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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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U?as ist Monismus?

Monismus, die davon ausgehen, daß die Welt, mit der sich un,er Denken
beschäftigen kann, eben im Geiste sein muß. erscheinen in der Tat viel aussichts-
voller als das verfehlte umgekehrte Unterfangen des Materialismus. Die Welt
meiner Wahrnehmungen führt sich zurück auf meine Empfindungen und die
Gedanken, die ich mir darüber mache. Keine Gesichts-. Gehörs-. Geschmacks-.
Geruchsempfindung gibt es ohne ein geistiges Wesen, von dem sie getragen
sind. Und selbst die Härte und Greifbarkeit der objektiven Welt ist nur für
den Tastsinn vorhanden, eine Empfindung, die ohne ein Geistiges nicht wäre.
Der Stoff und die Kraft sind Denkabstraktionen aus dieser Welt der Empfindungen.
Nicht etwa, daß die ganze Welt ein Traumphantom wäre, das ich nur vor¬
spiegelte. Aber wenn diese Welt, die ich empfinde, und über die ich denke, eine
Wirklichkeit außer mir habe" soll, so kann sie gleichfalls nur in denkenden und
empfindenden Wesen außer mir sein. Und soll sie diese Wirklichkeit auch hab .
selbst wenn alle diese Einzelwesen weggedacht werden, soll das L.ehe noch leuchten,
soll der Ton noch klingen in der menschenleeren Wüste oder selbst dann noch,
wenn alle empfindenden Wesen aus der Welt hinweggestorben waren, so kann
das Leuchten und Klingen nnr in dem das Ganze in sich tragenden Allgeist
vorhanden sein. In den verschiedensten Wendungen kommen alle großen philo¬
sophischen Systeme der Neuzeit. Fichte. Schelling. Hegel. Schopenhauer, von
Hartmann. Lotze. Fechner. Wundt auf einen geistigen Monismus hinaus. Ruf
das Denken oder Wollen, oder auf eine Einheit beider, jedenfalls aber auf ein
geistiges Urprinzip führen sie die Welt zurück.

Dieser spiritualistische Monismus ist es auch, der bei Dichtern wie Lessing
und Goethe in poetischer Verklärung als Grund ihrer Weltanschauung durch¬
leuchtet. Lessing bekennt sich ausdrücklich zu Spinoza, doch sein ^pmoz'sans
ist durch Leibnizische Einflüsse vergeistigt. In eiuer Abhandlung weist ^daß es keine Wirklichkeit der Dinge außer Gott geben könne. d°ß vielmehr die
Dinge als Vorstellungen in Gott zu denken seien. Gleicherweise denkt Goethe
an einen geistigen Grund der Welt in seinem bekannten Wort:

Es muß deutlich hervorgehoben werden, daß der Monismus unsrer großen
Dichter und Philosophen einen geistigen Grund der Welt voraussetzt. Dies
haben wir uns in Erinnerung zu rufen, wenn sich der Monismus heutiger Tage
°is Fortsetzung dieser Geistesrichtung gebärdet und namentlich Haeckel gern den
großen Weimarischen Dichter als Gewährsmann seiner Ansichten herbeizieht. Der
moderne Monismus, wenigstens in der Gestalt, in der er seinen Einfluß auf d.e
breiten Massen übt. und wie er in Haeckel seinen charakteristischen Repräsentanten


U?as ist Monismus?

Monismus, die davon ausgehen, daß die Welt, mit der sich un,er Denken
beschäftigen kann, eben im Geiste sein muß. erscheinen in der Tat viel aussichts-
voller als das verfehlte umgekehrte Unterfangen des Materialismus. Die Welt
meiner Wahrnehmungen führt sich zurück auf meine Empfindungen und die
Gedanken, die ich mir darüber mache. Keine Gesichts-. Gehörs-. Geschmacks-.
Geruchsempfindung gibt es ohne ein geistiges Wesen, von dem sie getragen
sind. Und selbst die Härte und Greifbarkeit der objektiven Welt ist nur für
den Tastsinn vorhanden, eine Empfindung, die ohne ein Geistiges nicht wäre.
Der Stoff und die Kraft sind Denkabstraktionen aus dieser Welt der Empfindungen.
Nicht etwa, daß die ganze Welt ein Traumphantom wäre, das ich nur vor¬
spiegelte. Aber wenn diese Welt, die ich empfinde, und über die ich denke, eine
Wirklichkeit außer mir habe» soll, so kann sie gleichfalls nur in denkenden und
empfindenden Wesen außer mir sein. Und soll sie diese Wirklichkeit auch hab .
selbst wenn alle diese Einzelwesen weggedacht werden, soll das L.ehe noch leuchten,
soll der Ton noch klingen in der menschenleeren Wüste oder selbst dann noch,
wenn alle empfindenden Wesen aus der Welt hinweggestorben waren, so kann
das Leuchten und Klingen nnr in dem das Ganze in sich tragenden Allgeist
vorhanden sein. In den verschiedensten Wendungen kommen alle großen philo¬
sophischen Systeme der Neuzeit. Fichte. Schelling. Hegel. Schopenhauer, von
Hartmann. Lotze. Fechner. Wundt auf einen geistigen Monismus hinaus. Ruf
das Denken oder Wollen, oder auf eine Einheit beider, jedenfalls aber auf ein
geistiges Urprinzip führen sie die Welt zurück.

