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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Der Streit um die Schiffahrtsabgaben

Monopol völlig in der Hand hat. Aber die Verstaatlichung des Betriebes auf
Rhein, Elbe und Oder ist sicherlich nicht sehr einfach.

Die Schiffahrtsabgaben sollen nach dem Gebührenprinzip erhoben werden,
d. h. es darf nicht mehr gefordert werden, als zur Deckung des im Interesse
der Schiffahrt gemachten Aufwandes erforderlich ist. Jegliche Gebühr soll aber
eine Gegenleistung für eine klar erkennbare Leistung sein. Zu solchen klar
erkennbaren Leistungen gehört z. B. die Benutzung vou Krämer und anderen
besonderen Veranstaltungen. Hier weiß jeder, der zahlt, auch, was er für diese
Zahlung erhält; hier stehen Dienst und Gegendienst einander klar gegenüber.
Aber bei den in Aussicht gestellten Schiffahrtsabgaben ist dies durchaus nicht
der Fall. Denn jeder soll zahlen, der die Wasserstraße benutzt. Dem kleinen
Schiffer ist es aber nicht nur gleichgültig, ob das Fahrwasser verbessert wird
oder nicht, fondern er hat sogar lebhaftes Interesse an niedrigem Wasser. Dann
wird er bekanntermaßen am meisten gebraucht, wenn er zum Leichtern nötig ist,
während die großen Gesellschaften ihren Kahnraum nicht ausnützen können.
Trotzdem sollen die kleineren, die Partikulierschiffer, an ihrem Teil mitbezahlen.
Und wie steht es bei den großen Gesellschaften? Einstweilen ist ihr vorhandener
Schiffsraum zur Besorgung ihrer Bedürfnisse noch vollauf groß genug; sie haben
deshalb auch kein Verlangen nach Vertiefung der Wasserrinne. Und wenn aus
den Gebühren die Seitenströme und Oberläufe reguliert werden sollen, dann
hat das zur Folge, daß alle diejenigen, welche die Abgaben zahlen, sich selber
damit unmittelbar schädigen. Denn Mannheim Hütte, wenn man seinen bisherigen
Verkehr der Berechnung zugrunde legt, allein 58 Prozent der gesamten Rhein-
schiffahrtsabgaben zu tragen, und es ist selbstverständlich und auch nirgendwo
bestatten worden, daß Mannheim nur Nachteile von jenen Verbesserungen haben
wird, die anderen zugute kommen. Die Erhebung der Abgaben nach dem
Gebührenprinzip muß deshalb von vornherein für die Volkswirtschaft abgelehnt
werden.

Die Abgaben sind auch wegen der Bemessung ihrer Höhe und der Verteilung
abzulehnen. Die Bemessung der Gebühr soll sich nach dem Werte der Ladung
richten, für die fünf verschiedene Stufen vorgesehen sind, und zwar von 0,1 Pfennig
bis hinab zu 0,02 Pfennig für den Tonnenkilometer. Das ist zwar ein Ma߬
stab, der allen Wertzöllen und Wertfrachttarifen zugrunde gelegt wird, ein Maßstab,
der auch des öftern das Richtige treffen mag, der aber im Prinzipe deshalb
ganz und gar falsch ist, weil in Wirklichkeit der Gewinn gar nicht von dein Werte
der Waren abhängt, die man verkauft oder verfrachtet, sondern nur von der
Wertsteigung, die sie durch den Umsatz oder den Transport bekommen könnten,
die an sich aber auch ausbleiben kann. Die schematische Wertklassifikation hat
bisher noch in allen Eisenbahntarifen versagt, weil oft die wertvollen Güter die
starke Belastung gar nicht vertragen können. Aus diesem Grunde ist die Not¬
wendigkeit der Ausnahme und Exporttarife immer dringender geworden, wodurch
das Tarifschema aber zu einem bloßen Scheinbilde herabgesunken ist. Eine


Der Streit um die Schiffahrtsabgaben

Monopol völlig in der Hand hat. Aber die Verstaatlichung des Betriebes auf
Rhein, Elbe und Oder ist sicherlich nicht sehr einfach.

