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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Die Methode und die Technik der preußischen Verwaltung

begegnet, ist nicht ganz zwingend. Diese Vereinfachung bezieht sich hauptsächlich
auf die kleineren Geschäfte des täglichen laufenden Verkehrs, der viel Ähnlichkeit
mit den: Geschäftsverkehr eines kaufmännischen Unternehmens hat. In der
Behandlung der großen, wichtigen Angelegenheiten ist keine wesentliche Änderung
eingetreten.

Wo Verzögerungen in der Erledigung einzelner Sachen vorkommen, die
sich nicht durch die vorgetragenen Umstände erklären und rechtfertigen lassen,
kann man ruhig annehmen, daß persönliche Gründe vorliegen.

Begründeter als der bisher behandelte Vorwurf ist der, daß die Verwaltungs¬
behörden von Stenographie, Telephon, Schreibmaschine und ähnlichen Errungen¬
schaften der neuen Zeit keinen ausreichenden Gebrauch machten. Das hat aber
wiederum persönliche Gründe. Bereits ein Runderlaß der Minister des Innern
und der Finanzen vom 12. August 1897 hat allen Behörden der allgemeinen
Verwaltung die weitestgehende Benutzung solcher Hilfsmittel dringend empfohlen.
Geholfen hat es aber nur recht wenig, weil viele Vorgesetzte an solche Neuerungen
nicht herantreten wollten. Ebensowenig wird andres, das dieser Erlaß empfiehlt,
beachtet: so die Vermeidung aller unnötigen Weitschweifigkeiten im Geschäftsstil
Z. B. der gänzlich inhaltlosen, ja gradezu törichten Wörter: ergebenst, gefälligst,
hochwohlgeboren usw., dann die Anordnung, von Verfügungen, die von der
empfangenden Behörde an die ihr unterstellten Behörden weitergegeben werden
müssen, gleich eine entsprechende Anzahl Abdrücke beizugeben, damit die erste
Empfängerin diese Wschriften nicht selbst herstellen muß, um so Arbeit, Zeit
und Geld zu ersparen. Grade diese so überaus zweckmäßige Anordnung wird
nach meinen vielfältigen Beobachtungen kaum beachtet, und namentlich niemals
von den Zentralbehörden, die doch vor allem dazu berufen wären. Auch für
solche Mißgriffe sind lediglich die beteiligten Beamten verantwortlich zu machen,
die entweder nicht aufpassen, oder vielleicht auch gar nicht wissen, was die untern
Behörden mit derartigen Verfügungen anzufangen haben. Eine andre, manchmal
komisch anmutende Erscheinung ähnlicher Art beruht allerdings zunächst auf
einem Mangel der Organisation. Es kommt oft vor, daß das Staatsministerium
einen Beschluß faßt, der in der ganzen Staatsverwaltung gleichmäßig zu beachten
ist, etwa wegen der Berechnung des Besoldnngs- oder Penfionsdienstalters der
Beamten. Oder ein Minister schreibt etwas für seinen Geschäftskreis vor, das
auch in den andern Ressorts gelten kann, wie die Vorschriften des Arbeits-
miiüsteriums über die Beschaffung von Lieferungen und Leistungen. Ein harm¬
loses Gemüt würde nun annehmen, daß derartige Anordnungen von einer Stelle
aus den untern Behörden zugingen. Das würde aber weit gefehlt sein. Viel¬
mehr werden solche Anordnungen in der Regel von jeden: einzelnen Minister
für jedes einzelne Ressort erlassen, und an die unglückseligen Provinzialbehördcn
kommt so ein halbes Dutzend Erlasse oder mehr, die inhaltlich genau dasselbe
besagen und bis auf einen, auf den verfügt wird, einfach zu den Akten genommen
werden, die so mit ganzen Stößen Papier zwecklos angefüllt werden, der Ver-


Die Methode und die Technik der preußischen Verwaltung

begegnet, ist nicht ganz zwingend. Diese Vereinfachung bezieht sich hauptsächlich
auf die kleineren Geschäfte des täglichen laufenden Verkehrs, der viel Ähnlichkeit
mit den: Geschäftsverkehr eines kaufmännischen Unternehmens hat. In der
Behandlung der großen, wichtigen Angelegenheiten ist keine wesentliche Änderung
eingetreten.

Wo Verzögerungen in der Erledigung einzelner Sachen vorkommen, die
sich nicht durch die vorgetragenen Umstände erklären und rechtfertigen lassen,
kann man ruhig annehmen, daß persönliche Gründe vorliegen.

