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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Der Streit :um die Schiffahrtsabgabcn

ästhetischer Hinsicht sind sie übrigens bei der Sprache nicht verwöhnt, denn im
Vergleich zu Englisch ist Esperanto nicht nur eine schöne, sondern auch stilreine Sprache.

Ein anderer Grund, der ebenso in einer Eigentümlichkeit der Engländer
wie Esperantos liegt, ist der, daß selbst sie. die so schwer und ungern fremde
Sprachen lernen, sich Esperanto mit spielender Leichtigkeit zu eigen machen können
und damit all die Freude und all die Vorteile erwerben, die mit der Kenntnis
einer zweiten Sprache neben der Muttersprache verbunden sind.

Der Deutsche, der mit dem deutschen Kellner in Paris französisch, in London
englisch spricht, prunkt gern mit seinen reicheren Kenntnissen, auch wenn sie noch
so stümperhaft sind. Er liebt es, etwas zeigen zu können, was nicht jeder hat;
gewiß ein lobenswerter Zug, wenn er sich nur nicht auf Überflüssiges, zum
Nachteil des Notwendigeren, erstreckt. Esperanto, das jeder lernen kann, und
das schließlich die Kenntnis jeder anderen fremden Sprache für den inter¬
nationalen Verkehr entbehrlich macht, ist deshalb nichts für ihn. Er übersieht
dabei, daß es ihm unbenommen bleibt, neben Esperanto so viele fremde Sprachen
zu lernen, als er Lust hat, denn wenn Esperanto auch eine vorzügliche Hilfs¬
sprache ist, so behalten doch die natürlichen Sprachen ihre intimen Reize.
Esperanto ist in erster Reihe ein Verkehrsmittel, und vielleicht denkt man daran,
daß der Besitz des schnellsten und schönsten Automobils niemand verhindert, die
Schönheiten der Natur in ruhigem Spaziergange zu genießen. Und doppelt
gepriesen sei das schnelle Gefährt, wenn es uns rascher als die Fußwanderung
aus weiter Öde herausbringt, daß wir mehr Zeit und Ruhe haben, uns der
erfrischenden und belebenden Natur hinzugeben.




Der streit um die Schiffahrtsabgaben

n dem nun seit fünf Jahren tobenden Kampfe um die Abgaben
auf natürlichen Wasserstraßen sind die Parteien im vergangenen
Jahre zum ersten Male an die breite Öffentlichkeit getreten. Seit¬
dem Preußen in dieser wichtigen wirtschaftlichen Angelegenheit
seinen Standpunkt dahin präzisiert hatte, daß Schiffahrtsabgaben
ZU erheben seien, also seit dem 1. Dezember 1904, hat es auch versucht, die
übrigen Bundesstaaten durch vertraulich-heimliche Verhandlungen für die gleiche
Stellungnahme zu gewinnen. Der Umschwung in der preußischen Wasserstraßen¬
politik kam um so überraschender, als Graf Bülow noch am 10. Dezember 1903
"n Reichstag erklärt hatte, daß Artikel 54 der Reichsverfassung vom 16. April 1871
seiner ganzen Entstehungsgeschichte nach das Recht der Einzelstaaten, auf den


Der Streit :um die Schiffahrtsabgabcn

ästhetischer Hinsicht sind sie übrigens bei der Sprache nicht verwöhnt, denn im
Vergleich zu Englisch ist Esperanto nicht nur eine schöne, sondern auch stilreine Sprache.

Ein anderer Grund, der ebenso in einer Eigentümlichkeit der Engländer
wie Esperantos liegt, ist der, daß selbst sie. die so schwer und ungern fremde
Sprachen lernen, sich Esperanto mit spielender Leichtigkeit zu eigen machen können
und damit all die Freude und all die Vorteile erwerben, die mit der Kenntnis
einer zweiten Sprache neben der Muttersprache verbunden sind.

Der Deutsche, der mit dem deutschen Kellner in Paris französisch, in London
englisch spricht, prunkt gern mit seinen reicheren Kenntnissen, auch wenn sie noch
so stümperhaft sind. Er liebt es, etwas zeigen zu können, was nicht jeder hat;
gewiß ein lobenswerter Zug, wenn er sich nur nicht auf Überflüssiges, zum
Nachteil des Notwendigeren, erstreckt. Esperanto, das jeder lernen kann, und
das schließlich die Kenntnis jeder anderen fremden Sprache für den inter¬
nationalen Verkehr entbehrlich macht, ist deshalb nichts für ihn. Er übersieht
dabei, daß es ihm unbenommen bleibt, neben Esperanto so viele fremde Sprachen
zu lernen, als er Lust hat, denn wenn Esperanto auch eine vorzügliche Hilfs¬
sprache ist, so behalten doch die natürlichen Sprachen ihre intimen Reize.
Esperanto ist in erster Reihe ein Verkehrsmittel, und vielleicht denkt man daran,
daß der Besitz des schnellsten und schönsten Automobils niemand verhindert, die
Schönheiten der Natur in ruhigem Spaziergange zu genießen. Und doppelt
gepriesen sei das schnelle Gefährt, wenn es uns rascher als die Fußwanderung
aus weiter Öde herausbringt, daß wir mehr Zeit und Ruhe haben, uns der
erfrischenden und belebenden Natur hinzugeben.