Dieser spiritualistische Monismus ist es auch, der bei Dichtern wie Lessing
und Goethe in poetischer Verklärung als Grund ihrer Weltanschauung durch¬
leuchtet. Lessing bekennt sich ausdrücklich zu Spinoza, doch sein ^pmoz'sans
ist durch Leibnizische Einflüsse vergeistigt. In eiuer Abhandlung weist ^daß es keine Wirklichkeit der Dinge außer Gott geben könne. d°ß vielmehr die
Dinge als Vorstellungen in Gott zu denken seien. Gleicherweise denkt Goethe
an einen geistigen Grund der Welt in seinem bekannten Wort:

Es muß deutlich hervorgehoben werden, daß der Monismus unsrer großen
Dichter und Philosophen einen geistigen Grund der Welt voraussetzt. Dies
haben wir uns in Erinnerung zu rufen, wenn sich der Monismus heutiger Tage
°is Fortsetzung dieser Geistesrichtung gebärdet und namentlich Haeckel gern den
großen Weimarischen Dichter als Gewährsmann seiner Ansichten herbeizieht. Der
moderne Monismus, wenigstens in der Gestalt, in der er seinen Einfluß auf d.e
breiten Massen übt. und wie er in Haeckel seinen charakteristischen Repräsentanten


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[0553] U?as ist Monismus? Monismus, die davon ausgehen, daß die Welt, mit der sich un,er Denken beschäftigen kann, eben im Geiste sein muß. erscheinen in der Tat viel aussichts- voller als das verfehlte umgekehrte Unterfangen des Materialismus. Die Welt meiner Wahrnehmungen führt sich zurück auf meine Empfindungen und die Gedanken, die ich mir darüber mache. Keine Gesichts-. Gehörs-. Geschmacks-. Geruchsempfindung gibt es ohne ein geistiges Wesen, von dem sie getragen sind. Und selbst die Härte und Greifbarkeit der objektiven Welt ist nur für den Tastsinn vorhanden, eine Empfindung, die ohne ein Geistiges nicht wäre. Der Stoff und die Kraft sind Denkabstraktionen aus dieser Welt der Empfindungen. Nicht etwa, daß die ganze Welt ein Traumphantom wäre, das ich nur vor¬ spiegelte. Aber wenn diese Welt, die ich empfinde, und über die ich denke, eine Wirklichkeit außer mir habe» soll, so kann sie gleichfalls nur in denkenden und empfindenden Wesen außer mir sein. Und soll sie diese Wirklichkeit auch hab . selbst wenn alle diese Einzelwesen weggedacht werden, soll das L.ehe noch leuchten, soll der Ton noch klingen in der menschenleeren Wüste oder selbst dann noch, wenn alle empfindenden Wesen aus der Welt hinweggestorben waren, so kann das Leuchten und Klingen nnr in dem das Ganze in sich tragenden Allgeist vorhanden sein. In den verschiedensten Wendungen kommen alle großen philo¬ sophischen Systeme der Neuzeit. Fichte. Schelling. Hegel. Schopenhauer, von Hartmann. Lotze. Fechner. Wundt auf einen geistigen Monismus hinaus. Ruf das Denken oder Wollen, oder auf eine Einheit beider, jedenfalls aber auf ein geistiges Urprinzip führen sie die Welt zurück. Dieser spiritualistische Monismus ist es auch, der bei Dichtern wie Lessing und Goethe in poetischer Verklärung als Grund ihrer Weltanschauung durch¬ leuchtet. Lessing bekennt sich ausdrücklich zu Spinoza, doch sein ^pmoz'sans ist durch Leibnizische Einflüsse vergeistigt. In eiuer Abhandlung weist ^daß es keine Wirklichkeit der Dinge außer Gott geben könne. d°ß vielmehr die Dinge als Vorstellungen in Gott zu denken seien. Gleicherweise denkt Goethe an einen geistigen Grund der Welt in seinem bekannten Wort: Es muß deutlich hervorgehoben werden, daß der Monismus unsrer großen Dichter und Philosophen einen geistigen Grund der Welt voraussetzt. Dies haben wir uns in Erinnerung zu rufen, wenn sich der Monismus heutiger Tage °is Fortsetzung dieser Geistesrichtung gebärdet und namentlich Haeckel gern den großen Weimarischen Dichter als Gewährsmann seiner Ansichten herbeizieht. Der moderne Monismus, wenigstens in der Gestalt, in der er seinen Einfluß auf d.e breiten Massen übt. und wie er in Haeckel seinen charakteristischen Repräsentanten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/553>, abgerufen am 24.07.2024.