Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.Berliner Salonlebe" uns spricht, Julius Stettenheim als der unermüdlich scherzende Vater des Den Künstlern standen große prächtige Räume, für deren Ausschmückung Wenn Rückert mit seinem Spruch: "Gesellschaft braucht der Tor und Grenzboten I 1910 5"
Berliner Salonlebe» uns spricht, Julius Stettenheim als der unermüdlich scherzende Vater des Den Künstlern standen große prächtige Räume, für deren Ausschmückung Wenn Rückert mit seinem Spruch: „Gesellschaft braucht der Tor und Grenzboten I 1910 5»
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Berliner Salonlebe»
uns spricht, Julius Stettenheim als der unermüdlich scherzende Vater des
„Wippchen", Paul Lindau als ein wirklicher Gesellschaftskünstler, dem es stets
gelang, die verschiedensten Gruppen in einen Fluß von Gemütlichkeit zu bringen,
der oft erst am frühen Morgen wieder abflutete. Julius Wolff, der Dichter
des „Rattenfängers", stand in engen freundschaftlichen Beziehungen zu den
bildenden Künstlern, die in dem gastlichen Heim von Ludwig Pietsch den
Hausherrn als wohlwollenden, hilfsbereiten Freund und Kenner des schönen
Scheins, sowie als modernen Odüsseus verehrten, wenn er nach glücklicher
Beendigung seiner Weltfahrten sich wieder an seinen Schreibtisch setzte und als
L. P. das Urteil des Publikums in entscheidender Weise bestimmte.
Den Künstlern standen große prächtige Räume, für deren Ausschmückung
sie durch ihre Schöpfungen selbst am besten sorgten, ein beständig wechselnder
Kreis von Körnern, Kennern und Gönnern sowie von weiblicher Anmut und
Würde in allen Abstufungen zur Verfügung. Der gefeierte Porträtmaler
Gustav Richter, Anton von Werner und Paul Meyerheim zogen durch ihre
klugen, weltgewandter Frauen Berühmtheiten von fern und nah an. Wer
denkt nicht an die gesellschaftlichen Feste, denen die herrlichen Räume von
Meister Reinhold Begas' Wohnung in der Stülerstraße durchrauscht wurden,
oder die Besuche in seinem Atelier, das mit den Schöpfungen feiner Phantasie
und seines Meißels einem kostbaren Museum glich! Neben dein Genie des
Bildhauers, der die Straßen und Plätze Berlins mit seineu edelsten Ein¬
gebungen schmückte, waltete hier ebenfalls die unwiderstehliche Liebenswürdigkeit
von Frau „Grete", die jeden Gast persönlich zu behandeln und in ihm die holde
Täuschung hervorzurufen wußte, als ob dieses reiche Ausgebot von Geist und
Lebensfreude eben nur zu seinem persönlichen Wohlbefinden erdacht und durch¬
geführt sei. Bei dieser Unterhaltung gab jeder ungefähr so viel, wie er empfing,
und in diesem Konzert von Meinungen und Temperamenten waren die
weiblichen Stimmen in der glücklichsten Weise besetzt. Zur höchsten Vollendung
und Pracht steigerte sich das Berliner Salonleben an den Empfangsabenden
der lebensfreudigen, musikalisch hochbegabten Fürstin von Bülow im Palais des
Reichskanzlers, dessen Räume mit so mustergültigen Mnstlerischen Geschmack
umgestaltet waren, daß man glauben konnte 'durch einen alten italienischen
Palazzo zu schreiten, während der Geist des großen deutschen Einigers über der
auserlesenen Blüte von Geselligkeit schwebte und ihr eine geschichtliche Bedeutung
verlieh.
Wenn Rückert mit seinem Spruch: „Gesellschaft braucht der Tor und
Einsamkeit der Weise" recht hätte, würden wir Berliner in einer der törichtesten
Städte der Welt leben, denn von dem Fallen der Blätter in; Herbst bis zum
Sprießen des frischen Grüns im Frühling sind unsere Salons gastlich geöffnet.
Die Achtung vor dem Fleiß und Talent bildet den Grundton unserer Geselligkeit,
bei welcher der eine den andern zu übertreffen sucht. An Freundlichkeit
und Entgegenkommen, Reichtum des Gebotenen in geistiger und materieller
Grenzboten I 1910 5»
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