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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Im Kampf gegen die Übermacht

Ermahnende und befehlende Stimmen wurden draußen laut, der Lärm nahm
ab. Dann flammte er wieder auf -- stoßweise, sobald eine Tür geöffnet wurde,
und ward gedämpft, sobald sie sich wieder schloß.

Er löschte das Licht aus und lag noch lange da und lauschte. Dann wurde
allmählich alles still.

Er war gerade im Begriff, wieder einzuschlafen, als er in die Höhe fuhr;
es war ihm, als gehe seine eigene Tür. Aber er hatte sich geirrt; es war die Tür
zum Nebenzimmer, die ganz sachte knarrte. Jungfer Thorborg begab sich endlich
zur Ruhe. Sie hatte da unten wohl noch die Ordnung wieder herstellen müssen . . .

Abermals war er kurz davor, einzuschlafen, -- als dieselbe Tür da draußen
wieder knarrte. Es klang genau so, als sei es seine eigene, so daß er völlig
wach wurde.

Ein gedämpftes Flüstern, ein fast unhörbares Lachen, das Schurren eines
Stuhles, ein Knarren -- abermals Lachen... drangen aus Thorborgs Stübchen
durch die Wand bis zu ihm herein.

Und er schlief ein . . .




Da fuhr er von neuem aus seinem Schlaf auf. Es war ein Schrei -- oder
ein Brüllen? Oder hatte er nur geträumt?

Nein, -- draußen vom Gang her ertönte abermals ein anhaltendes Brüllen
oder Stöhnen, als sei jemand in Not... dann noch eins, von einer andern
Stimme herrührend und mit einem sonderbaren Zusatz, der fast wie Lachen klang . . .

Er sprang auf, zündete das Licht an, fuhr in seine Beinkleider und ging
hinaus. Da mußte etwas geschehen sein. . .!

Vom Treppenaufgang am Ende des Ganges drang ein Lichtschein herauf, er
eilte dahin und beugte sich über das Geländer.

Unten auf der Diele stand Herr Willatz Steenbuk mit einem Leuchter, den
er hoch in die Höhe hob; er war offenbar gerade herzugekommen.

"Seid ihr denn noch nicht weiter?" sagte er mit gedämpftem Lachen. Alls
der untersten Treppenstufe lag ein Mann mit der Nase am Boden und stöhnte;
ein anderer Mann hielt sich mühsam am Treppengeländer aufrecht, während er
lachte und um die Wette mit dem andern schrie.

"Er kann nicht wieder in die Höhe kommen!" sagte er entzückt. Es war
der Bergenser Pfarrer.

"Hilf mir dochl" stöhnte der Mann, der an der Erde lag, und bemühte sich
vergebens, sich auszurichten. Es war der Pfarrer aus Drontheim.

"Macht doch nicht solchen Lärm!" sagte Herr Willatz. "Seht, daß ihr ins
Bett kommt -- es würde eine nette Bescherung werden, wenn die Frauenzimmer
herauskamen. ..! Na, wird's bald?"

"Hel -- helft mir doch!" stöhnte der Liegende.

"Er kann nicht in die Höhe kommen!" lachte der Bergenser wieder in hellster
Begeisterung. "Aber das ist ja seine eigene Schuld. Er hätte ja früher gehen
können. . .1"

Der Drontheimer hatte sich jetzt soweit aufgerichtet, daß er auf der Treppe saß.

"Du wol -- wolltest doch ab -- absolut, daß die B -- bowle ausgetrunken
w -- würde!" flüsterte er.

"Ja, hier könnt ihr nicht liegen bleiben," sagte Herr Willatz, "seht nun zu,
daß ihr nach oben kommt! Wenn ihr nicht gehen könnt, müßt ihr kriechen!"

"Helft mir.. .1" wimmerte der Drontheimer.

"Na, dann komm!" sagte der Bergenser und zog ihn an der Schulter in die


Im Kampf gegen die Übermacht

Ermahnende und befehlende Stimmen wurden draußen laut, der Lärm nahm
ab. Dann flammte er wieder auf — stoßweise, sobald eine Tür geöffnet wurde,
und ward gedämpft, sobald sie sich wieder schloß.

Er löschte das Licht aus und lag noch lange da und lauschte. Dann wurde
allmählich alles still.

Er war gerade im Begriff, wieder einzuschlafen, als er in die Höhe fuhr;
es war ihm, als gehe seine eigene Tür. Aber er hatte sich geirrt; es war die Tür
zum Nebenzimmer, die ganz sachte knarrte. Jungfer Thorborg begab sich endlich
zur Ruhe. Sie hatte da unten wohl noch die Ordnung wieder herstellen müssen . . .

Abermals war er kurz davor, einzuschlafen, — als dieselbe Tür da draußen
wieder knarrte. Es klang genau so, als sei es seine eigene, so daß er völlig
wach wurde.

Ein gedämpftes Flüstern, ein fast unhörbares Lachen, das Schurren eines
Stuhles, ein Knarren — abermals Lachen... drangen aus Thorborgs Stübchen
durch die Wand bis zu ihm herein.

Und er schlief ein . . .




Da fuhr er von neuem aus seinem Schlaf auf. Es war ein Schrei — oder
ein Brüllen? Oder hatte er nur geträumt?

Nein, — draußen vom Gang her ertönte abermals ein anhaltendes Brüllen
oder Stöhnen, als sei jemand in Not... dann noch eins, von einer andern
Stimme herrührend und mit einem sonderbaren Zusatz, der fast wie Lachen klang . . .

Er sprang auf, zündete das Licht an, fuhr in seine Beinkleider und ging
hinaus. Da mußte etwas geschehen sein. . .!