Die Schiffahrtsabgaben sollen nach dem Gebührenprinzip erhoben werden,
d. h. es darf nicht mehr gefordert werden, als zur Deckung des im Interesse
der Schiffahrt gemachten Aufwandes erforderlich ist. Jegliche Gebühr soll aber
eine Gegenleistung für eine klar erkennbare Leistung sein. Zu solchen klar
erkennbaren Leistungen gehört z. B. die Benutzung vou Krämer und anderen
besonderen Veranstaltungen. Hier weiß jeder, der zahlt, auch, was er für diese
Zahlung erhält; hier stehen Dienst und Gegendienst einander klar gegenüber.
Aber bei den in Aussicht gestellten Schiffahrtsabgaben ist dies durchaus nicht
der Fall. Denn jeder soll zahlen, der die Wasserstraße benutzt. Dem kleinen
Schiffer ist es aber nicht nur gleichgültig, ob das Fahrwasser verbessert wird
oder nicht, fondern er hat sogar lebhaftes Interesse an niedrigem Wasser. Dann
wird er bekanntermaßen am meisten gebraucht, wenn er zum Leichtern nötig ist,
während die großen Gesellschaften ihren Kahnraum nicht ausnützen können.
Trotzdem sollen die kleineren, die Partikulierschiffer, an ihrem Teil mitbezahlen.
Und wie steht es bei den großen Gesellschaften? Einstweilen ist ihr vorhandener
Schiffsraum zur Besorgung ihrer Bedürfnisse noch vollauf groß genug; sie haben
deshalb auch kein Verlangen nach Vertiefung der Wasserrinne. Und wenn aus
den Gebühren die Seitenströme und Oberläufe reguliert werden sollen, dann
hat das zur Folge, daß alle diejenigen, welche die Abgaben zahlen, sich selber
damit unmittelbar schädigen. Denn Mannheim Hütte, wenn man seinen bisherigen
Verkehr der Berechnung zugrunde legt, allein 58 Prozent der gesamten Rhein-
schiffahrtsabgaben zu tragen, und es ist selbstverständlich und auch nirgendwo
bestatten worden, daß Mannheim nur Nachteile von jenen Verbesserungen haben
wird, die anderen zugute kommen. Die Erhebung der Abgaben nach dem
Gebührenprinzip muß deshalb von vornherein für die Volkswirtschaft abgelehnt
werden.

Die Abgaben sind auch wegen der Bemessung ihrer Höhe und der Verteilung
abzulehnen. Die Bemessung der Gebühr soll sich nach dem Werte der Ladung
richten, für die fünf verschiedene Stufen vorgesehen sind, und zwar von 0,1 Pfennig
bis hinab zu 0,02 Pfennig für den Tonnenkilometer. Das ist zwar ein Ma߬
stab, der allen Wertzöllen und Wertfrachttarifen zugrunde gelegt wird, ein Maßstab,
der auch des öftern das Richtige treffen mag, der aber im Prinzipe deshalb
ganz und gar falsch ist, weil in Wirklichkeit der Gewinn gar nicht von dein Werte
der Waren abhängt, die man verkauft oder verfrachtet, sondern nur von der
Wertsteigung, die sie durch den Umsatz oder den Transport bekommen könnten,
die an sich aber auch ausbleiben kann. Die schematische Wertklassifikation hat
bisher noch in allen Eisenbahntarifen versagt, weil oft die wertvollen Güter die
starke Belastung gar nicht vertragen können. Aus diesem Grunde ist die Not¬
wendigkeit der Ausnahme und Exporttarife immer dringender geworden, wodurch
das Tarifschema aber zu einem bloßen Scheinbilde herabgesunken ist. Eine


