Abgabengesetze ent¬
sprechend vornimmt, die beiden anderen Staaten dagegen auf ihren Gebieten
freie Hand behalten. Ein derartiger Rechtszustand hat jedoch zur Voraus¬
setzung, daß zwischen Deutschland und den beiden anderen Staaten je ein
Handelsvertragsverhältnis besteht, welches die Gleichstellung der Ausländer mit
den Inländern auch in eisenbahn- und sttomtarifarischer Hinsicht ausspricht.
Alle österreichischen und holländischen Schiffe müßten hiernach ebenso behandelt
werden wie deutsche innerhalb der deutschen Reichsgrenzen, d. h. abgaben-
pflichtig sein, während die deutschen Fahrzeuge in Österreich und Holland einem
Abgabenzwange nicht unterlagen. Aber auf Stromverbesseruugen der nieder¬
ländischen Strecken wird das Deutsche Reich durch diese zweite Weise keinerlei
Einfluß erlangen. In dieser Richtung können nur Zweckverbände wirksam sein.

Österreich und die Niederlande sind heftige Gegner der Schiffahrtsabgaben,
weil sie mit Recht darin eine Schädigung ihrer Volkswirtschaft sehen. Namentlich
wird von den Interessenten des ersten Staates darauf hingewiesen, daß die
Abgaben eine Ergänzung des deutschen Schutzzolles seien und zu einer Um¬
gehung des Zoll- und Handelsbündnisses führen könnten. Man erinnert sich.


Die deutschen Schiffahrtsabgaben und das Ausland

11. Februar d. Is., die von einem früheren Eisenbahn-Generaldirektor stammt,
wird die Unkündbarkeit jedoch mit Nachdruck betont, so daß also auf beiden
Seiten Übereinstimmung darin besteht, daß der deutschen Reichsregierung gegen¬
über Österreich und den Niederlanden nnr der Weg des gütlichen Über¬
einkommens bleibt.

Für eine Neuordnung des vertraglichen Zustandes zwischen dem Reich und
den beiden in Bettacht kommenden Nachbarstaaten ergeben sich nun zwei
Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit ist die. daß Österreich und Holland in der
Gemeinschaft der Uferstaaten auf Grundlage der Bildung des Zweckverbands
und der Stromkasse mit eintreten. Eine solche Regelung entspräche in voll¬
kommensten Maße den preußischen Wünschen.

Aber es ist nicht an den Eintritt Hollands in einen Zweckverband zu
denken, da man hierin eine Einengung der staatlichen Selbständigkeit der
Niederlande erblickt, eine Auffassung, die besonders in der Zweiten Kammer
am 3. März v. Is. stark betont wurde (Handelingen der Skalen-Generaal.
1908/09. S. 1676 ff.). Daß auch Österreich sich von dein Eintritt in einen
Zweckverband unter allen Umständen fernhalten müsse, haben die dortigen
Schiffahrtsvereine, allen voran der Elbeverein, die Handelskammern von
Reichenberg und Wien, denen sich hinterher die meisten anderen österreichischen
Handelskammern anschlössen, der Zenttalverband der Industriellen Österreichs
und ähnliche wirtschaftliche Körperschaften in ausführlichen Eingaben an die
Regierung begründet. Einen besonders scharfen Standpunkt in dieser Angelegenheit
haben die am Elbverkehr beteiligten Eisenbahnen in einer Denkschrift an das
Ministerium eingenommen. Es bliebe sonnt nur der zweite Weg, und zwar der,
daß Holland und Österreich einer Änderung der Dinge in dem Sinne zustimmen,
daß Deutschland auf seinein Gebiete die Neuordnung dem Abgabengesetze ent¬
sprechend vornimmt, die beiden anderen Staaten dagegen auf ihren Gebieten
freie Hand behalten. Ein derartiger Rechtszustand hat jedoch zur Voraus¬
setzung, daß zwischen Deutschland und den beiden anderen Staaten je ein
Handelsvertragsverhältnis besteht, welches die Gleichstellung der Ausländer mit
den Inländern auch in eisenbahn- und sttomtarifarischer Hinsicht ausspricht.
Alle österreichischen und holländischen Schiffe müßten hiernach ebenso behandelt
werden wie deutsche innerhalb der deutschen Reichsgrenzen, d. h. abgaben-
pflichtig sein, während die deutschen Fahrzeuge in Österreich und Holland einem
Abgabenzwange nicht unterlagen. Aber auf Stromverbesseruugen der nieder¬
ländischen Strecken wird das Deutsche Reich durch diese zweite Weise keinerlei
Einfluß erlangen. In dieser Richtung können nur Zweckverbände wirksam sein.

