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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Amerikanische Grubenkatastrophen

geudung von Arbeit, Zeit und Geld durch die Herstellung dieser gänzlich
unnötigen Ausfertigungen nicht zu gedenken.

Ein andrer technischer Mangel ist die oft sehr unpraktische Einrichtung
der Geschäftsgebäude und der Geschäftsräume, wie von Massow richtig bemerkt.

Bei diesen technischen Fragen handelt es sich freilich überall nicht um
Dinge, deren Vermeidung mit einem Schlag alle übelstände beseitigen würde;
darin hat Lotz recht. Aber man könnte durch solche technischen Verbesserungen
doch den ganzen Geschäftsbetrieb außerordentlich fördern und beschleunigen und
die höhern Beamten von großer und zeitraubender mechanischer Arbeit befreien.
So könnte mancher Bericht, an dem der Dezernent jetzt stundenlang selbst
schreibt, einem Stenographen bei einiger Übung in einer halben Stunde diktiert
werden. Das würde doch ein großer Gewinn sein.

Anderseits haben alle Verbesserungen der Methode und der Technik der
Verwaltung freilich auch eine finanzielle Seite. Das vergessen die häufig, die
in einem Atemzug über Aktenregiment, also Unbekanntschaft der Behörden mit
Land und Leuten, und über Verschwendung mit Dienstreisen schimpfen.




Amerikanische Grubenkatastrophen
von Dr. Lrnst Sclmltze

n keinem Lande der Welt werden mehr Menschenleben verschwendet
als in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Jährlich
sterben dort (nach dem amtlichen Bericht, den Mr. Paul Pierce
über die Abteilung für Nahrungsmittel-Hygiene der Weltaus¬
stellung von Samt Louis erstattete) 360000 Kinder an Krank¬
heiten, die mittelbar oder unmittelbar von Nahrungsmittelverfälschungen her¬
rühren. Die Zahl der bei Eisenbahnunfällen getöteten oder verwundeten Per¬
sonen beläuft sich für die Vereinigten Staaten jährlich auf 80- bis 90000Menschen.
Bei Bränden gehen etwa 7000 Menschen jährlich zugrunde: man braucht, um
Beispiele für größere Katastrophen zu geben, nur an die Schulbrandkatastrophe
in Cleveland vom März 1908 zu erinnern, bei der von 300 Schulkindern nur
80 ohne Verletzungen davonkamen; oder an den Brand des Jroquois-Theaters
in Chicago am 26. November 1903, bei welchem fast 600 Menschen verbrannten.
Auf dem Schlachtfelde der Arbeit ferner bleiben nach der Schätzung des Prä¬
sidenten Roosevelt in den Vereinigten Staaten jährlich 20000 Menschen als
Leichen -- eine Zahl, die, um seine eigenen Worte anzuführen, "die Zahl der
in allen ausländischen Kriegen Angekommenen vergleichsweise Höchst unbedeutend
erscheinen läßt".


Amerikanische Grubenkatastrophen

geudung von Arbeit, Zeit und Geld durch die Herstellung dieser gänzlich
unnötigen Ausfertigungen nicht zu gedenken.

Ein andrer technischer Mangel ist die oft sehr unpraktische Einrichtung
der Geschäftsgebäude und der Geschäftsräume, wie von Massow richtig bemerkt.

Bei diesen technischen Fragen handelt es sich freilich überall nicht um
Dinge, deren Vermeidung mit einem Schlag alle übelstände beseitigen würde;
darin hat Lotz recht. Aber man könnte durch solche technischen Verbesserungen
doch den ganzen Geschäftsbetrieb außerordentlich fördern und beschleunigen und
die höhern Beamten von großer und zeitraubender mechanischer Arbeit befreien.
So könnte mancher Bericht, an dem der Dezernent jetzt stundenlang selbst
schreibt, einem Stenographen bei einiger Übung in einer halben Stunde diktiert
werden. Das würde doch ein großer Gewinn sein.

Anderseits haben alle Verbesserungen der Methode und der Technik der
Verwaltung freilich auch eine finanzielle Seite. Das vergessen die häufig, die
in einem Atemzug über Aktenregiment, also Unbekanntschaft der Behörden mit
Land und Leuten, und über Verschwendung mit Dienstreisen schimpfen.