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[0268] Der Streit um die Schiffahrtsabgaben Monopol völlig in der Hand hat. Aber die Verstaatlichung des Betriebes auf Rhein, Elbe und Oder ist sicherlich nicht sehr einfach. Die Schiffahrtsabgaben sollen nach dem Gebührenprinzip erhoben werden, d. h. es darf nicht mehr gefordert werden, als zur Deckung des im Interesse der Schiffahrt gemachten Aufwandes erforderlich ist. Jegliche Gebühr soll aber eine Gegenleistung für eine klar erkennbare Leistung sein. Zu solchen klar erkennbaren Leistungen gehört z. B. die Benutzung vou Krämer und anderen besonderen Veranstaltungen. Hier weiß jeder, der zahlt, auch, was er für diese Zahlung erhält; hier stehen Dienst und Gegendienst einander klar gegenüber. Aber bei den in Aussicht gestellten Schiffahrtsabgaben ist dies durchaus nicht der Fall. Denn jeder soll zahlen, der die Wasserstraße benutzt. Dem kleinen Schiffer ist es aber nicht nur gleichgültig, ob das Fahrwasser verbessert wird oder nicht, fondern er hat sogar lebhaftes Interesse an niedrigem Wasser. Dann wird er bekanntermaßen am meisten gebraucht, wenn er zum Leichtern nötig ist, während die großen Gesellschaften ihren Kahnraum nicht ausnützen können. Trotzdem sollen die kleineren, die Partikulierschiffer, an ihrem Teil mitbezahlen. Und wie steht es bei den großen Gesellschaften? Einstweilen ist ihr vorhandener Schiffsraum zur Besorgung ihrer Bedürfnisse noch vollauf groß genug; sie haben deshalb auch kein Verlangen nach Vertiefung der Wasserrinne. Und wenn aus den Gebühren die Seitenströme und Oberläufe reguliert werden sollen, dann hat das zur Folge, daß alle diejenigen, welche die Abgaben zahlen, sich selber damit unmittelbar schädigen. Denn Mannheim Hütte, wenn man seinen bisherigen Verkehr der Berechnung zugrunde legt, allein 58 Prozent der gesamten Rhein- schiffahrtsabgaben zu tragen, und es ist selbstverständlich und auch nirgendwo bestatten worden, daß Mannheim nur Nachteile von jenen Verbesserungen haben wird, die anderen zugute kommen. Die Erhebung der Abgaben nach dem Gebührenprinzip muß deshalb von vornherein für die Volkswirtschaft abgelehnt werden. Die Abgaben sind auch wegen der Bemessung ihrer Höhe und der Verteilung abzulehnen. Die Bemessung der Gebühr soll sich nach dem Werte der Ladung richten, für die fünf verschiedene Stufen vorgesehen sind, und zwar von 0,1 Pfennig bis hinab zu 0,02 Pfennig für den Tonnenkilometer. Das ist zwar ein Ma߬ stab, der allen Wertzöllen und Wertfrachttarifen zugrunde gelegt wird, ein Maßstab, der auch des öftern das Richtige treffen mag, der aber im Prinzipe deshalb ganz und gar falsch ist, weil in Wirklichkeit der Gewinn gar nicht von dein Werte der Waren abhängt, die man verkauft oder verfrachtet, sondern nur von der Wertsteigung, die sie durch den Umsatz oder den Transport bekommen könnten, die an sich aber auch ausbleiben kann. Die schematische Wertklassifikation hat bisher noch in allen Eisenbahntarifen versagt, weil oft die wertvollen Güter die starke Belastung gar nicht vertragen können. Aus diesem Grunde ist die Not¬ wendigkeit der Ausnahme und Exporttarife immer dringender geworden, wodurch das Tarifschema aber zu einem bloßen Scheinbilde herabgesunken ist. Eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/268>, abgerufen am 22.12.2024.