Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.Der Streit um die Schiffahrtsabgabcn ganze Materie ausbreitet. Er stellt zunächst auf, daß zwischen gewissen Verhältnissen Für Preußen bedeutet diese gegnerische Haltung aber die Notwendigkeit, Der Streit um die Schiffahrtsabgabcn ganze Materie ausbreitet. Er stellt zunächst auf, daß zwischen gewissen Verhältnissen Für Preußen bedeutet diese gegnerische Haltung aber die Notwendigkeit, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0265" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/315262"/> <fw type="header" place="top"> Der Streit um die Schiffahrtsabgabcn</fw><lb/> <p xml:id="ID_1028" prev="#ID_1027"> ganze Materie ausbreitet. Er stellt zunächst auf, daß zwischen gewissen Verhältnissen<lb/> eine rechtliche Identität bestehe, beweist dann, daß bei dem einen von ihnen die von<lb/> ihm gewünschten Schiffahrtsabgaben zulässig siud; dann ist vermöge der an¬<lb/> genommenen Identität der Beweis zugleich für die anderen Verhältnisse erbracht.<lb/> In diesen: Sinne sucht er vor allem zwei solche notwendige Identitäten rechtlicher<lb/> Ordnung zur Geltung zu bringen: die der Wasserstraßen einerseits, der Häfen<lb/> anderseits, und die der Binnenschiffahrt einerseits und der Seeschiffahrt ander¬<lb/> seits. Sie laufen füglich in eins zusammen. (Näheres siehe O. Mayer.<lb/> Schiffahrtsabgaben. Tübingen 1907.) Diese rechtliche Auslegung der Reichs¬<lb/> verfassung durch Peters kam für die meisten um so überraschender, als man<lb/> bis dahin in der staatsrechtlichen Literatur an die Möglichkeit einer Anzweiflung<lb/> überhaupt nicht gedacht hatte. Noch die 1910 erschienene Auflage von Labands<lb/> Staatsrecht berichtet einfach die Tatsachen, ohne ein Wort der Begründung oder<lb/> Abwehr, woran es ein so streitbarer Gelehrter gewiß nicht hätte fehlen lassen,<lb/> wenn im Ernste etwas zu sagen war. Die Peterssche Abhandlung fand deshalb bei<lb/> allen Staatsrechtslehrern, namentlich bei O. Mauer in Leipzig und P. Laband<lb/> in Straßburg, auch die feindlichste Aufnahme.</p><lb/> <p xml:id="ID_1029" next="#ID_1030"> Für Preußen bedeutet diese gegnerische Haltung aber die Notwendigkeit,<lb/> den einmal betretenen Weg zur Wiedereinführung von Abgaben auf natürlichen<lb/> Wasserstraßen zu verlassen. Die preußische Regierung unterbreitete deshalb dein<lb/> Bundesrat den im Reichsanzeiger vom 13. März 1909 veröffentlichten Entwurf<lb/> eines Gesetzes, betreffend die Erhebung von Schiffahrtsabgaben, der alle Zweifel,<lb/> ob Abgaben auf natürliche Wasserstraßen zulässig sind, durch Verfassungs¬<lb/> änderung beseitigen und eine verfassungsmäßig unanfechtbare Grundlage für<lb/> ein weiteres Vorgehen schaffen will. Der die neue Fassung des Artikels 54 der<lb/> Reichsverfassung enthaltende Artikel I der Vorlage bezweckt die Ausräumung<lb/> sämtlicher Streitfragen, welche an den bisherigen Wortlaut sich geknüpft haben,<lb/> und die Ausfüllung aller Lücken, die in der alten Fassung sich „darzubieten<lb/> scheinen". Die Häfen sind in der neuen Fassung als See- und als Binnen¬<lb/> häfen an natürlichen Wasserstraßen behandelt und gehören zu den dort genannten<lb/> „besonderen Anstalten". Die Artikel II bis V des Entwurfs enthalten nicht<lb/> Verfassungs-, sondern gewöhnliches Reichsrecht. Jeder Strom und jedes Strom¬<lb/> netz soll als Einheit aufgefaßt werden und die einzelnen Bundesstaaten sich über<lb/> die Höhe der Tarife verständigen. Dieses Ziel soll durch genossenschaftliche<lb/> Zusammenfassung der Verkehrs- und Strombauinteressen zu sogenannten<lb/> Zweckverbänden erreicht werden. Die Bedeutung dieser Zweckverbände soll<lb/> "icht nur in der finanziellen Verselbständigung der Schiffahrtsinteressen für<lb/> die einzelnen Wasserstraßen liegen, sondern vor allein auch in der territorialen<lb/> Ausgleichung und Verallgemeinerung aller gemeinsamen Interesse,:. Die Be¬<lb/> gründung über Wesen und Ziele der Zweckverbände in der preußischen Gesetzes¬<lb/> vorlage schien anderen Bundesstaaten jedoch uicht als durchschlagend genug, so daß<lb/> wan von Preußen eine weitere Erklärung verlangte, die es dann am 29. November</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0265]
Der Streit um die Schiffahrtsabgabcn
ganze Materie ausbreitet. Er stellt zunächst auf, daß zwischen gewissen Verhältnissen
eine rechtliche Identität bestehe, beweist dann, daß bei dem einen von ihnen die von
ihm gewünschten Schiffahrtsabgaben zulässig siud; dann ist vermöge der an¬
genommenen Identität der Beweis zugleich für die anderen Verhältnisse erbracht.