Amerikanische Grubenkatastrophen
von Dr. Lrnst Sclmltze

n keinem Lande der Welt werden mehr Menschenleben verschwendet
als in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Jährlich
sterben dort (nach dem amtlichen Bericht, den Mr. Paul Pierce
über die Abteilung für Nahrungsmittel-Hygiene der Weltaus¬
stellung von Samt Louis erstattete) 360000 Kinder an Krank¬
heiten, die mittelbar oder unmittelbar von Nahrungsmittelverfälschungen her¬
rühren. Die Zahl der bei Eisenbahnunfällen getöteten oder verwundeten Per¬
sonen beläuft sich für die Vereinigten Staaten jährlich auf 80- bis 90000Menschen.
Bei Bränden gehen etwa 7000 Menschen jährlich zugrunde: man braucht, um
Beispiele für größere Katastrophen zu geben, nur an die Schulbrandkatastrophe
in Cleveland vom März 1908 zu erinnern, bei der von 300 Schulkindern nur
80 ohne Verletzungen davonkamen; oder an den Brand des Jroquois-Theaters
in Chicago am 26. November 1903, bei welchem fast 600 Menschen verbrannten.
Auf dem Schlachtfelde der Arbeit ferner bleiben nach der Schätzung des Prä¬
sidenten Roosevelt in den Vereinigten Staaten jährlich 20000 Menschen als
Leichen — eine Zahl, die, um seine eigenen Worte anzuführen, „die Zahl der
in allen ausländischen Kriegen Angekommenen vergleichsweise Höchst unbedeutend
erscheinen läßt".


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[0224] Amerikanische Grubenkatastrophen geudung von Arbeit, Zeit und Geld durch die Herstellung dieser gänzlich unnötigen Ausfertigungen nicht zu gedenken. Ein andrer technischer Mangel ist die oft sehr unpraktische Einrichtung der Geschäftsgebäude und der Geschäftsräume, wie von Massow richtig bemerkt. Bei diesen technischen Fragen handelt es sich freilich überall nicht um Dinge, deren Vermeidung mit einem Schlag alle übelstände beseitigen würde; darin hat Lotz recht. Aber man könnte durch solche technischen Verbesserungen doch den ganzen Geschäftsbetrieb außerordentlich fördern und beschleunigen und die höhern Beamten von großer und zeitraubender mechanischer Arbeit befreien. So könnte mancher Bericht, an dem der Dezernent jetzt stundenlang selbst schreibt, einem Stenographen bei einiger Übung in einer halben Stunde diktiert werden. Das würde doch ein großer Gewinn sein. Anderseits haben alle Verbesserungen der Methode und der Technik der Verwaltung freilich auch eine finanzielle Seite. Das vergessen die häufig, die in einem Atemzug über Aktenregiment, also Unbekanntschaft der Behörden mit Land und Leuten, und über Verschwendung mit Dienstreisen schimpfen. Amerikanische Grubenkatastrophen von Dr. Lrnst Sclmltze n keinem Lande der Welt werden mehr Menschenleben verschwendet als in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Jährlich sterben dort (nach dem amtlichen Bericht, den Mr. Paul Pierce über die Abteilung für Nahrungsmittel-Hygiene der Weltaus¬ stellung von Samt Louis erstattete) 360000 Kinder an Krank¬ heiten, die mittelbar oder unmittelbar von Nahrungsmittelverfälschungen her¬ rühren. Die Zahl der bei Eisenbahnunfällen getöteten oder verwundeten Per¬ sonen beläuft sich für die Vereinigten Staaten jährlich auf 80- bis 90000Menschen. Bei Bränden gehen etwa 7000 Menschen jährlich zugrunde: man braucht, um Beispiele für größere Katastrophen zu geben, nur an die Schulbrandkatastrophe in Cleveland vom März 1908 zu erinnern, bei der von 300 Schulkindern nur 80 ohne Verletzungen davonkamen; oder an den Brand des Jroquois-Theaters in Chicago am 26. November 1903, bei welchem fast 600 Menschen verbrannten. Auf dem Schlachtfelde der Arbeit ferner bleiben nach der Schätzung des Prä¬ sidenten Roosevelt in den Vereinigten Staaten jährlich 20000 Menschen als Leichen — eine Zahl, die, um seine eigenen Worte anzuführen, „die Zahl der in allen ausländischen Kriegen Angekommenen vergleichsweise Höchst unbedeutend erscheinen läßt".

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/224>, abgerufen am 04.07.2024.