den romanischen Völkern. Die gehobene Sprache aber soll sich durch Reichtum, Schönheit, Kraft des Ausdrucks, die Schriftsprache ganz besonders durch Genauigkeit und Deutlichkeit auszeichnen. In der mündlichen Rede wird der Deutlichkeit und dem Nachdruck durch Betonung und Geberde nachgeholfen, in der Schriftsprache aber muß der Ausdruck selbst treffend und klar sein.
Das Wort .derjenige' habe ich auch in der gewöhnlichen Rede nicht selten gehört. Ich habe dreißig Jahre lang fast täglich mit Leuten aus den ver¬ schiedensten Stünden verkehrt und erinnere mich an Äußerungen wie folgende: "Derjenige, der mir das angetan hat"; "Derjenige, der das sagt (mundartlich hieß es: wo das sagt), ist ein Lügner". Das Wort .derjenige' sollte hier der Hinweisung Nachdruck geben.
Luther, gewiß ein volkstümlicher Schriftsteller, hat das Wort öfters, auch Fischart u. a. Wir finden es auch bei unseren Klassikern, so bei Goethe z. B. in Wahrheit und Dichtung S. 2 der großen Ausgabe: "Dasjenige, was wir von andern gehört"; Schiller: "Anders ist der Stndierplan, den sich der Brotgelehrte, anders derjenige, den der philosophische Kopf sich vorzeichnet".
Das rückbezügliche Fürwort .welcher' ist seit Jahrhunderten in der Sprache des Redners und in der Schriftsprache heimisch (wie im Französischen .lequsl' neben ,qui', im Italienischen ,it quäle' neben ,cels'.) Unsere besten Schrift¬ steller wenden es hünfig an. In Wahrheit und Dichtung finde ich es auf deu ersten sechs Seiten zweiundzwanzigmal.
An Stelle dessen soll nun auf einmal das "volkstümliche" .der, die, das' treten. Auch das schon berührte .derjenige, diejenige, dasjenige' soll durch das "volkstümliche" .der, die, das' ersetzt werden. Vielleicht darf man auch .dieser' und .jener' nicht mehr anwenden, denn unser Volk sagt fast nur: .der da' und .der dort'. Überdies ist .der' zugleich Nominativ nahe., Dativ fein, der Einzahl sowie Genetiv der Mehrzahl des bestimmten Artikels; .die' ist Nominativ und Akkusativ sein. der Einzahl und der Mehrzahl; .das' Nominativ und Akkusativ neuer. der Eiuzcchl des bestimmten Artikels usf. Es wimmelt also geradezu voll .der', .die', .das', welche durch die Schrift in ihren verschiedenen Bedeutungen uicht zu unterscheiden sind, .das' klingt außerdem noch an die Konjunktion .daß' all.
In der gewöhnlichen Rede stört uns das nicht, wir unterscheiden durch Betonung; sind auch gewöhnt, nachlässig zu sprechen und auf Schönheit der Sprache keinen Wert zu legen. In der Schriftsprache wie in der Sprache des Redners kann jene Einförmigkeit aber aufs allermmngenehmste auffallen und selbst Unklarheit herbeiführen. Wenn ich lese: "Der Mann, der für die Sicher¬ heit der Fürsten zu sorgen hatte und zu dem König Leopold einmal sagte usw.", nehme ich ein, der Mann habe zu dem König Leopold etwas gesagt. Aber das Umgekehrte ist der Fall, wie sich aus dem weiter folgenden: "Sie sind mein Schutzengel" ergibt. Durch .welchem' wäre der Zweideutigkeit abgeholfen.
Sprachliche Wendungen und Moden
den romanischen Völkern. Die gehobene Sprache aber soll sich durch Reichtum, Schönheit, Kraft des Ausdrucks, die Schriftsprache ganz besonders durch Genauigkeit und Deutlichkeit auszeichnen. In der mündlichen Rede wird der Deutlichkeit und dem Nachdruck durch Betonung und Geberde nachgeholfen, in der Schriftsprache aber muß der Ausdruck selbst treffend und klar sein.
Das Wort .derjenige' habe ich auch in der gewöhnlichen Rede nicht selten gehört. Ich habe dreißig Jahre lang fast täglich mit Leuten aus den ver¬ schiedensten Stünden verkehrt und erinnere mich an Äußerungen wie folgende: „Derjenige, der mir das angetan hat"; „Derjenige, der das sagt (mundartlich hieß es: wo das sagt), ist ein Lügner". Das Wort .derjenige' sollte hier der Hinweisung Nachdruck geben.
Luther, gewiß ein volkstümlicher Schriftsteller, hat das Wort öfters, auch Fischart u. a. Wir finden es auch bei unseren Klassikern, so bei Goethe z. B. in Wahrheit und Dichtung S. 2 der großen Ausgabe: „Dasjenige, was wir von andern gehört"; Schiller: „Anders ist der Stndierplan, den sich der Brotgelehrte, anders derjenige, den der philosophische Kopf sich vorzeichnet".
Das rückbezügliche Fürwort .welcher' ist seit Jahrhunderten in der Sprache des Redners und in der Schriftsprache heimisch (wie im Französischen .lequsl' neben ,qui', im Italienischen ,it quäle' neben ,cels'.) Unsere besten Schrift¬ steller wenden es hünfig an. In Wahrheit und Dichtung finde ich es auf deu ersten sechs Seiten zweiundzwanzigmal.