Vom Treppenaufgang am Ende des Ganges drang ein Lichtschein herauf, er
eilte dahin und beugte sich über das Geländer.

Unten auf der Diele stand Herr Willatz Steenbuk mit einem Leuchter, den
er hoch in die Höhe hob; er war offenbar gerade herzugekommen.

„Seid ihr denn noch nicht weiter?" sagte er mit gedämpftem Lachen. Alls
der untersten Treppenstufe lag ein Mann mit der Nase am Boden und stöhnte;
ein anderer Mann hielt sich mühsam am Treppengeländer aufrecht, während er
lachte und um die Wette mit dem andern schrie.

„Er kann nicht wieder in die Höhe kommen!" sagte er entzückt. Es war
der Bergenser Pfarrer.

„Hilf mir dochl" stöhnte der Mann, der an der Erde lag, und bemühte sich
vergebens, sich auszurichten. Es war der Pfarrer aus Drontheim.

„Macht doch nicht solchen Lärm!" sagte Herr Willatz. „Seht, daß ihr ins
Bett kommt — es würde eine nette Bescherung werden, wenn die Frauenzimmer
herauskamen. ..! Na, wird's bald?"

„Hel — helft mir doch!" stöhnte der Liegende.

„Er kann nicht in die Höhe kommen!" lachte der Bergenser wieder in hellster
Begeisterung. „Aber das ist ja seine eigene Schuld. Er hätte ja früher gehen
können. . .1"

Der Drontheimer hatte sich jetzt soweit aufgerichtet, daß er auf der Treppe saß.

„Du wol — wolltest doch ab — absolut, daß die B — bowle ausgetrunken
w — würde!" flüsterte er.

„Ja, hier könnt ihr nicht liegen bleiben," sagte Herr Willatz, „seht nun zu,
daß ihr nach oben kommt! Wenn ihr nicht gehen könnt, müßt ihr kriechen!"

„Helft mir.. .1" wimmerte der Drontheimer.

„Na, dann komm!" sagte der Bergenser und zog ihn an der Schulter in die


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[0380] Im Kampf gegen die Übermacht Ermahnende und befehlende Stimmen wurden draußen laut, der Lärm nahm ab. Dann flammte er wieder auf — stoßweise, sobald eine Tür geöffnet wurde, und ward gedämpft, sobald sie sich wieder schloß. Er löschte das Licht aus und lag noch lange da und lauschte. Dann wurde allmählich alles still. Er war gerade im Begriff, wieder einzuschlafen, als er in die Höhe fuhr; es war ihm, als gehe seine eigene Tür. Aber er hatte sich geirrt; es war die Tür zum Nebenzimmer, die ganz sachte knarrte. Jungfer Thorborg begab sich endlich zur Ruhe. Sie hatte da unten wohl noch die Ordnung wieder herstellen müssen . . . Abermals war er kurz davor, einzuschlafen, — als dieselbe Tür da draußen wieder knarrte. Es klang genau so, als sei es seine eigene, so daß er völlig wach wurde. Ein gedämpftes Flüstern, ein fast unhörbares Lachen, das Schurren eines Stuhles, ein Knarren — abermals Lachen... drangen aus Thorborgs Stübchen durch die Wand bis zu ihm herein. Und er schlief ein . . . Da fuhr er von neuem aus seinem Schlaf auf. Es war ein Schrei — oder ein Brüllen? Oder hatte er nur geträumt? Nein, — draußen vom Gang her ertönte abermals ein anhaltendes Brüllen oder Stöhnen, als sei jemand in Not... dann noch eins, von einer andern Stimme herrührend und mit einem sonderbaren Zusatz, der fast wie Lachen klang . . . Er sprang auf, zündete das Licht an, fuhr in seine Beinkleider und ging hinaus. Da mußte etwas geschehen sein. . .! Vom Treppenaufgang am Ende des Ganges drang ein Lichtschein herauf, er eilte dahin und beugte sich über das Geländer. Unten auf der Diele stand Herr Willatz Steenbuk mit einem Leuchter, den er hoch in die Höhe hob; er war offenbar gerade herzugekommen. „Seid ihr denn noch nicht weiter?" sagte er mit gedämpftem Lachen. Alls der untersten Treppenstufe lag ein Mann mit der Nase am Boden und stöhnte; ein anderer Mann hielt sich mühsam am Treppengeländer aufrecht, während er lachte und um die Wette mit dem andern schrie. „Er kann nicht wieder in die Höhe kommen!" sagte er entzückt. Es war der Bergenser Pfarrer. „Hilf mir dochl" stöhnte der Mann, der an der Erde lag, und bemühte sich vergebens, sich auszurichten. Es war der Pfarrer aus Drontheim. „Macht doch nicht solchen Lärm!" sagte Herr Willatz. „Seht, daß ihr ins Bett kommt — es würde eine nette Bescherung werden, wenn die Frauenzimmer herauskamen. ..! Na, wird's bald?" „Hel — helft mir doch!" stöhnte der Liegende. „Er kann nicht in die Höhe kommen!" lachte der Bergenser wieder in hellster Begeisterung. „Aber das ist ja seine eigene Schuld. Er hätte ja früher gehen können. . .1" Der Drontheimer hatte sich jetzt soweit aufgerichtet, daß er auf der Treppe saß. „Du wol — wolltest doch ab — absolut, daß die B — bowle ausgetrunken w — würde!" flüsterte er. „Ja, hier könnt ihr nicht liegen bleiben," sagte Herr Willatz, „seht nun zu, daß ihr nach oben kommt! Wenn ihr nicht gehen könnt, müßt ihr kriechen!" „Helft mir.. .1" wimmerte der Drontheimer. „Na, dann komm!" sagte der Bergenser und zog ihn an der Schulter in die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/380>, abgerufen am 22.12.2024.