In diesen: Sinne sucht er vor allem zwei solche notwendige Identitäten rechtlicher
Ordnung zur Geltung zu bringen: die der Wasserstraßen einerseits, der Häfen
anderseits, und die der Binnenschiffahrt einerseits und der Seeschiffahrt ander¬
seits. Sie laufen füglich in eins zusammen. (Näheres siehe O. Mayer.
Schiffahrtsabgaben. Tübingen 1907.) Diese rechtliche Auslegung der Reichs¬
verfassung durch Peters kam für die meisten um so überraschender, als man
bis dahin in der staatsrechtlichen Literatur an die Möglichkeit einer Anzweiflung
überhaupt nicht gedacht hatte. Noch die 1910 erschienene Auflage von Labands
Staatsrecht berichtet einfach die Tatsachen, ohne ein Wort der Begründung oder
Abwehr, woran es ein so streitbarer Gelehrter gewiß nicht hätte fehlen lassen,
wenn im Ernste etwas zu sagen war. Die Peterssche Abhandlung fand deshalb bei
allen Staatsrechtslehrern, namentlich bei O. Mauer in Leipzig und P. Laband
in Straßburg, auch die feindlichste Aufnahme.
Für Preußen bedeutet diese gegnerische Haltung aber die Notwendigkeit,
den einmal betretenen Weg zur Wiedereinführung von Abgaben auf natürlichen
Wasserstraßen zu verlassen. Die preußische Regierung unterbreitete deshalb dein
Bundesrat den im Reichsanzeiger vom 13. März 1909 veröffentlichten Entwurf
eines Gesetzes, betreffend die Erhebung von Schiffahrtsabgaben, der alle Zweifel,
ob Abgaben auf natürliche Wasserstraßen zulässig sind, durch Verfassungs¬
änderung beseitigen und eine verfassungsmäßig unanfechtbare Grundlage für
ein weiteres Vorgehen schaffen will. Der die neue Fassung des Artikels 54 der
Reichsverfassung enthaltende Artikel I der Vorlage bezweckt die Ausräumung
sämtlicher Streitfragen, welche an den bisherigen Wortlaut sich geknüpft haben,
und die Ausfüllung aller Lücken, die in der alten Fassung sich „darzubieten
scheinen". Die Häfen sind in der neuen Fassung als See- und als Binnen¬
häfen an natürlichen Wasserstraßen behandelt und gehören zu den dort genannten
„besonderen Anstalten". Die Artikel II bis V des Entwurfs enthalten nicht
Verfassungs-, sondern gewöhnliches Reichsrecht. Jeder Strom und jedes Strom¬
netz soll als Einheit aufgefaßt werden und die einzelnen Bundesstaaten sich über
die Höhe der Tarife verständigen. Dieses Ziel soll durch genossenschaftliche
Zusammenfassung der Verkehrs- und Strombauinteressen zu sogenannten
Zweckverbänden erreicht werden. Die Bedeutung dieser Zweckverbände soll
"icht nur in der finanziellen Verselbständigung der Schiffahrtsinteressen für
die einzelnen Wasserstraßen liegen, sondern vor allein auch in der territorialen
Ausgleichung und Verallgemeinerung aller gemeinsamen Interesse,:. Die Be¬
gründung über Wesen und Ziele der Zweckverbände in der preußischen Gesetzes¬
vorlage schien anderen Bundesstaaten jedoch uicht als durchschlagend genug, so daß
wan von Preußen eine weitere Erklärung verlangte, die es dann am 29. November
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