Begründeter als der bisher behandelte Vorwurf ist der, daß die Verwaltungs¬
behörden von Stenographie, Telephon, Schreibmaschine und ähnlichen Errungen¬
schaften der neuen Zeit keinen ausreichenden Gebrauch machten. Das hat aber
wiederum persönliche Gründe. Bereits ein Runderlaß der Minister des Innern
und der Finanzen vom 12. August 1897 hat allen Behörden der allgemeinen
Verwaltung die weitestgehende Benutzung solcher Hilfsmittel dringend empfohlen.
Geholfen hat es aber nur recht wenig, weil viele Vorgesetzte an solche Neuerungen
nicht herantreten wollten. Ebensowenig wird andres, das dieser Erlaß empfiehlt,
beachtet: so die Vermeidung aller unnötigen Weitschweifigkeiten im Geschäftsstil
Z. B. der gänzlich inhaltlosen, ja gradezu törichten Wörter: ergebenst, gefälligst,
hochwohlgeboren usw., dann die Anordnung, von Verfügungen, die von der
empfangenden Behörde an die ihr unterstellten Behörden weitergegeben werden
müssen, gleich eine entsprechende Anzahl Abdrücke beizugeben, damit die erste
Empfängerin diese Wschriften nicht selbst herstellen muß, um so Arbeit, Zeit
und Geld zu ersparen. Grade diese so überaus zweckmäßige Anordnung wird
nach meinen vielfältigen Beobachtungen kaum beachtet, und namentlich niemals
von den Zentralbehörden, die doch vor allem dazu berufen wären. Auch für
solche Mißgriffe sind lediglich die beteiligten Beamten verantwortlich zu machen,
die entweder nicht aufpassen, oder vielleicht auch gar nicht wissen, was die untern
Behörden mit derartigen Verfügungen anzufangen haben. Eine andre, manchmal
komisch anmutende Erscheinung ähnlicher Art beruht allerdings zunächst auf
einem Mangel der Organisation. Es kommt oft vor, daß das Staatsministerium
einen Beschluß faßt, der in der ganzen Staatsverwaltung gleichmäßig zu beachten
ist, etwa wegen der Berechnung des Besoldnngs- oder Penfionsdienstalters der
Beamten. Oder ein Minister schreibt etwas für seinen Geschäftskreis vor, das
auch in den andern Ressorts gelten kann, wie die Vorschriften des Arbeits-
miiüsteriums über die Beschaffung von Lieferungen und Leistungen. Ein harm¬
loses Gemüt würde nun annehmen, daß derartige Anordnungen von einer Stelle
aus den untern Behörden zugingen. Das würde aber weit gefehlt sein. Viel¬
mehr werden solche Anordnungen in der Regel von jeden: einzelnen Minister
für jedes einzelne Ressort erlassen, und an die unglückseligen Provinzialbehördcn
kommt so ein halbes Dutzend Erlasse oder mehr, die inhaltlich genau dasselbe
besagen und bis auf einen, auf den verfügt wird, einfach zu den Akten genommen
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[0223] Die Methode und die Technik der preußischen Verwaltung begegnet, ist nicht ganz zwingend. Diese Vereinfachung bezieht sich hauptsächlich auf die kleineren Geschäfte des täglichen laufenden Verkehrs, der viel Ähnlichkeit mit den: Geschäftsverkehr eines kaufmännischen Unternehmens hat. In der Behandlung der großen, wichtigen Angelegenheiten ist keine wesentliche Änderung eingetreten. Wo Verzögerungen in der Erledigung einzelner Sachen vorkommen, die sich nicht durch die vorgetragenen Umstände erklären und rechtfertigen lassen, kann man ruhig annehmen, daß persönliche Gründe vorliegen. Begründeter als der bisher behandelte Vorwurf ist der, daß die Verwaltungs¬ behörden von Stenographie, Telephon, Schreibmaschine und ähnlichen Errungen¬ schaften der neuen Zeit keinen ausreichenden Gebrauch machten. Das hat aber wiederum persönliche Gründe. Bereits ein Runderlaß der Minister des Innern und der Finanzen vom 12. August 1897 hat allen Behörden der allgemeinen Verwaltung die weitestgehende Benutzung solcher Hilfsmittel dringend empfohlen. Geholfen hat es aber nur recht wenig, weil viele Vorgesetzte an solche Neuerungen nicht herantreten wollten. Ebensowenig wird andres, das dieser Erlaß empfiehlt, beachtet: so die Vermeidung aller unnötigen Weitschweifigkeiten im Geschäftsstil Z. B. der gänzlich inhaltlosen, ja gradezu törichten Wörter: ergebenst, gefälligst, hochwohlgeboren usw., dann die Anordnung, von Verfügungen, die von der empfangenden Behörde an die ihr unterstellten Behörden weitergegeben werden müssen, gleich eine entsprechende Anzahl Abdrücke beizugeben, damit die erste Empfängerin diese Wschriften nicht selbst herstellen muß, um so Arbeit, Zeit und Geld zu ersparen. Grade diese so überaus zweckmäßige Anordnung wird nach meinen vielfältigen Beobachtungen kaum beachtet, und namentlich niemals von den Zentralbehörden, die doch vor allem dazu berufen wären. Auch für solche Mißgriffe sind lediglich die beteiligten Beamten verantwortlich zu machen, die entweder nicht aufpassen, oder vielleicht auch gar nicht wissen, was die untern Behörden mit derartigen Verfügungen anzufangen haben. Eine andre, manchmal komisch anmutende Erscheinung ähnlicher Art beruht allerdings zunächst auf einem Mangel der Organisation. Es kommt oft vor, daß das Staatsministerium einen Beschluß faßt, der in der ganzen Staatsverwaltung gleichmäßig zu beachten ist, etwa wegen der Berechnung des Besoldnngs- oder Penfionsdienstalters der Beamten. Oder ein Minister schreibt etwas für seinen Geschäftskreis vor, das auch in den andern Ressorts gelten kann, wie die Vorschriften des Arbeits- miiüsteriums über die Beschaffung von Lieferungen und Leistungen. Ein harm¬ loses Gemüt würde nun annehmen, daß derartige Anordnungen von einer Stelle aus den untern Behörden zugingen. Das würde aber weit gefehlt sein. Viel¬ mehr werden solche Anordnungen in der Regel von jeden: einzelnen Minister für jedes einzelne Ressort erlassen, und an die unglückseligen Provinzialbehördcn kommt so ein halbes Dutzend Erlasse oder mehr, die inhaltlich genau dasselbe besagen und bis auf einen, auf den verfügt wird, einfach zu den Akten genommen werden, die so mit ganzen Stößen Papier zwecklos angefüllt werden, der Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/223>, abgerufen am 04.07.2024.