Der streit um die Schiffahrtsabgaben

n dem nun seit fünf Jahren tobenden Kampfe um die Abgaben
auf natürlichen Wasserstraßen sind die Parteien im vergangenen
Jahre zum ersten Male an die breite Öffentlichkeit getreten. Seit¬
dem Preußen in dieser wichtigen wirtschaftlichen Angelegenheit
seinen Standpunkt dahin präzisiert hatte, daß Schiffahrtsabgaben
ZU erheben seien, also seit dem 1. Dezember 1904, hat es auch versucht, die
übrigen Bundesstaaten durch vertraulich-heimliche Verhandlungen für die gleiche
Stellungnahme zu gewinnen. Der Umschwung in der preußischen Wasserstraßen¬
politik kam um so überraschender, als Graf Bülow noch am 10. Dezember 1903
"n Reichstag erklärt hatte, daß Artikel 54 der Reichsverfassung vom 16. April 1871
seiner ganzen Entstehungsgeschichte nach das Recht der Einzelstaaten, auf den


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[0263] Der Streit :um die Schiffahrtsabgabcn ästhetischer Hinsicht sind sie übrigens bei der Sprache nicht verwöhnt, denn im Vergleich zu Englisch ist Esperanto nicht nur eine schöne, sondern auch stilreine Sprache. Ein anderer Grund, der ebenso in einer Eigentümlichkeit der Engländer wie Esperantos liegt, ist der, daß selbst sie. die so schwer und ungern fremde Sprachen lernen, sich Esperanto mit spielender Leichtigkeit zu eigen machen können und damit all die Freude und all die Vorteile erwerben, die mit der Kenntnis einer zweiten Sprache neben der Muttersprache verbunden sind. Der Deutsche, der mit dem deutschen Kellner in Paris französisch, in London englisch spricht, prunkt gern mit seinen reicheren Kenntnissen, auch wenn sie noch so stümperhaft sind. Er liebt es, etwas zeigen zu können, was nicht jeder hat; gewiß ein lobenswerter Zug, wenn er sich nur nicht auf Überflüssiges, zum Nachteil des Notwendigeren, erstreckt. Esperanto, das jeder lernen kann, und das schließlich die Kenntnis jeder anderen fremden Sprache für den inter¬ nationalen Verkehr entbehrlich macht, ist deshalb nichts für ihn. Er übersieht dabei, daß es ihm unbenommen bleibt, neben Esperanto so viele fremde Sprachen zu lernen, als er Lust hat, denn wenn Esperanto auch eine vorzügliche Hilfs¬ sprache ist, so behalten doch die natürlichen Sprachen ihre intimen Reize. Esperanto ist in erster Reihe ein Verkehrsmittel, und vielleicht denkt man daran, daß der Besitz des schnellsten und schönsten Automobils niemand verhindert, die Schönheiten der Natur in ruhigem Spaziergange zu genießen. Und doppelt gepriesen sei das schnelle Gefährt, wenn es uns rascher als die Fußwanderung aus weiter Öde herausbringt, daß wir mehr Zeit und Ruhe haben, uns der erfrischenden und belebenden Natur hinzugeben. Der streit um die Schiffahrtsabgaben n dem nun seit fünf Jahren tobenden Kampfe um die Abgaben auf natürlichen Wasserstraßen sind die Parteien im vergangenen Jahre zum ersten Male an die breite Öffentlichkeit getreten. Seit¬ dem Preußen in dieser wichtigen wirtschaftlichen Angelegenheit seinen Standpunkt dahin präzisiert hatte, daß Schiffahrtsabgaben ZU erheben seien, also seit dem 1. Dezember 1904, hat es auch versucht, die übrigen Bundesstaaten durch vertraulich-heimliche Verhandlungen für die gleiche Stellungnahme zu gewinnen. Der Umschwung in der preußischen Wasserstraßen¬ politik kam um so überraschender, als Graf Bülow noch am 10. Dezember 1903 "n Reichstag erklärt hatte, daß Artikel 54 der Reichsverfassung vom 16. April 1871 seiner ganzen Entstehungsgeschichte nach das Recht der Einzelstaaten, auf den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/263>, abgerufen am 04.07.2024.