An Stelle dessen soll nun auf einmal das „volkstümliche" .der, die, das' treten. Auch das schon berührte .derjenige, diejenige, dasjenige' soll durch das „volkstümliche" .der, die, das' ersetzt werden. Vielleicht darf man auch .dieser' und .jener' nicht mehr anwenden, denn unser Volk sagt fast nur: .der da' und .der dort'. Überdies ist .der' zugleich Nominativ nahe., Dativ fein, der Einzahl sowie Genetiv der Mehrzahl des bestimmten Artikels; .die' ist Nominativ und Akkusativ sein. der Einzahl und der Mehrzahl; .das' Nominativ und Akkusativ neuer. der Eiuzcchl des bestimmten Artikels usf. Es wimmelt also geradezu voll .der', .die', .das', welche durch die Schrift in ihren verschiedenen Bedeutungen uicht zu unterscheiden sind, .das' klingt außerdem noch an die Konjunktion .daß' all.
In der gewöhnlichen Rede stört uns das nicht, wir unterscheiden durch Betonung; sind auch gewöhnt, nachlässig zu sprechen und auf Schönheit der Sprache keinen Wert zu legen. In der Schriftsprache wie in der Sprache des Redners kann jene Einförmigkeit aber aufs allermmngenehmste auffallen und selbst Unklarheit herbeiführen. Wenn ich lese: „Der Mann, der für die Sicher¬ heit der Fürsten zu sorgen hatte und zu dem König Leopold einmal sagte usw.", nehme ich ein, der Mann habe zu dem König Leopold etwas gesagt. Aber das Umgekehrte ist der Fall, wie sich aus dem weiter folgenden: „Sie sind mein Schutzengel" ergibt. Durch .welchem' wäre der Zweideutigkeit abgeholfen.
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Sprachliche Wendungen und Moden
den romanischen Völkern. Die gehobene Sprache aber soll sich durch Reichtum,
Schönheit, Kraft des Ausdrucks, die Schriftsprache ganz besonders durch
Genauigkeit und Deutlichkeit auszeichnen. In der mündlichen Rede wird der
Deutlichkeit und dem Nachdruck durch Betonung und Geberde nachgeholfen, in
der Schriftsprache aber muß der Ausdruck selbst treffend und klar sein.
Das Wort .derjenige' habe ich auch in der gewöhnlichen Rede nicht selten
gehört. Ich habe dreißig Jahre lang fast täglich mit Leuten aus den ver¬
schiedensten Stünden verkehrt und erinnere mich an Äußerungen wie folgende:
„Derjenige, der mir das angetan hat"; „Derjenige, der das sagt (mundartlich
hieß es: wo das sagt), ist ein Lügner". Das Wort .derjenige' sollte hier der
Hinweisung Nachdruck geben.
Luther, gewiß ein volkstümlicher Schriftsteller, hat das Wort öfters, auch
Fischart u. a. Wir finden es auch bei unseren Klassikern, so bei Goethe z. B.
in Wahrheit und Dichtung S. 2 der großen Ausgabe: „Dasjenige, was wir
von andern gehört"; Schiller: „Anders ist der Stndierplan, den sich der
Brotgelehrte, anders derjenige, den der philosophische Kopf sich vorzeichnet".
Das rückbezügliche Fürwort .welcher' ist seit Jahrhunderten in der Sprache
des Redners und in der Schriftsprache heimisch (wie im Französischen .lequsl'
neben ,qui', im Italienischen ,it quäle' neben ,cels'.) Unsere besten Schrift¬
steller wenden es hünfig an. In Wahrheit und Dichtung finde ich es auf deu
ersten sechs Seiten zweiundzwanzigmal.
An Stelle dessen soll nun auf einmal das „volkstümliche" .der, die,
das' treten. Auch das schon berührte .derjenige, diejenige, dasjenige' soll durch
das „volkstümliche" .der, die, das' ersetzt werden. Vielleicht darf man auch
.dieser' und .jener' nicht mehr anwenden, denn unser Volk sagt fast nur:
.der da' und .der dort'. Überdies ist .der' zugleich Nominativ nahe., Dativ
fein, der Einzahl sowie Genetiv der Mehrzahl des bestimmten Artikels; .die' ist
Nominativ und Akkusativ sein. der Einzahl und der Mehrzahl; .das' Nominativ
und Akkusativ neuer. der Eiuzcchl des bestimmten Artikels usf. Es wimmelt
also geradezu voll .der', .die', .das', welche durch die Schrift in ihren verschiedenen
Bedeutungen uicht zu unterscheiden sind, .das' klingt außerdem noch an die
Konjunktion .daß' all.
In der gewöhnlichen Rede stört uns das nicht, wir unterscheiden durch
Betonung; sind auch gewöhnt, nachlässig zu sprechen und auf Schönheit der
Sprache keinen Wert zu legen. In der Schriftsprache wie in der Sprache des
Redners kann jene Einförmigkeit aber aufs allermmngenehmste auffallen und
selbst Unklarheit herbeiführen. Wenn ich lese: „Der Mann, der für die Sicher¬
heit der Fürsten zu sorgen hatte und zu dem König Leopold einmal sagte usw.",
nehme ich ein, der Mann habe zu dem König Leopold etwas gesagt. Aber
das Umgekehrte ist der Fall, wie sich aus dem weiter folgenden: „Sie sind
mein Schutzengel" ergibt. Durch .welchem' wäre der Zweideutigkeit
abgeholfen.
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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/234>, abgerufen am 30.12.2024.
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