Österreich und die Niederlande sind heftige Gegner der Schiffahrtsabgaben,
weil sie mit Recht darin eine Schädigung ihrer Volkswirtschaft sehen. Namentlich
wird von den Interessenten des ersten Staates darauf hingewiesen, daß die
Abgaben eine Ergänzung des deutschen Schutzzolles seien und zu einer Um¬
gehung des Zoll- und Handelsbündnisses führen könnten. Man erinnert sich.


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[0522] Die deutschen Schiffahrtsabgaben und das Ausland 11. Februar d. Is., die von einem früheren Eisenbahn-Generaldirektor stammt, wird die Unkündbarkeit jedoch mit Nachdruck betont, so daß also auf beiden Seiten Übereinstimmung darin besteht, daß der deutschen Reichsregierung gegen¬ über Österreich und den Niederlanden nnr der Weg des gütlichen Über¬ einkommens bleibt. Für eine Neuordnung des vertraglichen Zustandes zwischen dem Reich und den beiden in Bettacht kommenden Nachbarstaaten ergeben sich nun zwei Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit ist die. daß Österreich und Holland in der Gemeinschaft der Uferstaaten auf Grundlage der Bildung des Zweckverbands und der Stromkasse mit eintreten. Eine solche Regelung entspräche in voll¬ kommensten Maße den preußischen Wünschen. Aber es ist nicht an den Eintritt Hollands in einen Zweckverband zu denken, da man hierin eine Einengung der staatlichen Selbständigkeit der Niederlande erblickt, eine Auffassung, die besonders in der Zweiten Kammer am 3. März v. Is. stark betont wurde (Handelingen der Skalen-Generaal. 1908/09. S. 1676 ff.). Daß auch Österreich sich von dein Eintritt in einen Zweckverband unter allen Umständen fernhalten müsse, haben die dortigen Schiffahrtsvereine, allen voran der Elbeverein, die Handelskammern von Reichenberg und Wien, denen sich hinterher die meisten anderen österreichischen Handelskammern anschlössen, der Zenttalverband der Industriellen Österreichs und ähnliche wirtschaftliche Körperschaften in ausführlichen Eingaben an die Regierung begründet. Einen besonders scharfen Standpunkt in dieser Angelegenheit haben die am Elbverkehr beteiligten Eisenbahnen in einer Denkschrift an das Ministerium eingenommen. Es bliebe sonnt nur der zweite Weg, und zwar der, daß Holland und Österreich einer Änderung der Dinge in dem Sinne zustimmen, daß Deutschland auf seinein Gebiete die Neuordnung dem Abgabengesetze ent¬ sprechend vornimmt, die beiden anderen Staaten dagegen auf ihren Gebieten freie Hand behalten. Ein derartiger Rechtszustand hat jedoch zur Voraus¬ setzung, daß zwischen Deutschland und den beiden anderen Staaten je ein Handelsvertragsverhältnis besteht, welches die Gleichstellung der Ausländer mit den Inländern auch in eisenbahn- und sttomtarifarischer Hinsicht ausspricht. Alle österreichischen und holländischen Schiffe müßten hiernach ebenso behandelt werden wie deutsche innerhalb der deutschen Reichsgrenzen, d. h. abgaben- pflichtig sein, während die deutschen Fahrzeuge in Österreich und Holland einem Abgabenzwange nicht unterlagen. Aber auf Stromverbesseruugen der nieder¬ ländischen Strecken wird das Deutsche Reich durch diese zweite Weise keinerlei Einfluß erlangen. In dieser Richtung können nur Zweckverbände wirksam sein. Österreich und die Niederlande sind heftige Gegner der Schiffahrtsabgaben, weil sie mit Recht darin eine Schädigung ihrer Volkswirtschaft sehen. Namentlich wird von den Interessenten des ersten Staates darauf hingewiesen, daß die Abgaben eine Ergänzung des deutschen Schutzzolles seien und zu einer Um¬ gehung des Zoll- und Handelsbündnisses führen könnten. Man erinnert sich.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/522>, abgerufen am 24.07.2024.